Polypen (Hydroidpolypen sowohl als Anthozoen), welche nicht ge- gliedert, d. h. nicht mit Böden oder Dissepimenten versehen, oder äusserlich wenigstens geringelt sind. Alle diese ungegliederten "Ein- zelthiere" der Coelenteraten, mögen sie nun aus vier Antimeren be- stehen, wie die meisten Medusen, oder aus acht, wie alle Ctenophoren und Alcyonarien (Octactinien), oder aus sechs, wie die Zoantharien, haben als actuelle Bionten nur den morphologischen Werth eines ein- zigen Metameres, und sind also, gleich den Mollusken, Trematoden und Proglottiden, nicht "eigentliche Individuen" (d. h. Personen), wofür man sie gewöhnlich anzusehen pflegt.
Unter den Pflanzen erreichen zahlreiche Cryptogamen als actuelle Bionten nur den Metameren-Werth, nämlich alle diejenigen, welche nur aus mehreren Antimeren, nicht aus mehreren Metameren zusam- mengesetzt sind, wie das bei vielen Thallophyten der Fall ist. Selten dagegen findet sich dieser Fall bei den Phanerogamen, wo nur die "einfachen Pflanzen ohne Stengelglieder" dahin gerechnet werden können, z. B. Lemna. Auch diese ist als actuelles Bion ein einfaches Metamer, falls man nicht wenigstens gewisse Formen derselben rich- tiger als actuelle Antimeren betrachten muss.
IV. B. Die Metameren als virtuelle Bionten.
Nicht minder grosse Bedeutung als die actuelle, besitzt die vir- tuelle Individualität der Metameren. Wir müssen nämlich nach den oben angeführten Grundsätzen alle Entwickelungszustände von Per- sonen oder Sprossen für virtuelle Metameren halten, welche bereits aus zwei oder mehreren Antimeren, aber noch nicht aus Metameren zusammengesetzt sind. Demgemäss ist z. B. der Wirbelthier-Embryo ein virtuelles Bion in Metameren-Form von dem Momente an, wo durch Auftreten des Primitivstreifens die Sonderung in zwei Antimeren eintritt, bis zu dem Momente, wo durch Erscheinen der Urwirbel die Sonderung in eine Kette von mehreren Metameren geschieht. Ebenso ist der Arthropoden-Embryo so lange ein einfaches Metamer, als nicht die Gliederung oder Segmentirung erscheint. Der Band- wurm-Scolex aus den Familien der Taeniaden, Tetraphyllideen etc. ist so lange ein virtuelles Metamer, als er nicht Proglottiden erzeugt. Gleicherweise ist der Phanerogamen-Embryo so lange ein Metamer, als nicht durch Gliederung der Plumula die Anlage einer Metameren-Kette gebildet wird. In allen diesen Fällen ist der vorübergehende Entwickelungszustand der Person ein virtuelles Bion vom morphologischen Werthe eines einfachen Metameres, von dem Momente an, wo das Bion aus zwei oder mehreren Antimeren zu- sammengesetzt erscheint, bis zu dem Momente, wo dasselbe durch Knos- pung (Gliederung) zu einer Metameren-Kette, d. h. zu einer Person wird.
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IV. Die Metameren als Bionten.
Polypen (Hydroidpolypen sowohl als Anthozoen), welche nicht ge- gliedert, d. h. nicht mit Böden oder Dissepimenten versehen, oder äusserlich wenigstens geringelt sind. Alle diese ungegliederten „Ein- zelthiere“ der Coelenteraten, mögen sie nun aus vier Antimeren be- stehen, wie die meisten Medusen, oder aus acht, wie alle Ctenophoren und Alcyonarien (Octactinien), oder aus sechs, wie die Zoantharien, haben als actuelle Bionten nur den morphologischen Werth eines ein- zigen Metameres, und sind also, gleich den Mollusken, Trematoden und Proglottiden, nicht „eigentliche Individuen“ (d. h. Personen), wofür man sie gewöhnlich anzusehen pflegt.
Unter den Pflanzen erreichen zahlreiche Cryptogamen als actuelle Bionten nur den Metameren-Werth, nämlich alle diejenigen, welche nur aus mehreren Antimeren, nicht aus mehreren Metameren zusam- mengesetzt sind, wie das bei vielen Thallophyten der Fall ist. Selten dagegen findet sich dieser Fall bei den Phanerogamen, wo nur die „einfachen Pflanzen ohne Stengelglieder“ dahin gerechnet werden können, z. B. Lemna. Auch diese ist als actuelles Bion ein einfaches Metamer, falls man nicht wenigstens gewisse Formen derselben rich- tiger als actuelle Antimeren betrachten muss.
IV. B. Die Metameren als virtuelle Bionten.
Nicht minder grosse Bedeutung als die actuelle, besitzt die vir- tuelle Individualität der Metameren. Wir müssen nämlich nach den oben angeführten Grundsätzen alle Entwickelungszustände von Per- sonen oder Sprossen für virtuelle Metameren halten, welche bereits aus zwei oder mehreren Antimeren, aber noch nicht aus Metameren zusammengesetzt sind. Demgemäss ist z. B. der Wirbelthier-Embryo ein virtuelles Bion in Metameren-Form von dem Momente an, wo durch Auftreten des Primitivstreifens die Sonderung in zwei Antimeren eintritt, bis zu dem Momente, wo durch Erscheinen der Urwirbel die Sonderung in eine Kette von mehreren Metameren geschieht. Ebenso ist der Arthropoden-Embryo so lange ein einfaches Metamer, als nicht die Gliederung oder Segmentirung erscheint. Der Band- wurm-Scolex aus den Familien der Taeniaden, Tetraphyllideen etc. ist so lange ein virtuelles Metamer, als er nicht Proglottiden erzeugt. Gleicherweise ist der Phanerogamen-Embryo so lange ein Metamer, als nicht durch Gliederung der Plumula die Anlage einer Metameren-Kette gebildet wird. In allen diesen Fällen ist der vorübergehende Entwickelungszustand der Person ein virtuelles Bion vom morphologischen Werthe eines einfachen Metameres, von dem Momente an, wo das Bion aus zwei oder mehreren Antimeren zu- sammengesetzt erscheint, bis zu dem Momente, wo dasselbe durch Knos- pung (Gliederung) zu einer Metameren-Kette, d. h. zu einer Person wird.
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IV. Die Metameren als Bionten.
Polypen (Hydroidpolypen sowohl als Anthozoen), welche nicht ge-
gliedert, d. h. nicht mit Böden oder Dissepimenten versehen, oder
äusserlich wenigstens geringelt sind. Alle diese ungegliederten „Ein-
zelthiere“ der Coelenteraten, mögen sie nun aus vier Antimeren be-
stehen, wie die meisten Medusen, oder aus acht, wie alle Ctenophoren
und Alcyonarien (Octactinien), oder aus sechs, wie die Zoantharien,
haben als actuelle Bionten nur den morphologischen Werth eines ein-
zigen Metameres, und sind also, gleich den Mollusken, Trematoden
und Proglottiden, nicht „eigentliche Individuen“ (d. h. Personen),
wofür man sie gewöhnlich anzusehen pflegt.
Unter den Pflanzen erreichen zahlreiche Cryptogamen als actuelle
Bionten nur den Metameren-Werth, nämlich alle diejenigen, welche
nur aus mehreren Antimeren, nicht aus mehreren Metameren zusam-
mengesetzt sind, wie das bei vielen Thallophyten der Fall ist. Selten
dagegen findet sich dieser Fall bei den Phanerogamen, wo nur die
„einfachen Pflanzen ohne Stengelglieder“ dahin gerechnet werden
können, z. B. Lemna. Auch diese ist als actuelles Bion ein einfaches
Metamer, falls man nicht wenigstens gewisse Formen derselben rich-
tiger als actuelle Antimeren betrachten muss.
IV. B. Die Metameren als virtuelle Bionten.
Nicht minder grosse Bedeutung als die actuelle, besitzt die vir-
tuelle Individualität der Metameren. Wir müssen nämlich nach den
oben angeführten Grundsätzen alle Entwickelungszustände von Per-
sonen oder Sprossen für virtuelle Metameren halten, welche bereits
aus zwei oder mehreren Antimeren, aber noch nicht aus Metameren
zusammengesetzt sind. Demgemäss ist z. B. der Wirbelthier-Embryo
ein virtuelles Bion in Metameren-Form von dem Momente an, wo
durch Auftreten des Primitivstreifens die Sonderung in zwei Antimeren
eintritt, bis zu dem Momente, wo durch Erscheinen der Urwirbel
die Sonderung in eine Kette von mehreren Metameren geschieht.
Ebenso ist der Arthropoden-Embryo so lange ein einfaches Metamer,
als nicht die Gliederung oder Segmentirung erscheint. Der Band-
wurm-Scolex aus den Familien der Taeniaden, Tetraphyllideen etc.
ist so lange ein virtuelles Metamer, als er nicht Proglottiden
erzeugt. Gleicherweise ist der Phanerogamen-Embryo so lange
ein Metamer, als nicht durch Gliederung der Plumula die Anlage
einer Metameren-Kette gebildet wird. In allen diesen Fällen ist
der vorübergehende Entwickelungszustand der Person ein virtuelles
Bion vom morphologischen Werthe eines einfachen Metameres, von
dem Momente an, wo das Bion aus zwei oder mehreren Antimeren zu-
sammengesetzt erscheint, bis zu dem Momente, wo dasselbe durch Knos-
pung (Gliederung) zu einer Metameren-Kette, d. h. zu einer Person wird.
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/394>, abgerufen am 23.11.2024.
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