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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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III. Die Antimeren als Bionten.
teristischen Bewegungen mit unverminderter Kraft fortsetzen können.
Einen hohen Grad individueller Selbstständigkeit erreichen ferner
auch bei vielen Hydromedusen die Geschlechtsorgane, welche in
manchen Familien (z. B. Tubulariden) die vollständigste Uebergangs-
reihe von einfachen und sehr unvollkommenen Organen zu sehr hoch
organisirten und ganz selbstständigen Medusen zeigen. Da jedoch
diese individualisirten Geschlechtskapseln, welche als Medusen sich
ablösen und frei umherschwimmen, durch ihre weitgehende tectolo-
gische Differenzirung bereits den morphologischen Werth von Meta-
meren erlangt haben, und nicht bloss aus Parameren, sondern auch
aus Antimeren zusammengesetzt sind, so können wir dieselben vom
streng morphologischen Gesichtspunkte aus nicht mehr als Organe be-
trachten.

III. Die Antimeren als Bionten.
Physiologische Individuen dritter Ordnung.

In noch höherem Grade als bei den Organen muss es bei den
Antimeren seltsam und befremdend erscheinen, dass sie als physio-
logische Individuen eine selbstständige Existenz führen können. In
der That sind auch hier die wirklich unzweifelhaften Fälle von
physiologischer Individualisation weit seltener, und von den actuellen
Bionten ist es selbst zweifelhaft, ob dieselben jemals durch Antimeren
repräsentirt werden können. Sehr ausgedehnt findet sich aber unter
den Antimeren die virtuelle, und bei manchen Organismen auch die
partielle Individualisation vor.

III. A. Die Antimeren als actuelle Bionten.

Wenn man im Gedächtniss behält, dass die Antimeren oder
Gegenstücke als Form-Individuen dritter Ordnung eigentlich nur durch
ihr gegenseitiges Verhältniss zu einander, und zu dem Form-Individuum
vierter oder fünfter Ordnung, welches sie zusammensetzen, bestimmt
characterisirt werden, so muss es von vornherein sehr zweifelhaft
erscheinen, ob dieselben jemals als actuelle Bionten auftreten können.
In der That ist uns in allen drei organischen Reichen kein einziger
sicherer Fall bekannt, dass die reife Form einer Species durch ein
Form-Individuum repräsentirt wird, welches unzweifelhaft den Form-
werth eines einzigen Antimeres hätte. Die allermeisten reifen Species-
Repräsentanten sind entweder aus zwei Antimeren ("Körperhälften")
oder aus drei oder mehr Antimeren ("Strahlstücken") zusammengesetzt.
Diejenigen Plastiden-Complexe aber, welche als actuelle Bionten ein
Aggregat aus differenzirten Zellen darstellen, ohne aus zwei oder

III. Die Antimeren als Bionten.
teristischen Bewegungen mit unverminderter Kraft fortsetzen können.
Einen hohen Grad individueller Selbstständigkeit erreichen ferner
auch bei vielen Hydromedusen die Geschlechtsorgane, welche in
manchen Familien (z. B. Tubulariden) die vollständigste Uebergangs-
reihe von einfachen und sehr unvollkommenen Organen zu sehr hoch
organisirten und ganz selbstständigen Medusen zeigen. Da jedoch
diese individualisirten Geschlechtskapseln, welche als Medusen sich
ablösen und frei umherschwimmen, durch ihre weitgehende tectolo-
gische Differenzirung bereits den morphologischen Werth von Meta-
meren erlangt haben, und nicht bloss aus Parameren, sondern auch
aus Antimeren zusammengesetzt sind, so können wir dieselben vom
streng morphologischen Gesichtspunkte aus nicht mehr als Organe be-
trachten.

III. Die Antimeren als Bionten.
Physiologische Individuen dritter Ordnung.

In noch höherem Grade als bei den Organen muss es bei den
Antimeren seltsam und befremdend erscheinen, dass sie als physio-
logische Individuen eine selbstständige Existenz führen können. In
der That sind auch hier die wirklich unzweifelhaften Fälle von
physiologischer Individualisation weit seltener, und von den actuellen
Bionten ist es selbst zweifelhaft, ob dieselben jemals durch Antimeren
repräsentirt werden können. Sehr ausgedehnt findet sich aber unter
den Antimeren die virtuelle, und bei manchen Organismen auch die
partielle Individualisation vor.

III. A. Die Antimeren als actuelle Bionten.

Wenn man im Gedächtniss behält, dass die Antimeren oder
Gegenstücke als Form-Individuen dritter Ordnung eigentlich nur durch
ihr gegenseitiges Verhältniss zu einander, und zu dem Form-Individuum
vierter oder fünfter Ordnung, welches sie zusammensetzen, bestimmt
characterisirt werden, so muss es von vornherein sehr zweifelhaft
erscheinen, ob dieselben jemals als actuelle Bionten auftreten können.
In der That ist uns in allen drei organischen Reichen kein einziger
sicherer Fall bekannt, dass die reife Form einer Species durch ein
Form-Individuum repräsentirt wird, welches unzweifelhaft den Form-
werth eines einzigen Antimeres hätte. Die allermeisten reifen Species-
Repräsentanten sind entweder aus zwei Antimeren („Körperhälften“)
oder aus drei oder mehr Antimeren („Strahlstücken“) zusammengesetzt.
Diejenigen Plastiden-Complexe aber, welche als actuelle Bionten ein
Aggregat aus differenzirten Zellen darstellen, ohne aus zwei oder

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[347/0386] III. Die Antimeren als Bionten. teristischen Bewegungen mit unverminderter Kraft fortsetzen können. Einen hohen Grad individueller Selbstständigkeit erreichen ferner auch bei vielen Hydromedusen die Geschlechtsorgane, welche in manchen Familien (z. B. Tubulariden) die vollständigste Uebergangs- reihe von einfachen und sehr unvollkommenen Organen zu sehr hoch organisirten und ganz selbstständigen Medusen zeigen. Da jedoch diese individualisirten Geschlechtskapseln, welche als Medusen sich ablösen und frei umherschwimmen, durch ihre weitgehende tectolo- gische Differenzirung bereits den morphologischen Werth von Meta- meren erlangt haben, und nicht bloss aus Parameren, sondern auch aus Antimeren zusammengesetzt sind, so können wir dieselben vom streng morphologischen Gesichtspunkte aus nicht mehr als Organe be- trachten. III. Die Antimeren als Bionten. Physiologische Individuen dritter Ordnung. In noch höherem Grade als bei den Organen muss es bei den Antimeren seltsam und befremdend erscheinen, dass sie als physio- logische Individuen eine selbstständige Existenz führen können. In der That sind auch hier die wirklich unzweifelhaften Fälle von physiologischer Individualisation weit seltener, und von den actuellen Bionten ist es selbst zweifelhaft, ob dieselben jemals durch Antimeren repräsentirt werden können. Sehr ausgedehnt findet sich aber unter den Antimeren die virtuelle, und bei manchen Organismen auch die partielle Individualisation vor. III. A. Die Antimeren als actuelle Bionten. Wenn man im Gedächtniss behält, dass die Antimeren oder Gegenstücke als Form-Individuen dritter Ordnung eigentlich nur durch ihr gegenseitiges Verhältniss zu einander, und zu dem Form-Individuum vierter oder fünfter Ordnung, welches sie zusammensetzen, bestimmt characterisirt werden, so muss es von vornherein sehr zweifelhaft erscheinen, ob dieselben jemals als actuelle Bionten auftreten können. In der That ist uns in allen drei organischen Reichen kein einziger sicherer Fall bekannt, dass die reife Form einer Species durch ein Form-Individuum repräsentirt wird, welches unzweifelhaft den Form- werth eines einzigen Antimeres hätte. Die allermeisten reifen Species- Repräsentanten sind entweder aus zwei Antimeren („Körperhälften“) oder aus drei oder mehr Antimeren („Strahlstücken“) zusammengesetzt. Diejenigen Plastiden-Complexe aber, welche als actuelle Bionten ein Aggregat aus differenzirten Zellen darstellen, ohne aus zwei oder

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/386>, abgerufen am 23.11.2024.