I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
tionen oft gar nicht nachzuweisen ist, ganz verschiedene formbildende Eigenschaften. Endlich kommt ein und derselbe Proteinkörper oft in meh- reren Modificationen vor, löslichen und schwerlöslichen oder unlöslichen, und damit im Zusammenhange steht die Leichtigkeit, mit welcher sie den Aggregatzustand wechseln und aus dem flüssigen in den festen übergehen. Hieraus erklärt es sich, dass die Proteinkörper in chemischer Beziehung die unbekanntesten, obwohl die für das Leben wichtigsten von allen Mate- rien sind, wahrscheinlich die einzigen activen Substrate der Lebensbewegung.
Wie diese chemischen Eigenthümlichkeiten die Eiweisskörper in hohem Maasse auszeichnen, so gilt dies auch von ihren physikalischen Eigen- schaften, welche bei der histogenetischen Thätigkeit des Plasma nicht minder in Frage kommen. Ausser der schon hervorgehobenen Leichtigkeit, mit welcher dieselben ihren Aggregatzustand wechseln (z. B. der Faser- stoff bei seiner Gerinnung an der Luft, das Casein bei Berührung mit Lab etc.), ist hier besonders hervorzuheben, dass sie beim Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand fast stets amorph, und nur sehr selten krystallinisch auftreten. Dieser auffallende Mangel an Krystallisations-Neigung steht mit ihrem ausgezeichneten Imbibitionsvermögen und mit ihrer Fähig- keit, die abgerundeten Formen der organischen Gewebe zu bilden, im engsten Zusammenhang. Ihre ausserordentlich bedeutende Quellungsfähig- keit ist durch eine enorme Adhäsions-Verwandtschaft der Eiweiss-Moleküle zum Wasser bedingt, mittelst deren sie grosse Quantitäten desselben in ihre Intermolekularräume aufzunehmen und zu condensiren im Stande sind. Durch diese Imbibition wird ihr Volum ebenso vergrössert, als ihre Cohä- sion vermindert; auch die grosse Leichtigkeit, mit der die Eiweisskörper unter wenig verschiedenen Verhältnissen ihre Imbibitions-Fähigkeit bedeu- tend ändern, ist bemerkenswerth und für ihre plastische Thätigkeit von grosser Bedeutung.
Welche unendliche Mannichfaltigkeit in der feineren Zusammensetzung der Eiweissstoffe herrscht, welcher unendlichen Modificationen ihre physika- lischen und chemischen Eigenschaften fähig sind, beweist der unerschöpf- liche Reichthum verschiedenartiger Gestalten, die in Form von Thieren, Pro- tisten und Pflanzen unsern Erdball bevölkern. Alle diese unendlichen Verschiedenheiten der Organismen in Grösse und Form, gröberer und fei- nerer Zusammensetzung, Consistenz und Dichtigkeit, Farbe und Glanz, Geschmack und Geruch, kurz alle die unermessliche Mannichfaltigkeit in den verschiedensten sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der organischen Körper, welche unsere Sinne erregen und ergötzen, ist zurückzuführen auf ebenso unendlich zahlreiche und feine Verschiedenheiten in der atomisti- schen Constitution der Eiweiss-Verbindungen, welche das Plasma der Plastiden zusammensetzen.
Wenn wir uns einerseits dieser Thatsache nicht verschliessen können, so müssen wir andererseits unsere gänzliche Unfähigkeit eingestehen, dem Plasma auf seinem formbildenden Wege folgen zu können. Die geringe Quantität, in der das Plasma auch in den grössten Zellen auftritt, die Unmöglichkeit, dasselbe rein zu isoliren oder in grösseren Mengen zu- sammenzuhäufen, haben uns in den meisten Fällen entweder gar keine oder
I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
tionen oft gar nicht nachzuweisen ist, ganz verschiedene formbildende Eigenschaften. Endlich kommt ein und derselbe Proteinkörper oft in meh- reren Modificationen vor, löslichen und schwerlöslichen oder unlöslichen, und damit im Zusammenhange steht die Leichtigkeit, mit welcher sie den Aggregatzustand wechseln und aus dem flüssigen in den festen übergehen. Hieraus erklärt es sich, dass die Proteinkörper in chemischer Beziehung die unbekanntesten, obwohl die für das Leben wichtigsten von allen Mate- rien sind, wahrscheinlich die einzigen activen Substrate der Lebensbewegung.
Wie diese chemischen Eigenthümlichkeiten die Eiweisskörper in hohem Maasse auszeichnen, so gilt dies auch von ihren physikalischen Eigen- schaften, welche bei der histogenetischen Thätigkeit des Plasma nicht minder in Frage kommen. Ausser der schon hervorgehobenen Leichtigkeit, mit welcher dieselben ihren Aggregatzustand wechseln (z. B. der Faser- stoff bei seiner Gerinnung an der Luft, das Casein bei Berührung mit Lab etc.), ist hier besonders hervorzuheben, dass sie beim Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand fast stets amorph, und nur sehr selten krystallinisch auftreten. Dieser auffallende Mangel an Krystallisations-Neigung steht mit ihrem ausgezeichneten Imbibitionsvermögen und mit ihrer Fähig- keit, die abgerundeten Formen der organischen Gewebe zu bilden, im engsten Zusammenhang. Ihre ausserordentlich bedeutende Quellungsfähig- keit ist durch eine enorme Adhäsions-Verwandtschaft der Eiweiss-Moleküle zum Wasser bedingt, mittelst deren sie grosse Quantitäten desselben in ihre Intermolekularräume aufzunehmen und zu condensiren im Stande sind. Durch diese Imbibition wird ihr Volum ebenso vergrössert, als ihre Cohä- sion vermindert; auch die grosse Leichtigkeit, mit der die Eiweisskörper unter wenig verschiedenen Verhältnissen ihre Imbibitions-Fähigkeit bedeu- tend ändern, ist bemerkenswerth und für ihre plastische Thätigkeit von grosser Bedeutung.
Welche unendliche Mannichfaltigkeit in der feineren Zusammensetzung der Eiweissstoffe herrscht, welcher unendlichen Modificationen ihre physika- lischen und chemischen Eigenschaften fähig sind, beweist der unerschöpf- liche Reichthum verschiedenartiger Gestalten, die in Form von Thieren, Pro- tisten und Pflanzen unsern Erdball bevölkern. Alle diese unendlichen Verschiedenheiten der Organismen in Grösse und Form, gröberer und fei- nerer Zusammensetzung, Consistenz und Dichtigkeit, Farbe und Glanz, Geschmack und Geruch, kurz alle die unermessliche Mannichfaltigkeit in den verschiedensten sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der organischen Körper, welche unsere Sinne erregen und ergötzen, ist zurückzuführen auf ebenso unendlich zahlreiche und feine Verschiedenheiten in der atomisti- schen Constitution der Eiweiss-Verbindungen, welche das Plasma der Plastiden zusammensetzen.
Wenn wir uns einerseits dieser Thatsache nicht verschliessen können, so müssen wir andererseits unsere gänzliche Unfähigkeit eingestehen, dem Plasma auf seinem formbildenden Wege folgen zu können. Die geringe Quantität, in der das Plasma auch in den grössten Zellen auftritt, die Unmöglichkeit, dasselbe rein zu isoliren oder in grösseren Mengen zu- sammenzuhäufen, haben uns in den meisten Fällen entweder gar keine oder
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I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
tionen oft gar nicht nachzuweisen ist, ganz verschiedene formbildende
Eigenschaften. Endlich kommt ein und derselbe Proteinkörper oft in meh-
reren Modificationen vor, löslichen und schwerlöslichen oder unlöslichen,
und damit im Zusammenhange steht die Leichtigkeit, mit welcher sie den
Aggregatzustand wechseln und aus dem flüssigen in den festen übergehen.
Hieraus erklärt es sich, dass die Proteinkörper in chemischer Beziehung
die unbekanntesten, obwohl die für das Leben wichtigsten von allen Mate-
rien sind, wahrscheinlich die einzigen activen Substrate der Lebensbewegung.
Wie diese chemischen Eigenthümlichkeiten die Eiweisskörper in hohem
Maasse auszeichnen, so gilt dies auch von ihren physikalischen Eigen-
schaften, welche bei der histogenetischen Thätigkeit des Plasma nicht
minder in Frage kommen. Ausser der schon hervorgehobenen Leichtigkeit,
mit welcher dieselben ihren Aggregatzustand wechseln (z. B. der Faser-
stoff bei seiner Gerinnung an der Luft, das Casein bei Berührung mit
Lab etc.), ist hier besonders hervorzuheben, dass sie beim Uebergang aus
dem flüssigen in den festen Zustand fast stets amorph, und nur sehr selten
krystallinisch auftreten. Dieser auffallende Mangel an Krystallisations-Neigung
steht mit ihrem ausgezeichneten Imbibitionsvermögen und mit ihrer Fähig-
keit, die abgerundeten Formen der organischen Gewebe zu bilden, im
engsten Zusammenhang. Ihre ausserordentlich bedeutende Quellungsfähig-
keit ist durch eine enorme Adhäsions-Verwandtschaft der Eiweiss-Moleküle
zum Wasser bedingt, mittelst deren sie grosse Quantitäten desselben in
ihre Intermolekularräume aufzunehmen und zu condensiren im Stande sind.
Durch diese Imbibition wird ihr Volum ebenso vergrössert, als ihre Cohä-
sion vermindert; auch die grosse Leichtigkeit, mit der die Eiweisskörper
unter wenig verschiedenen Verhältnissen ihre Imbibitions-Fähigkeit bedeu-
tend ändern, ist bemerkenswerth und für ihre plastische Thätigkeit von
grosser Bedeutung.
Welche unendliche Mannichfaltigkeit in der feineren Zusammensetzung
der Eiweissstoffe herrscht, welcher unendlichen Modificationen ihre physika-
lischen und chemischen Eigenschaften fähig sind, beweist der unerschöpf-
liche Reichthum verschiedenartiger Gestalten, die in Form von Thieren, Pro-
tisten und Pflanzen unsern Erdball bevölkern. Alle diese unendlichen
Verschiedenheiten der Organismen in Grösse und Form, gröberer und fei-
nerer Zusammensetzung, Consistenz und Dichtigkeit, Farbe und Glanz,
Geschmack und Geruch, kurz alle die unermessliche Mannichfaltigkeit in
den verschiedensten sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der organischen
Körper, welche unsere Sinne erregen und ergötzen, ist zurückzuführen auf
ebenso unendlich zahlreiche und feine Verschiedenheiten in der atomisti-
schen Constitution der Eiweiss-Verbindungen, welche das Plasma der
Plastiden zusammensetzen.
Wenn wir uns einerseits dieser Thatsache nicht verschliessen können,
so müssen wir andererseits unsere gänzliche Unfähigkeit eingestehen, dem
Plasma auf seinem formbildenden Wege folgen zu können. Die geringe
Quantität, in der das Plasma auch in den grössten Zellen auftritt, die
Unmöglichkeit, dasselbe rein zu isoliren oder in grösseren Mengen zu-
sammenzuhäufen, haben uns in den meisten Fällen entweder gar keine oder
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/316>, abgerufen am 26.11.2024.
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