den, welche uns ein abgerundetes und deutliches Characterbild der Pflanze im Allgemeinen vor Augen führen. Andererseits finden wir ebenso in den unzweifelhaften Thieren (Vertebraten, Mollusken, Arti- culaten, Echinodermen, Coelenteraten) eine Summe von auszeichnenden Eigenschaften vereinigt, welche uns ein ebenso deutliches und scharfes Characterbild des Thieres im Allgemeinen aufzustellen erlauben. Um den grossen Contrast in den entgegengesetzten Grundzügen dieser beiden divergenten Characterbilder deutlich zu kennzeichnen, stellen wir sie hier nochmals vergleichend einander gegenüber:
I. Pflanzencharacter:
Die fast allgemein bleibende Selbstständigkeit der Individuen erster Ordnung oder Plastiden und die Abschliessung derselben durch eine starre Kapsel aus Kohlenhydraten (Zellmembran); die Differenzirung der Plasti- den-Aggregate in höchstens zwei Gewebsformen: Parenchym und Gefässe; die Beschränkung der Individuen zweiter Ordnung (Organe) auf zwei ver- schiedene Reihen: I. Blattorgane und II. Axorgane; wegen mangelnder Orts- bewegung sehr allgemeine Bildung von Individuen sechster Ordnung (Stöcken), welche meistens das physiologische Individuum repräsentiren. Allgemeines Vorherrschen der niederen oder radiären Grundformen (vor- züglich der regulären Pyramiden). Die Lebensthätigkeit vorzugsweise auf Ueberführung von lebendigen Kräften in Spannkräfte, auf Bindung von Wärme, und auf Anhäufung von verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen ge- richtet, welche durch Reduction aus den einfachsten "anorganischen" Ver- bindungen gewonnen werden.
II. Thiercharacter:
Die allgemeine Verschmelzung eines Theiles der Individuen erster Ord- nung (Plastiden) zu complexen Elementartheilen oder Zellstöcken (Muskel- fasern, Nervenfasern) unter Aufgabe ihrer ursprünglichen Selbstständigkeit, der sehr allgemeine Mangel einer festen Kapsel (Zellmembran) an ihrer Oberfläche; die Differenzirung der Plastiden-Aggregate in vier verschiedene Gewebs-Formen: Epitelial-, Binde-, Muskel- und Nerven-Gewebe; die Differenzirung der Individuen zweiter Ordnung (Organe) in vier verschie- dene Reihen: Organe I. der Ernährung, II. der Fortpflanzung, III. der mechanischen Arbeit oder Locomotion (Muskeln), IV. der Beziehungen, Centralisation und Regulation des Ganzen (Nerven); das physiologische Individuum meistens durch morphologische Individuen fünfter Ordnung (Personen), seltener vierter Ordnung (Metameren) repräsentirt; wegen sehr allgemeiner Ortsbewegung selten Bildung von Individuen sechster Ordnung (Stöcken), dagegen sehr allgemeine Bildung von Gemeinden und Staaten. Allgemeines Vorherrschen der höheren oder bilateralen Grundformen, (Zeugiten, und vorzüglich Eudipleuren). Die Lebensthätigkeit vorzugsweise auf Ueberführung von Spannkräften in lebendige Kräfte (Muskelbewegung, Nervenbewegung und Entwickelung von Wärme), und auf Zersetzung von verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen gerichtet, welche durch Oxydation in die einfachsten "anorganischen" Verbindungen übergeführt werden.
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IX. Vergleichung der drei Reiche.
den, welche uns ein abgerundetes und deutliches Characterbild der Pflanze im Allgemeinen vor Augen führen. Andererseits finden wir ebenso in den unzweifelhaften Thieren (Vertebraten, Mollusken, Arti- culaten, Echinodermen, Coelenteraten) eine Summe von auszeichnenden Eigenschaften vereinigt, welche uns ein ebenso deutliches und scharfes Characterbild des Thieres im Allgemeinen aufzustellen erlauben. Um den grossen Contrast in den entgegengesetzten Grundzügen dieser beiden divergenten Characterbilder deutlich zu kennzeichnen, stellen wir sie hier nochmals vergleichend einander gegenüber:
I. Pflanzencharacter:
Die fast allgemein bleibende Selbstständigkeit der Individuen erster Ordnung oder Plastiden und die Abschliessung derselben durch eine starre Kapsel aus Kohlenhydraten (Zellmembran); die Differenzirung der Plasti- den-Aggregate in höchstens zwei Gewebsformen: Parenchym und Gefässe; die Beschränkung der Individuen zweiter Ordnung (Organe) auf zwei ver- schiedene Reihen: I. Blattorgane und II. Axorgane; wegen mangelnder Orts- bewegung sehr allgemeine Bildung von Individuen sechster Ordnung (Stöcken), welche meistens das physiologische Individuum repräsentiren. Allgemeines Vorherrschen der niederen oder radiären Grundformen (vor- züglich der regulären Pyramiden). Die Lebensthätigkeit vorzugsweise auf Ueberführung von lebendigen Kräften in Spannkräfte, auf Bindung von Wärme, und auf Anhäufung von verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen ge- richtet, welche durch Reduction aus den einfachsten „anorganischen“ Ver- bindungen gewonnen werden.
II. Thiercharacter:
Die allgemeine Verschmelzung eines Theiles der Individuen erster Ord- nung (Plastiden) zu complexen Elementartheilen oder Zellstöcken (Muskel- fasern, Nervenfasern) unter Aufgabe ihrer ursprünglichen Selbstständigkeit, der sehr allgemeine Mangel einer festen Kapsel (Zellmembran) an ihrer Oberfläche; die Differenzirung der Plastiden-Aggregate in vier verschiedene Gewebs-Formen: Epitelial-, Binde-, Muskel- und Nerven-Gewebe; die Differenzirung der Individuen zweiter Ordnung (Organe) in vier verschie- dene Reihen: Organe I. der Ernährung, II. der Fortpflanzung, III. der mechanischen Arbeit oder Locomotion (Muskeln), IV. der Beziehungen, Centralisation und Regulation des Ganzen (Nerven); das physiologische Individuum meistens durch morphologische Individuen fünfter Ordnung (Personen), seltener vierter Ordnung (Metameren) repräsentirt; wegen sehr allgemeiner Ortsbewegung selten Bildung von Individuen sechster Ordnung (Stöcken), dagegen sehr allgemeine Bildung von Gemeinden und Staaten. Allgemeines Vorherrschen der höheren oder bilateralen Grundformen, (Zeugiten, und vorzüglich Eudipleuren). Die Lebensthätigkeit vorzugsweise auf Ueberführung von Spannkräften in lebendige Kräfte (Muskelbewegung, Nervenbewegung und Entwickelung von Wärme), und auf Zersetzung von verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen gerichtet, welche durch Oxydation in die einfachsten „anorganischen“ Verbindungen übergeführt werden.
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IX. Vergleichung der drei Reiche.
den, welche uns ein abgerundetes und deutliches Characterbild der
Pflanze im Allgemeinen vor Augen führen. Andererseits finden wir
ebenso in den unzweifelhaften Thieren (Vertebraten, Mollusken, Arti-
culaten, Echinodermen, Coelenteraten) eine Summe von auszeichnenden
Eigenschaften vereinigt, welche uns ein ebenso deutliches und scharfes
Characterbild des Thieres im Allgemeinen aufzustellen erlauben. Um
den grossen Contrast in den entgegengesetzten Grundzügen dieser
beiden divergenten Characterbilder deutlich zu kennzeichnen, stellen
wir sie hier nochmals vergleichend einander gegenüber:
I. Pflanzencharacter:
Die fast allgemein bleibende Selbstständigkeit der Individuen erster
Ordnung oder Plastiden und die Abschliessung derselben durch eine starre
Kapsel aus Kohlenhydraten (Zellmembran); die Differenzirung der Plasti-
den-Aggregate in höchstens zwei Gewebsformen: Parenchym und Gefässe;
die Beschränkung der Individuen zweiter Ordnung (Organe) auf zwei ver-
schiedene Reihen: I. Blattorgane und II. Axorgane; wegen mangelnder Orts-
bewegung sehr allgemeine Bildung von Individuen sechster Ordnung
(Stöcken), welche meistens das physiologische Individuum repräsentiren.
Allgemeines Vorherrschen der niederen oder radiären Grundformen (vor-
züglich der regulären Pyramiden). Die Lebensthätigkeit vorzugsweise auf
Ueberführung von lebendigen Kräften in Spannkräfte, auf Bindung von
Wärme, und auf Anhäufung von verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen ge-
richtet, welche durch Reduction aus den einfachsten „anorganischen“ Ver-
bindungen gewonnen werden.
II. Thiercharacter:
Die allgemeine Verschmelzung eines Theiles der Individuen erster Ord-
nung (Plastiden) zu complexen Elementartheilen oder Zellstöcken (Muskel-
fasern, Nervenfasern) unter Aufgabe ihrer ursprünglichen Selbstständigkeit,
der sehr allgemeine Mangel einer festen Kapsel (Zellmembran) an ihrer
Oberfläche; die Differenzirung der Plastiden-Aggregate in vier verschiedene
Gewebs-Formen: Epitelial-, Binde-, Muskel- und Nerven-Gewebe; die
Differenzirung der Individuen zweiter Ordnung (Organe) in vier verschie-
dene Reihen: Organe I. der Ernährung, II. der Fortpflanzung, III. der
mechanischen Arbeit oder Locomotion (Muskeln), IV. der Beziehungen,
Centralisation und Regulation des Ganzen (Nerven); das physiologische
Individuum meistens durch morphologische Individuen fünfter Ordnung
(Personen), seltener vierter Ordnung (Metameren) repräsentirt; wegen sehr
allgemeiner Ortsbewegung selten Bildung von Individuen sechster Ordnung
(Stöcken), dagegen sehr allgemeine Bildung von Gemeinden und Staaten.
Allgemeines Vorherrschen der höheren oder bilateralen Grundformen,
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auf Ueberführung von Spannkräften in lebendige Kräfte (Muskelbewegung,
Nervenbewegung und Entwickelung von Wärme), und auf Zersetzung von
verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen gerichtet, welche durch Oxydation in
die einfachsten „anorganischen“ Verbindungen übergeführt werden.
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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