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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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IV. Stämme der drei Reiche.
Stämme zu bestimmen suchen, so kommen wir zu dem Resultate, dass
jedes der drei Reiche aus mehreren Stämmen besteht, deren jeder
aus einer eigenthümlichen Moneren-Art sich entwickelt hat. Zwar ist es
möglich, dass diese verschiedenen Stämme doch noch an ihrer Wurzel
zusammenhängen, d. h. dass die scheinbar selbstständigen Urformen
der einzelnen Stämme durch Differenzirung einer einzigen autogonen
Moneren-Art entstanden sind; allein wir besitzen keine hinreichenden
Garantieen, um dies mit einiger Sicherheit behaupten zu können. Es
scheint uns aber für unseren Gegenstand weit erspriesslicher, nur die
genügend sicheren Phylen als geschlossene Einheiten hinzustellen, als
einen tieferen Zusammenhang derselben, und eine vielleicht nicht be-
gründete Einheit ihrer Wurzel zu behaupten. So können wir also
z. B. sämmtliche Wirbelthiere und ebenso sämmtliche Gliederthiere als
Glieder eines einzigen Stammes mit aller Sicherheit hinstellen, und
von einem Phylon der Vertebraten, einem Phylon der Articulaten spre-
chen. Wir können aber nicht mit genügender Sicherheit von einem
vereinten Phylon der Vertebraten und Articulaten sprechen, obwohl
uns ihr primitiver Zusammenhang vielleicht wahrscheinlich ist. Wir
müssen daher bei Bestimmung des Umfangs und Inhalts der einzelnen
Phylen in dieser Beziehung sehr vorsichtig sein, und ziehen es ent-
schieden vor, lieber eine grössere Anzahl von Phylen anzunehmen,
deren jeder uns sicher eine geschlossene Einheit von blutsverwandten
Organismen darstellt, als eine geringere Anzahl von Stämmen, von
denen vielleicht einer oder der andere selbst erst wieder aus mehreren
ursprünglich getrennten Stämmen zusammengesetzt ist.

Da wir im sechsten Buche unsere Auffassung und Begränzung der
Organismen-Stämme ausführlich begründen werden, so begnügen wir
uns hier mit einer einfachen Aufzählung derselben, und heben dazu
nur wiederholt und ausdrücklich folgenden wichtigen Grundsatz her-
vor: Jeder Stamm (Phylon) der Organismen-Welt umfasst
sämmtliche jetzt noch existirende oder bereits ausgestor-
bene Lebensformen, welche alle von einer und derselben
autogonen Stammform ihre Herkunft ableiten. Diese Stamm-
form (autogones Urwesen) ist stets zu denken als ein voll-
kommen structurloses und homogenes Moner,
ein einfachstes
organisches Individuum, ein lebender Klumpen einer Eiweissverbin-
dung, der sich ernährte und durch Theilung fortpflanzte, und aus
welchem erst allmählig in vielen Fällen eine Zelle (durch Differen-
zirung von Kern und Plasma) und aus dieser (durch Theilung) ein
mehrzelliges Lebewesen sich entwickelt hat. Einige Phylen sind auf
dem primitiven Urzustande des Moneres stehen geblieben, andere ha-
ben sich zu einzelligen, andere zu mehrzelligen Organismen ent-
wickelt.

IV. Stämme der drei Reiche.
Stämme zu bestimmen suchen, so kommen wir zu dem Resultate, dass
jedes der drei Reiche aus mehreren Stämmen besteht, deren jeder
aus einer eigenthümlichen Moneren-Art sich entwickelt hat. Zwar ist es
möglich, dass diese verschiedenen Stämme doch noch an ihrer Wurzel
zusammenhängen, d. h. dass die scheinbar selbstständigen Urformen
der einzelnen Stämme durch Differenzirung einer einzigen autogonen
Moneren-Art entstanden sind; allein wir besitzen keine hinreichenden
Garantieen, um dies mit einiger Sicherheit behaupten zu können. Es
scheint uns aber für unseren Gegenstand weit erspriesslicher, nur die
genügend sicheren Phylen als geschlossene Einheiten hinzustellen, als
einen tieferen Zusammenhang derselben, und eine vielleicht nicht be-
gründete Einheit ihrer Wurzel zu behaupten. So können wir also
z. B. sämmtliche Wirbelthiere und ebenso sämmtliche Gliederthiere als
Glieder eines einzigen Stammes mit aller Sicherheit hinstellen, und
von einem Phylon der Vertebraten, einem Phylon der Articulaten spre-
chen. Wir können aber nicht mit genügender Sicherheit von einem
vereinten Phylon der Vertebraten und Articulaten sprechen, obwohl
uns ihr primitiver Zusammenhang vielleicht wahrscheinlich ist. Wir
müssen daher bei Bestimmung des Umfangs und Inhalts der einzelnen
Phylen in dieser Beziehung sehr vorsichtig sein, und ziehen es ent-
schieden vor, lieber eine grössere Anzahl von Phylen anzunehmen,
deren jeder uns sicher eine geschlossene Einheit von blutsverwandten
Organismen darstellt, als eine geringere Anzahl von Stämmen, von
denen vielleicht einer oder der andere selbst erst wieder aus mehreren
ursprünglich getrennten Stämmen zusammengesetzt ist.

Da wir im sechsten Buche unsere Auffassung und Begränzung der
Organismen-Stämme ausführlich begründen werden, so begnügen wir
uns hier mit einer einfachen Aufzählung derselben, und heben dazu
nur wiederholt und ausdrücklich folgenden wichtigen Grundsatz her-
vor: Jeder Stamm (Phylon) der Organismen-Welt umfasst
sämmtliche jetzt noch existirende oder bereits ausgestor-
bene Lebensformen, welche alle von einer und derselben
autogonen Stammform ihre Herkunft ableiten. Diese Stamm-
form (autogones Urwesen) ist stets zu denken als ein voll-
kommen structurloses und homogenes Moner,
ein einfachstes
organisches Individuum, ein lebender Klumpen einer Eiweissverbin-
dung, der sich ernährte und durch Theilung fortpflanzte, und aus
welchem erst allmählig in vielen Fällen eine Zelle (durch Differen-
zirung von Kern und Plasma) und aus dieser (durch Theilung) ein
mehrzelliges Lebewesen sich entwickelt hat. Einige Phylen sind auf
dem primitiven Urzustande des Moneres stehen geblieben, andere ha-
ben sich zu einzelligen, andere zu mehrzelligen Organismen ent-
wickelt.

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[205/0244] IV. Stämme der drei Reiche. Stämme zu bestimmen suchen, so kommen wir zu dem Resultate, dass jedes der drei Reiche aus mehreren Stämmen besteht, deren jeder aus einer eigenthümlichen Moneren-Art sich entwickelt hat. Zwar ist es möglich, dass diese verschiedenen Stämme doch noch an ihrer Wurzel zusammenhängen, d. h. dass die scheinbar selbstständigen Urformen der einzelnen Stämme durch Differenzirung einer einzigen autogonen Moneren-Art entstanden sind; allein wir besitzen keine hinreichenden Garantieen, um dies mit einiger Sicherheit behaupten zu können. Es scheint uns aber für unseren Gegenstand weit erspriesslicher, nur die genügend sicheren Phylen als geschlossene Einheiten hinzustellen, als einen tieferen Zusammenhang derselben, und eine vielleicht nicht be- gründete Einheit ihrer Wurzel zu behaupten. So können wir also z. B. sämmtliche Wirbelthiere und ebenso sämmtliche Gliederthiere als Glieder eines einzigen Stammes mit aller Sicherheit hinstellen, und von einem Phylon der Vertebraten, einem Phylon der Articulaten spre- chen. Wir können aber nicht mit genügender Sicherheit von einem vereinten Phylon der Vertebraten und Articulaten sprechen, obwohl uns ihr primitiver Zusammenhang vielleicht wahrscheinlich ist. Wir müssen daher bei Bestimmung des Umfangs und Inhalts der einzelnen Phylen in dieser Beziehung sehr vorsichtig sein, und ziehen es ent- schieden vor, lieber eine grössere Anzahl von Phylen anzunehmen, deren jeder uns sicher eine geschlossene Einheit von blutsverwandten Organismen darstellt, als eine geringere Anzahl von Stämmen, von denen vielleicht einer oder der andere selbst erst wieder aus mehreren ursprünglich getrennten Stämmen zusammengesetzt ist. Da wir im sechsten Buche unsere Auffassung und Begränzung der Organismen-Stämme ausführlich begründen werden, so begnügen wir uns hier mit einer einfachen Aufzählung derselben, und heben dazu nur wiederholt und ausdrücklich folgenden wichtigen Grundsatz her- vor: Jeder Stamm (Phylon) der Organismen-Welt umfasst sämmtliche jetzt noch existirende oder bereits ausgestor- bene Lebensformen, welche alle von einer und derselben autogonen Stammform ihre Herkunft ableiten. Diese Stamm- form (autogones Urwesen) ist stets zu denken als ein voll- kommen structurloses und homogenes Moner, ein einfachstes organisches Individuum, ein lebender Klumpen einer Eiweissverbin- dung, der sich ernährte und durch Theilung fortpflanzte, und aus welchem erst allmählig in vielen Fällen eine Zelle (durch Differen- zirung von Kern und Plasma) und aus dieser (durch Theilung) ein mehrzelliges Lebewesen sich entwickelt hat. Einige Phylen sind auf dem primitiven Urzustande des Moneres stehen geblieben, andere ha- ben sich zu einzelligen, andere zu mehrzelligen Organismen ent- wickelt.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/244>, abgerufen am 25.11.2024.