Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.Schöpfung und Selbstzeugung. Wenn die Chemie der Kohlenstoff-Verbindungen oder die sogenannte führende mit aller Kraft vertheidige. Keine Irrthümer kann der nach Wahrheit strebende Mensch so stark und aufrichtig hassen, als diejenigen, in denen er selbst vorher befangen war; und man wird sich hieraus erklären, warum ich die in der organischen Morphologie noch herrschende dualistische Naturauffassung, von welcher ich früher selbst geblendet war, jetzt als überwundenen Standpunkt auf das Entschiedenste bekämpfe. 1) Da die monistischen Anschauungen, welche ich in diesem Capitel zu ent-
wickeln versucht habe, mit den hergebrachten dualistischen Vorstellungen über "spontane" organische Formbildung nicht vereinbar sind und zunächst wenig Aussicht auf Beifall haben, so möchte ich zur Unterstützung derselben noch be- sonders auf die Anatomie und die Entwickelungsgeschichte derjenigen höchst einfachen und unvollkommenen Organismen verweisen, welche wir im nächsten Capitel als Protisten zusammenfassen werden. Eine der wichtigsten, aber am schwierigsten zu begreifenden Erscheinungen, auf welche wir immer wieder zu- rückkommen müssen, ist die Thatsache, dass ein formloser festflüssiger Eiweiss- klumpen, offenbar lediglich vermöge seiner specifischen atomistischen Constitution, die complicirtesten und regelmässigsten festen Formen hervorzubringen vermag; und doch können wir uns von dieser Thatsache an vielen Protisten, besonders den Rhizopoden, ganz bestimmt überzeugen. Die verwickelten und bestimmt ge- formten Kiesel- und Kalk-Skelete der Acyttarien und Radiolarien sind das un- mittelbare Product einer vollkommen formlosen Plasma-Masse, von deren fest- flüssigem Zustande uns das bekannte Phaenomen der Sarcode-Strömung in jedem Augenblick den handgreiflichen Beweis liefert. Diese merkwürdigen Erschei- nungen werfen auf die formbildende Function des Plasma und der Plastiden überhaupt das bedeutendste Licht. Vergl. besonders den Abschnitt über das Wachsthum in meiner Monographie der Radiolarien. Berlin 1862. Schöpfung und Selbstzeugung. Wenn die Chemie der Kohlenstoff-Verbindungen oder die sogenannte führende mit aller Kraft vertheidige. Keine Irrthümer kann der nach Wahrheit strebende Mensch so stark und aufrichtig hassen, als diejenigen, in denen er selbst vorher befangen war; und man wird sich hieraus erklären, warum ich die in der organischen Morphologie noch herrschende dualistische Naturauffassung, von welcher ich früher selbst geblendet war, jetzt als überwundenen Standpunkt auf das Entschiedenste bekämpfe. 1) Da die monistischen Anschauungen, welche ich in diesem Capitel zu ent-
wickeln versucht habe, mit den hergebrachten dualistischen Vorstellungen über „spontane“ organische Formbildung nicht vereinbar sind und zunächst wenig Aussicht auf Beifall haben, so möchte ich zur Unterstützung derselben noch be- sonders auf die Anatomie und die Entwickelungsgeschichte derjenigen höchst einfachen und unvollkommenen Organismen verweisen, welche wir im nächsten Capitel als Protisten zusammenfassen werden. Eine der wichtigsten, aber am schwierigsten zu begreifenden Erscheinungen, auf welche wir immer wieder zu- rückkommen müssen, ist die Thatsache, dass ein formloser festflüssiger Eiweiss- klumpen, offenbar lediglich vermöge seiner specifischen atomistischen Constitution, die complicirtesten und regelmässigsten festen Formen hervorzubringen vermag; und doch können wir uns von dieser Thatsache an vielen Protisten, besonders den Rhizopoden, ganz bestimmt überzeugen. Die verwickelten und bestimmt ge- formten Kiesel- und Kalk-Skelete der Acyttarien und Radiolarien sind das un- mittelbare Product einer vollkommen formlosen Plasma-Masse, von deren fest- flüssigem Zustande uns das bekannte Phaenomen der Sarcode-Strömung in jedem Augenblick den handgreiflichen Beweis liefert. Diese merkwürdigen Erschei- nungen werfen auf die formbildende Function des Plasma und der Plastiden überhaupt das bedeutendste Licht. Vergl. besonders den Abschnitt über das Wachsthum in meiner Monographie der Radiolarien. 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B. durch Aufnahme<lb/> von Kohlensäure und Ammoniak) ernähren und sich durch Theilung fort-<lb/> pflanzen können, so würde das Problem der Autogonie experimentell gelöst<lb/> sein, und wir könnten dann weiter den Versuch machen, aus diesen künst-<lb/> lich dargestellten Moneren durch künstliche Züchtung unter passenden Be-<lb/> dingungen ebenso einzellige Organismen, und später vielleicht selbst mehr-<lb/> zellige herzustellen, als sicher aus den ersten, im Urmeere spontan entstan-<lb/> denen autogonen Moneren allmählig durch natürliche Züchtung einzellige,<lb/> und später aus diesen mehrzellige Organismen sich entwickelt haben<lb/> müssen.<note place="foot" n="1)">Da die monistischen Anschauungen, welche ich in diesem Capitel zu ent-<lb/> wickeln versucht habe, mit den hergebrachten dualistischen Vorstellungen über<lb/> „spontane“ organische Formbildung nicht vereinbar sind und zunächst wenig<lb/> Aussicht auf Beifall haben, so möchte ich zur Unterstützung derselben noch be-<lb/> sonders auf die Anatomie und die Entwickelungsgeschichte derjenigen höchst<lb/> einfachen und unvollkommenen Organismen verweisen, welche wir im nächsten<lb/> Capitel als Protisten zusammenfassen werden. 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Schöpfung und Selbstzeugung.
Wenn die Chemie der Kohlenstoff-Verbindungen oder die sogenannte
organische Chemie in demselben colossalen Maassstabe sich weiter ent-
wickelt, wie dies in den letzten drei bis vier Decennien geschehen ist, so
dürfen wir hoffen, auch die complicirtesten Kohlenstoff-Verbindungen, und
insbesondere die so labilen Eiweisskörper, in unseren Laboratorien auf rein
anorganischem Wege künstlich herzustellen; und wenn es dann gelingen
sollte, auch individualisirte Eiweissklumpen, gleich den Moneren, herzu-
stellen, welche unter bestimmten Bedingungen sich (z. B. durch Aufnahme
von Kohlensäure und Ammoniak) ernähren und sich durch Theilung fort-
pflanzen können, so würde das Problem der Autogonie experimentell gelöst
sein, und wir könnten dann weiter den Versuch machen, aus diesen künst-
lich dargestellten Moneren durch künstliche Züchtung unter passenden Be-
dingungen ebenso einzellige Organismen, und später vielleicht selbst mehr-
zellige herzustellen, als sicher aus den ersten, im Urmeere spontan entstan-
denen autogonen Moneren allmählig durch natürliche Züchtung einzellige,
und später aus diesen mehrzellige Organismen sich entwickelt haben
müssen. 1)
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1) Da die monistischen Anschauungen, welche ich in diesem Capitel zu ent-
wickeln versucht habe, mit den hergebrachten dualistischen Vorstellungen über
„spontane“ organische Formbildung nicht vereinbar sind und zunächst wenig
Aussicht auf Beifall haben, so möchte ich zur Unterstützung derselben noch be-
sonders auf die Anatomie und die Entwickelungsgeschichte derjenigen höchst
einfachen und unvollkommenen Organismen verweisen, welche wir im nächsten
Capitel als Protisten zusammenfassen werden. Eine der wichtigsten, aber am
schwierigsten zu begreifenden Erscheinungen, auf welche wir immer wieder zu-
rückkommen müssen, ist die Thatsache, dass ein formloser festflüssiger Eiweiss-
klumpen, offenbar lediglich vermöge seiner specifischen atomistischen Constitution,
die complicirtesten und regelmässigsten festen Formen hervorzubringen vermag;
und doch können wir uns von dieser Thatsache an vielen Protisten, besonders
den Rhizopoden, ganz bestimmt überzeugen. Die verwickelten und bestimmt ge-
formten Kiesel- und Kalk-Skelete der Acyttarien und Radiolarien sind das un-
mittelbare Product einer vollkommen formlosen Plasma-Masse, von deren fest-
flüssigem Zustande uns das bekannte Phaenomen der Sarcode-Strömung in jedem
Augenblick den handgreiflichen Beweis liefert. Diese merkwürdigen Erschei-
nungen werfen auf die formbildende Function des Plasma und der Plastiden
überhaupt das bedeutendste Licht. Vergl. besonders den Abschnitt über das
Wachsthum in meiner Monographie der Radiolarien. Berlin 1862.
1) führende mit aller Kraft vertheidige. Keine Irrthümer kann der nach Wahrheit
strebende Mensch so stark und aufrichtig hassen, als diejenigen, in denen er
selbst vorher befangen war; und man wird sich hieraus erklären, warum ich die
in der organischen Morphologie noch herrschende dualistische Naturauffassung,
von welcher ich früher selbst geblendet war, jetzt als überwundenen Standpunkt
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