(aber auch die Metameren oder homodynamen Theile), welche im Organismus in einer ganz ähnlichen Wechselbeziehung zu einander stehen, wie die ent- sprechenden symmetrischen (wir könnten fast sagen homotypischen) Theile des Krystalles.
Der einzige wesentliche Unterschied, welchen die Correlation der Theile in den organischen und anorganischen Individuen zeigt, besteht darin, dass dieselbe bei den Organismen, deren Substanz zeitlebens in innerer Bewegung und Umänderung bleibt, auch ihr ganzes Leben hindurch wirksam ist, wäh- rend dieselbe bei den Krystallen sich nur während der Zeit ihrer Bildung äussern kann, in dem einmal gebildeten Krystalle aber, bei welchem keine innere Bewegung ohne Zerstörung mehr stattfindet, nicht mehr als leben- dige Kraft bildend wirksam sein kann. Aeusserst lehrreich ist in dieser Beziehung ein Experiment von Lavalle. Dieser zeigte, dass, wenn man einem in der Bildung begriffenen Octaeder eine Kante wegschneidet und so eine künstliche Fläche bildet, eine ähnliche Fläche sich von selbst an der correspondirenden gegenüber liegenden Kante bildet, während die übrigen sich scharf ausbilden.
Alle diese Erscheinungen der symmetrischen Krystallbildung beweisen uns evident, dass die innere Structur und die äussere Form der Krystalle ebenso unmittelbar zusammenhängen, und dass der ganze Krystall ebenso ein organisches Ganzes ist, wie der Organismus. Alle einzelnen, den Körper zusammensetzenden Theile haben in dem einzelnen Krystalle ebenso eine innere Beziehung zu einander und zu der Totalität des ganzen Individuums, wie in dem einzelnen Organismus. Wir können in beiden Fällen, sowohl bei dem sich entwickelnden organischen Individuum, als bei dem in Bildung begriffenen anorganischen Individuum, dem Krystalle, keinen Theil verletzen oder durch Einwirkung bestimmter Bedingungen (Anpassung) modificiren, ohne zugleich dadurch auf andere, nicht unmittelbar betroffene Theile mit einzuwirken, und so das Ganze zu alteriren. Es besteht also ein innerer nothwendiger Zusammenhang, eine Wechselwirkung der Theile ebenso im Krystalle, wie im Organismus.
III) 6. Zellenbildung und Krystallbildung.
Bei der Vergleichung, welche wir im Vorhergehenden zwischen Organismen und Anorganen anstellten, haben wir als Typus der voll- kommensten anorganischen Individuen die Krystalle und als Typus der einfachsten und unvollkommensten Organismen die Moneren (Pro- togenes, Protamoeba) hingestellt. In letzteren konnten wir durch- aus keine differenten Theile unterscheiden, fanden vielmehr ihren ge- sammten Körper aus einer vollkommen homogenen, formlosen Eiweiss- masse gebildet. Dieser in sich völlig gleichartige Plasmaklumpen ist ein selbstständiges organisches Individuum, begabt mit den beiden wichtigsten Lebensfunctionen, der Ernährung und Fortpflanzung (durch Theilung).
Aehnliche structurlose Primitiv-Organismen, wie sie hier als Mo- neren isolirt lebend auftreten, kommen auch häufig als mehr oder
III. Organische und anorganische Kräfte.
(aber auch die Metameren oder homodynamen Theile), welche im Organismus in einer ganz ähnlichen Wechselbeziehung zu einander stehen, wie die ent- sprechenden symmetrischen (wir könnten fast sagen homotypischen) Theile des Krystalles.
Der einzige wesentliche Unterschied, welchen die Correlation der Theile in den organischen und anorganischen Individuen zeigt, besteht darin, dass dieselbe bei den Organismen, deren Substanz zeitlebens in innerer Bewegung und Umänderung bleibt, auch ihr ganzes Leben hindurch wirksam ist, wäh- rend dieselbe bei den Krystallen sich nur während der Zeit ihrer Bildung äussern kann, in dem einmal gebildeten Krystalle aber, bei welchem keine innere Bewegung ohne Zerstörung mehr stattfindet, nicht mehr als leben- dige Kraft bildend wirksam sein kann. Aeusserst lehrreich ist in dieser Beziehung ein Experiment von Lavalle. Dieser zeigte, dass, wenn man einem in der Bildung begriffenen Octaeder eine Kante wegschneidet und so eine künstliche Fläche bildet, eine ähnliche Fläche sich von selbst an der correspondirenden gegenüber liegenden Kante bildet, während die übrigen sich scharf ausbilden.
Alle diese Erscheinungen der symmetrischen Krystallbildung beweisen uns evident, dass die innere Structur und die äussere Form der Krystalle ebenso unmittelbar zusammenhängen, und dass der ganze Krystall ebenso ein organisches Ganzes ist, wie der Organismus. Alle einzelnen, den Körper zusammensetzenden Theile haben in dem einzelnen Krystalle ebenso eine innere Beziehung zu einander und zu der Totalität des ganzen Individuums, wie in dem einzelnen Organismus. Wir können in beiden Fällen, sowohl bei dem sich entwickelnden organischen Individuum, als bei dem in Bildung begriffenen anorganischen Individuum, dem Krystalle, keinen Theil verletzen oder durch Einwirkung bestimmter Bedingungen (Anpassung) modificiren, ohne zugleich dadurch auf andere, nicht unmittelbar betroffene Theile mit einzuwirken, und so das Ganze zu alteriren. Es besteht also ein innerer nothwendiger Zusammenhang, eine Wechselwirkung der Theile ebenso im Krystalle, wie im Organismus.
III) 6. Zellenbildung und Krystallbildung.
Bei der Vergleichung, welche wir im Vorhergehenden zwischen Organismen und Anorganen anstellten, haben wir als Typus der voll- kommensten anorganischen Individuen die Krystalle und als Typus der einfachsten und unvollkommensten Organismen die Moneren (Pro- togenes, Protamoeba) hingestellt. In letzteren konnten wir durch- aus keine differenten Theile unterscheiden, fanden vielmehr ihren ge- sammten Körper aus einer vollkommen homogenen, formlosen Eiweiss- masse gebildet. Dieser in sich völlig gleichartige Plasmaklumpen ist ein selbstständiges organisches Individuum, begabt mit den beiden wichtigsten Lebensfunctionen, der Ernährung und Fortpflanzung (durch Theilung).
Aehnliche structurlose Primitiv-Organismen, wie sie hier als Mo- neren isolirt lebend auftreten, kommen auch häufig als mehr oder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0198"n="159"/><fwplace="top"type="header">III. Organische und anorganische Kräfte.</fw><lb/>
(aber auch die Metameren oder homodynamen Theile), welche im Organismus<lb/>
in einer ganz ähnlichen Wechselbeziehung zu einander stehen, wie die ent-<lb/>
sprechenden symmetrischen (wir könnten fast sagen homotypischen) Theile<lb/>
des Krystalles.</p><lb/><p>Der einzige wesentliche Unterschied, welchen die Correlation der Theile<lb/>
in den organischen und anorganischen Individuen zeigt, besteht darin, dass<lb/>
dieselbe bei den Organismen, deren Substanz zeitlebens in innerer Bewegung<lb/>
und Umänderung bleibt, auch ihr ganzes Leben hindurch wirksam ist, wäh-<lb/>
rend dieselbe bei den Krystallen sich nur während der Zeit ihrer Bildung<lb/>
äussern kann, in dem einmal gebildeten Krystalle aber, bei welchem keine<lb/>
innere Bewegung ohne Zerstörung mehr stattfindet, nicht mehr als leben-<lb/>
dige Kraft bildend wirksam sein kann. Aeusserst lehrreich ist in dieser<lb/>
Beziehung ein Experiment von <hirendition="#g">Lavalle.</hi> Dieser zeigte, dass, wenn man<lb/>
einem in der Bildung begriffenen Octaeder eine Kante wegschneidet und so<lb/>
eine künstliche Fläche bildet, eine ähnliche Fläche sich von selbst an der<lb/>
correspondirenden gegenüber liegenden Kante bildet, während die übrigen<lb/>
sich scharf ausbilden.</p><lb/><p>Alle diese Erscheinungen der symmetrischen Krystallbildung beweisen<lb/>
uns evident, dass die innere Structur und die äussere Form der Krystalle<lb/>
ebenso unmittelbar zusammenhängen, und dass der ganze Krystall ebenso<lb/>
ein organisches Ganzes ist, wie der Organismus. Alle einzelnen, den Körper<lb/>
zusammensetzenden Theile haben in dem einzelnen Krystalle ebenso eine<lb/>
innere Beziehung zu einander und zu der Totalität des ganzen Individuums,<lb/>
wie in dem einzelnen Organismus. Wir können in beiden Fällen, sowohl<lb/>
bei dem sich entwickelnden organischen Individuum, als bei dem in Bildung<lb/>
begriffenen anorganischen Individuum, dem Krystalle, keinen Theil verletzen<lb/>
oder durch Einwirkung bestimmter Bedingungen (Anpassung) modificiren,<lb/>
ohne zugleich dadurch auf andere, nicht unmittelbar betroffene Theile mit<lb/>
einzuwirken, und so das Ganze zu alteriren. Es besteht also ein innerer<lb/>
nothwendiger Zusammenhang, eine Wechselwirkung der Theile ebenso im<lb/>
Krystalle, wie im Organismus.</p></div><lb/><divn="4"><head>III) 6. <hirendition="#g">Zellenbildung und Krystallbildung.</hi></head><lb/><p>Bei der Vergleichung, welche wir im Vorhergehenden zwischen<lb/>
Organismen und Anorganen anstellten, haben wir als Typus der voll-<lb/>
kommensten anorganischen Individuen die Krystalle und als Typus<lb/>
der einfachsten und unvollkommensten Organismen die Moneren <hirendition="#g"><hirendition="#i">(Pro-<lb/>
togenes, Protamoeba)</hi></hi> hingestellt. In letzteren konnten wir durch-<lb/>
aus keine differenten Theile unterscheiden, fanden vielmehr ihren ge-<lb/>
sammten Körper aus einer vollkommen homogenen, formlosen Eiweiss-<lb/>
masse gebildet. Dieser in sich völlig gleichartige Plasmaklumpen ist<lb/>
ein selbstständiges organisches Individuum, begabt mit den beiden<lb/>
wichtigsten Lebensfunctionen, der Ernährung und Fortpflanzung (durch<lb/>
Theilung).</p><lb/><p>Aehnliche structurlose Primitiv-Organismen, wie sie hier als Mo-<lb/>
neren isolirt lebend auftreten, kommen auch häufig als mehr oder<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[159/0198]
III. Organische und anorganische Kräfte.
(aber auch die Metameren oder homodynamen Theile), welche im Organismus
in einer ganz ähnlichen Wechselbeziehung zu einander stehen, wie die ent-
sprechenden symmetrischen (wir könnten fast sagen homotypischen) Theile
des Krystalles.
Der einzige wesentliche Unterschied, welchen die Correlation der Theile
in den organischen und anorganischen Individuen zeigt, besteht darin, dass
dieselbe bei den Organismen, deren Substanz zeitlebens in innerer Bewegung
und Umänderung bleibt, auch ihr ganzes Leben hindurch wirksam ist, wäh-
rend dieselbe bei den Krystallen sich nur während der Zeit ihrer Bildung
äussern kann, in dem einmal gebildeten Krystalle aber, bei welchem keine
innere Bewegung ohne Zerstörung mehr stattfindet, nicht mehr als leben-
dige Kraft bildend wirksam sein kann. Aeusserst lehrreich ist in dieser
Beziehung ein Experiment von Lavalle. Dieser zeigte, dass, wenn man
einem in der Bildung begriffenen Octaeder eine Kante wegschneidet und so
eine künstliche Fläche bildet, eine ähnliche Fläche sich von selbst an der
correspondirenden gegenüber liegenden Kante bildet, während die übrigen
sich scharf ausbilden.
Alle diese Erscheinungen der symmetrischen Krystallbildung beweisen
uns evident, dass die innere Structur und die äussere Form der Krystalle
ebenso unmittelbar zusammenhängen, und dass der ganze Krystall ebenso
ein organisches Ganzes ist, wie der Organismus. Alle einzelnen, den Körper
zusammensetzenden Theile haben in dem einzelnen Krystalle ebenso eine
innere Beziehung zu einander und zu der Totalität des ganzen Individuums,
wie in dem einzelnen Organismus. Wir können in beiden Fällen, sowohl
bei dem sich entwickelnden organischen Individuum, als bei dem in Bildung
begriffenen anorganischen Individuum, dem Krystalle, keinen Theil verletzen
oder durch Einwirkung bestimmter Bedingungen (Anpassung) modificiren,
ohne zugleich dadurch auf andere, nicht unmittelbar betroffene Theile mit
einzuwirken, und so das Ganze zu alteriren. Es besteht also ein innerer
nothwendiger Zusammenhang, eine Wechselwirkung der Theile ebenso im
Krystalle, wie im Organismus.
III) 6. Zellenbildung und Krystallbildung.
Bei der Vergleichung, welche wir im Vorhergehenden zwischen
Organismen und Anorganen anstellten, haben wir als Typus der voll-
kommensten anorganischen Individuen die Krystalle und als Typus
der einfachsten und unvollkommensten Organismen die Moneren (Pro-
togenes, Protamoeba) hingestellt. In letzteren konnten wir durch-
aus keine differenten Theile unterscheiden, fanden vielmehr ihren ge-
sammten Körper aus einer vollkommen homogenen, formlosen Eiweiss-
masse gebildet. Dieser in sich völlig gleichartige Plasmaklumpen ist
ein selbstständiges organisches Individuum, begabt mit den beiden
wichtigsten Lebensfunctionen, der Ernährung und Fortpflanzung (durch
Theilung).
Aehnliche structurlose Primitiv-Organismen, wie sie hier als Mo-
neren isolirt lebend auftreten, kommen auch häufig als mehr oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/198>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.