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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Methodik der Morphologie der Organismen.

"Die Methode der Untersuchung, welche uns wegen der Unan-
wendbarkeit der directen Methoden der Beobachtung und des Experi-
mentirens als die Hauptquelle unserer Kenntnisse, die wir in Beziehung
auf die Bedingungen und Gesetze der Wiederkehr der verwickelteren
Naturerscheinungen besitzen oder erlangen können, übrig bleibt, wird
in dem allgemeinsten Ausdruck die deductive Methode genannt. --
Dieser deductiven Methode verdankt der menschliche Geist seine rühm-
lichsten Triumphe in der Erforschung der Natur. Ihr verdanken wir
alle Theorieen, durch welche ausgedehnte und verwickelte Naturer-
scheinungen in wenigen Gesetzen umfasst werden, und die, als Gesetze
dieser grossen Erscheinungen betrachtet, durch directes Studium nie
hätten entdeckt werden können. 1)

aller Erfahrungswissenschaft sind, so werden sie, fehlerhaft oder leichtfertig an-
gewendet, auch die Quelle aller Verkehrtheiten und Phantasieen, die beständig
in der Geschichte der Wissenschaft auftauchen, dieselbe verwirren und in ihrem
Fortschritt hemmen.
Alle drei, Induction, Hypothese und Analogie, sind unvollständige di-
visive Schlüsse,
die Induction unter kategorischer Form, indem ich
von vielen Fällen (statt von allen) auf die Gültigkeit einer allgemeinen Regel,
die Hypothese unter hypothetischer Form, indem ich von einigen Folgen
(statt von allen) auf die Einheit des Grundes schliesse, endlich die Analogie,
welche eigentlich nur der durch Induction gefundenen Regel unterordnet, wo
es also allein auf die Gültigkeit der Induction ankommt. Dass wir einem sol-
chen unvollständigen Schlusse, bei dem bloss logisch gar keine Schlusskraft
vorhanden ist, vollen Glauben beimessen, liegt in der Natur der erkennenden
Vernunft, welche überall Einheit und Zusammenklang in ihren Erkenntnissen for-
dert. Die Schlussformen gelten aber desshalb auch nur im Einklang mit der
ganzen Erkenntnisskraft und den daraus abzuleitenden Principien." Schleiden
(l. c.) § 4. Von der Induction insbesondere.
1) "Die deductive Methode ist bei dem gegenwärtigen Stande der Wissen-
schaft unwiderruflich bestimmt, den Gang der wissenschaftlichen Untersuchung
von nun an zu beherrschen. Friedlich und allmählig geht in der Wissenschaft
eine Revolution vor sich, das Gegentheil von der, an welche Bacon seinen Na-
men knüpfte. Dieser grosse Mann verwandelte die deductive Methode der Wis-
senschaften in eine experimentelle, die sich nun wieder in die deductive umkehrt.
Aber die Deductionen, welche Bacon verbannte, waren aus voreilig erhaschten
oder willkührlich angenommenen Prämissen abgeleitet. Die Principien waren
weder durch die gesetzmässigen Regeln der experimentellen Forschung festge-
setzt, noch waren die Resultate durch jenes unentbehrliche Element einer ratio-
nellen deductiven Methode, die Bestätigung durch die specifische Erfahrung ge-
prüft.
"Unter den unseren Fähigkeiten zugänglichen Gegenständen sind diejenigen,
welche noch in einem Zustande von Düsterheit und Ungewissheit verweilen
(indem das Aufeinanderfolgen ihrer Erscheinungen noch nicht unter feste und
erkennbare Gesetze gebracht worden ist), meistens von einer verwickelten Natur,
solche in denen viele Agentien thätig sind, deren Wirkungen sich fortwährend
aufheben oder vermischen. Die Entwirrung dieses Knäuels ist eine Aufgabe,
Methodik der Morphologie der Organismen.

„Die Methode der Untersuchung, welche uns wegen der Unan-
wendbarkeit der directen Methoden der Beobachtung und des Experi-
mentirens als die Hauptquelle unserer Kenntnisse, die wir in Beziehung
auf die Bedingungen und Gesetze der Wiederkehr der verwickelteren
Naturerscheinungen besitzen oder erlangen können, übrig bleibt, wird
in dem allgemeinsten Ausdruck die deductive Methode genannt. —
Dieser deductiven Methode verdankt der menschliche Geist seine rühm-
lichsten Triumphe in der Erforschung der Natur. Ihr verdanken wir
alle Theorieen, durch welche ausgedehnte und verwickelte Naturer-
scheinungen in wenigen Gesetzen umfasst werden, und die, als Gesetze
dieser grossen Erscheinungen betrachtet, durch directes Studium nie
hätten entdeckt werden können. 1)

aller Erfahrungswissenschaft sind, so werden sie, fehlerhaft oder leichtfertig an-
gewendet, auch die Quelle aller Verkehrtheiten und Phantasieen, die beständig
in der Geschichte der Wissenschaft auftauchen, dieselbe verwirren und in ihrem
Fortschritt hemmen.
Alle drei, Induction, Hypothese und Analogie, sind unvollständige di-
visive Schlüsse,
die Induction unter kategorischer Form, indem ich
von vielen Fällen (statt von allen) auf die Gültigkeit einer allgemeinen Regel,
die Hypothese unter hypothetischer Form, indem ich von einigen Folgen
(statt von allen) auf die Einheit des Grundes schliesse, endlich die Analogie,
welche eigentlich nur der durch Induction gefundenen Regel unterordnet, wo
es also allein auf die Gültigkeit der Induction ankommt. Dass wir einem sol-
chen unvollständigen Schlusse, bei dem bloss logisch gar keine Schlusskraft
vorhanden ist, vollen Glauben beimessen, liegt in der Natur der erkennenden
Vernunft, welche überall Einheit und Zusammenklang in ihren Erkenntnissen for-
dert. Die Schlussformen gelten aber desshalb auch nur im Einklang mit der
ganzen Erkenntnisskraft und den daraus abzuleitenden Principien.“ Schleiden
(l. c.) § 4. Von der Induction insbesondere.
1) „Die deductive Methode ist bei dem gegenwärtigen Stande der Wissen-
schaft unwiderruflich bestimmt, den Gang der wissenschaftlichen Untersuchung
von nun an zu beherrschen. Friedlich und allmählig geht in der Wissenschaft
eine Revolution vor sich, das Gegentheil von der, an welche Bacon seinen Na-
men knüpfte. Dieser grosse Mann verwandelte die deductive Methode der Wis-
senschaften in eine experimentelle, die sich nun wieder in die deductive umkehrt.
Aber die Deductionen, welche Bacon verbannte, waren aus voreilig erhaschten
oder willkührlich angenommenen Prämissen abgeleitet. Die Principien waren
weder durch die gesetzmässigen Regeln der experimentellen Forschung festge-
setzt, noch waren die Resultate durch jenes unentbehrliche Element einer ratio-
nellen deductiven Methode, die Bestätigung durch die specifische Erfahrung ge-
prüft.
„Unter den unseren Fähigkeiten zugänglichen Gegenständen sind diejenigen,
welche noch in einem Zustande von Düsterheit und Ungewissheit verweilen
(indem das Aufeinanderfolgen ihrer Erscheinungen noch nicht unter feste und
erkennbare Gesetze gebracht worden ist), meistens von einer verwickelten Natur,
solche in denen viele Agentien thätig sind, deren Wirkungen sich fortwährend
aufheben oder vermischen. Die Entwirrung dieses Knäuels ist eine Aufgabe,
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[80/0119] Methodik der Morphologie der Organismen. „Die Methode der Untersuchung, welche uns wegen der Unan- wendbarkeit der directen Methoden der Beobachtung und des Experi- mentirens als die Hauptquelle unserer Kenntnisse, die wir in Beziehung auf die Bedingungen und Gesetze der Wiederkehr der verwickelteren Naturerscheinungen besitzen oder erlangen können, übrig bleibt, wird in dem allgemeinsten Ausdruck die deductive Methode genannt. — Dieser deductiven Methode verdankt der menschliche Geist seine rühm- lichsten Triumphe in der Erforschung der Natur. Ihr verdanken wir alle Theorieen, durch welche ausgedehnte und verwickelte Naturer- scheinungen in wenigen Gesetzen umfasst werden, und die, als Gesetze dieser grossen Erscheinungen betrachtet, durch directes Studium nie hätten entdeckt werden können. 1) 1) 1) „Die deductive Methode ist bei dem gegenwärtigen Stande der Wissen- schaft unwiderruflich bestimmt, den Gang der wissenschaftlichen Untersuchung von nun an zu beherrschen. Friedlich und allmählig geht in der Wissenschaft eine Revolution vor sich, das Gegentheil von der, an welche Bacon seinen Na- men knüpfte. Dieser grosse Mann verwandelte die deductive Methode der Wis- senschaften in eine experimentelle, die sich nun wieder in die deductive umkehrt. Aber die Deductionen, welche Bacon verbannte, waren aus voreilig erhaschten oder willkührlich angenommenen Prämissen abgeleitet. Die Principien waren weder durch die gesetzmässigen Regeln der experimentellen Forschung festge- setzt, noch waren die Resultate durch jenes unentbehrliche Element einer ratio- nellen deductiven Methode, die Bestätigung durch die specifische Erfahrung ge- prüft. „Unter den unseren Fähigkeiten zugänglichen Gegenständen sind diejenigen, welche noch in einem Zustande von Düsterheit und Ungewissheit verweilen (indem das Aufeinanderfolgen ihrer Erscheinungen noch nicht unter feste und erkennbare Gesetze gebracht worden ist), meistens von einer verwickelten Natur, solche in denen viele Agentien thätig sind, deren Wirkungen sich fortwährend aufheben oder vermischen. Die Entwirrung dieses Knäuels ist eine Aufgabe, 1) aller Erfahrungswissenschaft sind, so werden sie, fehlerhaft oder leichtfertig an- gewendet, auch die Quelle aller Verkehrtheiten und Phantasieen, die beständig in der Geschichte der Wissenschaft auftauchen, dieselbe verwirren und in ihrem Fortschritt hemmen. Alle drei, Induction, Hypothese und Analogie, sind unvollständige di- visive Schlüsse, die Induction unter kategorischer Form, indem ich von vielen Fällen (statt von allen) auf die Gültigkeit einer allgemeinen Regel, die Hypothese unter hypothetischer Form, indem ich von einigen Folgen (statt von allen) auf die Einheit des Grundes schliesse, endlich die Analogie, welche eigentlich nur der durch Induction gefundenen Regel unterordnet, wo es also allein auf die Gültigkeit der Induction ankommt. Dass wir einem sol- chen unvollständigen Schlusse, bei dem bloss logisch gar keine Schlusskraft vorhanden ist, vollen Glauben beimessen, liegt in der Natur der erkennenden Vernunft, welche überall Einheit und Zusammenklang in ihren Erkenntnissen for- dert. Die Schlussformen gelten aber desshalb auch nur im Einklang mit der ganzen Erkenntnisskraft und den daraus abzuleitenden Principien.“ Schleiden (l. c.) § 4. Von der Induction insbesondere.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/119>, abgerufen am 24.11.2024.