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Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Der Graf S. mußte seine ganze Aufmerksamkeit seinem Rosse widmen, um zwischen den bösartigen Fuhrwesenspferden ungesclagen und zwischen den Rädern ungequetscht durchzukommen. Jetzt passirte er einen langen Brückentrain, denselben, der heute an der Adda gebraucht worden war, und dann kam Infanterie in langen, dichten Colonnen. Aber Alles schlich trübselig unter dem dichten Regen weiter, und die Bataillone nahmen fast die ganze Straße ein, so daß es hier noch schwerer war, durchzukommen. Endlich erreichte er die Tete der Colonne, wechselte mit den Offizieren, die vorne ritten, ein paar Worte und hatte jetzt wieder ein Stück freie Straße vor sich.

Im Osten begann das schmutzig graue Gewölk eine kleine lichtere Färbung anzunehmen; und ganz tief am Horizont wand sich mühsam ein kleiner gelber Streifen in die Höhe. Pusterlengo konnte nicht weit mehr entfernt sein, und der junge Offizier, der, neben einem guten Feuer, um seine Kleider zu trocknen, auch von einem angenehmen schwarzen Kaffee träumte, freute sich der Morgenluft, die ihn frostig anblies, und dachte bei sich selber: Der Cecco muß auch herangewachsen sein, ich will doch sehen, ob der kleine Schlingel meine Feldmütze nicht in tausend Stücken zerrissen hat. Es wäre doch außerordentlich komisch, wenn ich sie nach vier Jahren wiederfände. -- Ein lustiger Zungenschlag, und der Rappe trabte durch den unergründlichen Schmutz weiter. Doch dauerte das schnelle Reiten nicht lange,

Der Graf S. mußte seine ganze Aufmerksamkeit seinem Rosse widmen, um zwischen den bösartigen Fuhrwesenspferden ungesclagen und zwischen den Rädern ungequetscht durchzukommen. Jetzt passirte er einen langen Brückentrain, denselben, der heute an der Adda gebraucht worden war, und dann kam Infanterie in langen, dichten Colonnen. Aber Alles schlich trübselig unter dem dichten Regen weiter, und die Bataillone nahmen fast die ganze Straße ein, so daß es hier noch schwerer war, durchzukommen. Endlich erreichte er die Tête der Colonne, wechselte mit den Offizieren, die vorne ritten, ein paar Worte und hatte jetzt wieder ein Stück freie Straße vor sich.

Im Osten begann das schmutzig graue Gewölk eine kleine lichtere Färbung anzunehmen; und ganz tief am Horizont wand sich mühsam ein kleiner gelber Streifen in die Höhe. Pusterlengo konnte nicht weit mehr entfernt sein, und der junge Offizier, der, neben einem guten Feuer, um seine Kleider zu trocknen, auch von einem angenehmen schwarzen Kaffee träumte, freute sich der Morgenluft, die ihn frostig anblies, und dachte bei sich selber: Der Cecco muß auch herangewachsen sein, ich will doch sehen, ob der kleine Schlingel meine Feldmütze nicht in tausend Stücken zerrissen hat. Es wäre doch außerordentlich komisch, wenn ich sie nach vier Jahren wiederfände. — Ein lustiger Zungenschlag, und der Rappe trabte durch den unergründlichen Schmutz weiter. Doch dauerte das schnelle Reiten nicht lange,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:37:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:37:05Z)

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Zitationshilfe: Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/59>, abgerufen am 25.11.2024.