Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zweifelten Anstrengungen endlich glücklich gelungen, die schwarzgelbe Schnur von der Feldmütze herunterzureißen, eine That, die er mit vergnügtem Lachen ankündigte. Doch war dieser Freudenausbruch nicht im Stande, die beiden Liebenden aufzustören. Er wandte sanft ihren Kopf auf die Seite und drückte einen glühenden Kuß auf die brennende Stirn -- da tönte durch die Nacht der lustige Klang eines Posthorns. -- -- Es ist etwas Eigenthümliches um solch einen Ton wenn Alles ringsum in tiefer Stille begraben liegt. Das Mädchen fuhr in die Höhe und horchte. Der Vater! rief sie erschreckt, oder die Pferde von der kaiserlichen Post. Adieu, mein Lieber, mein Liebster! Man darf uns hier nicht beisammen sehen. Sie legte das Bübchen neben den großen Hund auf den Boden, erhob sich eilfertig und schlang, während sie sich mit dem Oberkörper zum Fenster hinausbeugte, ihre beiden Arme um den Hals des Offiziers. Verzeiht mir, was ich thue, sagte sie mit leiser Stimme, verzeiht es mir die Madonna, aber es ist nichts Unrechtes, ich sehe Euch ja in diesem Leben gewiß nicht wieder, ich darf, ich kann, ich Will dich nicht Wiedersehen! denn wenn ich dich morgen wiedersähe, so wäre ich tief, ach so sehr unglücklich! Ich müßte mich schämen; aber so, da wir uns hier zum ersten Mal sehen und uns gleich wieder verlieren, darf ich sagen, daß ich dich unendlich liebe, und darf dich küssen, so -- und noch einmal und zum letztenmal. -- Madonna hilf! Jetzt fort! um Gotteswillen fort! zweifelten Anstrengungen endlich glücklich gelungen, die schwarzgelbe Schnur von der Feldmütze herunterzureißen, eine That, die er mit vergnügtem Lachen ankündigte. Doch war dieser Freudenausbruch nicht im Stande, die beiden Liebenden aufzustören. Er wandte sanft ihren Kopf auf die Seite und drückte einen glühenden Kuß auf die brennende Stirn — da tönte durch die Nacht der lustige Klang eines Posthorns. — — Es ist etwas Eigenthümliches um solch einen Ton wenn Alles ringsum in tiefer Stille begraben liegt. Das Mädchen fuhr in die Höhe und horchte. Der Vater! rief sie erschreckt, oder die Pferde von der kaiserlichen Post. Adieu, mein Lieber, mein Liebster! Man darf uns hier nicht beisammen sehen. Sie legte das Bübchen neben den großen Hund auf den Boden, erhob sich eilfertig und schlang, während sie sich mit dem Oberkörper zum Fenster hinausbeugte, ihre beiden Arme um den Hals des Offiziers. Verzeiht mir, was ich thue, sagte sie mit leiser Stimme, verzeiht es mir die Madonna, aber es ist nichts Unrechtes, ich sehe Euch ja in diesem Leben gewiß nicht wieder, ich darf, ich kann, ich Will dich nicht Wiedersehen! denn wenn ich dich morgen wiedersähe, so wäre ich tief, ach so sehr unglücklich! Ich müßte mich schämen; aber so, da wir uns hier zum ersten Mal sehen und uns gleich wieder verlieren, darf ich sagen, daß ich dich unendlich liebe, und darf dich küssen, so — und noch einmal und zum letztenmal. — Madonna hilf! Jetzt fort! um Gotteswillen fort! <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0029"/> zweifelten Anstrengungen endlich glücklich gelungen, die schwarzgelbe Schnur von der Feldmütze herunterzureißen, eine That, die er mit vergnügtem Lachen ankündigte. Doch war dieser Freudenausbruch nicht im Stande, die beiden Liebenden aufzustören. Er wandte sanft ihren Kopf auf die Seite und drückte einen glühenden Kuß auf die brennende Stirn — da tönte durch die Nacht der lustige Klang eines Posthorns. — —</p><lb/> <p>Es ist etwas Eigenthümliches um solch einen Ton wenn Alles ringsum in tiefer Stille begraben liegt.</p><lb/> <p>Das Mädchen fuhr in die Höhe und horchte. Der Vater! rief sie erschreckt, oder die Pferde von der kaiserlichen Post. Adieu, mein Lieber, mein Liebster! Man darf uns hier nicht beisammen sehen. Sie legte das Bübchen neben den großen Hund auf den Boden, erhob sich eilfertig und schlang, während sie sich mit dem Oberkörper zum Fenster hinausbeugte, ihre beiden Arme um den Hals des Offiziers. Verzeiht mir, was ich thue, sagte sie mit leiser Stimme, verzeiht es mir die Madonna, aber es ist nichts Unrechtes, ich sehe Euch ja in diesem Leben gewiß nicht wieder, ich darf, ich kann, ich Will dich nicht Wiedersehen! denn wenn ich dich morgen wiedersähe, so wäre ich tief, ach so sehr unglücklich! Ich müßte mich schämen; aber so, da wir uns hier zum ersten Mal sehen und uns gleich wieder verlieren, darf ich sagen, daß ich dich unendlich liebe, und darf dich küssen, so — und noch einmal und zum letztenmal. — Madonna hilf! Jetzt fort! um Gotteswillen fort!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
zweifelten Anstrengungen endlich glücklich gelungen, die schwarzgelbe Schnur von der Feldmütze herunterzureißen, eine That, die er mit vergnügtem Lachen ankündigte. Doch war dieser Freudenausbruch nicht im Stande, die beiden Liebenden aufzustören. Er wandte sanft ihren Kopf auf die Seite und drückte einen glühenden Kuß auf die brennende Stirn — da tönte durch die Nacht der lustige Klang eines Posthorns. — —
Es ist etwas Eigenthümliches um solch einen Ton wenn Alles ringsum in tiefer Stille begraben liegt.
Das Mädchen fuhr in die Höhe und horchte. Der Vater! rief sie erschreckt, oder die Pferde von der kaiserlichen Post. Adieu, mein Lieber, mein Liebster! Man darf uns hier nicht beisammen sehen. Sie legte das Bübchen neben den großen Hund auf den Boden, erhob sich eilfertig und schlang, während sie sich mit dem Oberkörper zum Fenster hinausbeugte, ihre beiden Arme um den Hals des Offiziers. Verzeiht mir, was ich thue, sagte sie mit leiser Stimme, verzeiht es mir die Madonna, aber es ist nichts Unrechtes, ich sehe Euch ja in diesem Leben gewiß nicht wieder, ich darf, ich kann, ich Will dich nicht Wiedersehen! denn wenn ich dich morgen wiedersähe, so wäre ich tief, ach so sehr unglücklich! Ich müßte mich schämen; aber so, da wir uns hier zum ersten Mal sehen und uns gleich wieder verlieren, darf ich sagen, daß ich dich unendlich liebe, und darf dich küssen, so — und noch einmal und zum letztenmal. — Madonna hilf! Jetzt fort! um Gotteswillen fort!
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Zitationshilfe: | Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/29>, abgerufen am 16.07.2024. |