Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Während der Graf so parlamentierte, ging er als tapferer und umsichtiger Soldat Schritt vor Schritt vorwärts und zeigte sich bei den letzten Worten dicht am Fenster in dem hellen Lichtschein. Das war aber auch, um dem Mädchen allen Schrecken zu nehmen, das beste aller Mittel, denn ein Blick in dieses schöne, offene, jugendliche Gesicht, dem der kleine blonde Husarenbart so wohl stand, zeigte der jungen Italienerin, mit wem sie es zu thun habe, und ehe sie noch die Husarenuniform erkennen konnte, sagte sie lachend: Aha! der Herr ist ein österreichischer Offizier. Wie war jetzt die stille Pacht dem jungen Reisenden so interessant geworden, und erst das Wohnhaus, das er vorhin ingrimmig angeschaut! Gab es aber auch etwas Reizenderes, als der Anblick, denn er hier vor sich hatte? War es das Plötzliche und Unerwartete der Erscheinung, war es der dunkle Rahmen der Nacht, der das Mädchen so wunderbar hervorhob, genug, er gestand sich, nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Da lehnte die Kleine an ihrem hohen Stuhl, nothdürftig bekleidet, ein rother Rock umspannte ihren schlanken Leib, die nackten Füße drückten sich tief in das schwarze, zottige Fell des großen Hundes, den wir vorhin erwähnten und der fragend aufblickte, als wolle er sagen: Befiehlst du, daß ich hinausspringe und den Fremden ein bisschen an der Kehle fasse? Auch schien sie ihren Wächter vollkommen zu verstehen; denn sie drückte ihm mit dem einen Fuß den erhobenen Kopf Während der Graf so parlamentierte, ging er als tapferer und umsichtiger Soldat Schritt vor Schritt vorwärts und zeigte sich bei den letzten Worten dicht am Fenster in dem hellen Lichtschein. Das war aber auch, um dem Mädchen allen Schrecken zu nehmen, das beste aller Mittel, denn ein Blick in dieses schöne, offene, jugendliche Gesicht, dem der kleine blonde Husarenbart so wohl stand, zeigte der jungen Italienerin, mit wem sie es zu thun habe, und ehe sie noch die Husarenuniform erkennen konnte, sagte sie lachend: Aha! der Herr ist ein österreichischer Offizier. Wie war jetzt die stille Pacht dem jungen Reisenden so interessant geworden, und erst das Wohnhaus, das er vorhin ingrimmig angeschaut! Gab es aber auch etwas Reizenderes, als der Anblick, denn er hier vor sich hatte? War es das Plötzliche und Unerwartete der Erscheinung, war es der dunkle Rahmen der Nacht, der das Mädchen so wunderbar hervorhob, genug, er gestand sich, nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Da lehnte die Kleine an ihrem hohen Stuhl, nothdürftig bekleidet, ein rother Rock umspannte ihren schlanken Leib, die nackten Füße drückten sich tief in das schwarze, zottige Fell des großen Hundes, den wir vorhin erwähnten und der fragend aufblickte, als wolle er sagen: Befiehlst du, daß ich hinausspringe und den Fremden ein bisschen an der Kehle fasse? Auch schien sie ihren Wächter vollkommen zu verstehen; denn sie drückte ihm mit dem einen Fuß den erhobenen Kopf <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <pb facs="#f0023"/> <p>Während der Graf so parlamentierte, ging er als tapferer und umsichtiger Soldat Schritt vor Schritt vorwärts und zeigte sich bei den letzten Worten dicht am Fenster in dem hellen Lichtschein. Das war aber auch, um dem Mädchen allen Schrecken zu nehmen, das beste aller Mittel, denn ein Blick in dieses schöne, offene, jugendliche Gesicht, dem der kleine blonde Husarenbart so wohl stand, zeigte der jungen Italienerin, mit wem sie es zu thun habe, und ehe sie noch die Husarenuniform erkennen konnte, sagte sie lachend:</p><lb/> <p>Aha! der Herr ist ein österreichischer Offizier.</p><lb/> <p>Wie war jetzt die stille Pacht dem jungen Reisenden so interessant geworden, und erst das Wohnhaus, das er vorhin ingrimmig angeschaut! Gab es aber auch etwas Reizenderes, als der Anblick, denn er hier vor sich hatte? War es das Plötzliche und Unerwartete der Erscheinung, war es der dunkle Rahmen der Nacht, der das Mädchen so wunderbar hervorhob, genug, er gestand sich, nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Da lehnte die Kleine an ihrem hohen Stuhl, nothdürftig bekleidet, ein rother Rock umspannte ihren schlanken Leib, die nackten Füße drückten sich tief in das schwarze, zottige Fell des großen Hundes, den wir vorhin erwähnten und der fragend aufblickte, als wolle er sagen: Befiehlst du, daß ich hinausspringe und den Fremden ein bisschen an der Kehle fasse? Auch schien sie ihren Wächter vollkommen zu verstehen; denn sie drückte ihm mit dem einen Fuß den erhobenen Kopf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
Während der Graf so parlamentierte, ging er als tapferer und umsichtiger Soldat Schritt vor Schritt vorwärts und zeigte sich bei den letzten Worten dicht am Fenster in dem hellen Lichtschein. Das war aber auch, um dem Mädchen allen Schrecken zu nehmen, das beste aller Mittel, denn ein Blick in dieses schöne, offene, jugendliche Gesicht, dem der kleine blonde Husarenbart so wohl stand, zeigte der jungen Italienerin, mit wem sie es zu thun habe, und ehe sie noch die Husarenuniform erkennen konnte, sagte sie lachend:
Aha! der Herr ist ein österreichischer Offizier.
Wie war jetzt die stille Pacht dem jungen Reisenden so interessant geworden, und erst das Wohnhaus, das er vorhin ingrimmig angeschaut! Gab es aber auch etwas Reizenderes, als der Anblick, denn er hier vor sich hatte? War es das Plötzliche und Unerwartete der Erscheinung, war es der dunkle Rahmen der Nacht, der das Mädchen so wunderbar hervorhob, genug, er gestand sich, nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Da lehnte die Kleine an ihrem hohen Stuhl, nothdürftig bekleidet, ein rother Rock umspannte ihren schlanken Leib, die nackten Füße drückten sich tief in das schwarze, zottige Fell des großen Hundes, den wir vorhin erwähnten und der fragend aufblickte, als wolle er sagen: Befiehlst du, daß ich hinausspringe und den Fremden ein bisschen an der Kehle fasse? Auch schien sie ihren Wächter vollkommen zu verstehen; denn sie drückte ihm mit dem einen Fuß den erhobenen Kopf
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Zitationshilfe: | Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/23>, abgerufen am 28.07.2024. |