Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842."Jhr glaubt, der Gesellschaft, da ihr sie nicht von neuen Verbrechern, die tagtäglich wieder kommen, befreien könnt, wenigstens dadurch einen großen Dienst zu erweisen, daß ihr es verhindert, daß die alten Verbrecher mit ihren frühern Leidenschaften zu ihr zurückkehren. Das würde ohne allen Zweifel ein großes Verdienst seyn, wenn auch nicht so groß als ihr es glaubt, wenn es nur in eurer Macht stände, dieses Wunder zu erwirken. Werden eure Verbrecher, nachdem sie, gereinigt vom Schmutze, voll abstrakter Lehren in den vier Kerkerwänden, auch, wenn sie dieselben verlassen und wieder in die Gesellschaft eintreten, nicht wieder zurückfallen, werden sie sich nicht von den frühern Ursachen bestimmen lassen? Sie sind heut, wendet ihr ein, besser als früher; ohne Zweifel; aber sie waren weit besser, bevor sie zu Verbrechern wurden, und ihr glaubet, daß eine wiederhergestellte Tugend länger als eine angeborne vorhalten wird? Die Sträflinge, welche man in den Gefängnissen verbessert, sind wie Kranke, die ihr aus einer ungesunden Stadt schafft, aber nach hergestellter Gesundheit wieder dahin zurückbringt. Hebet, wie gesagt, die Ursachen auf, welche die Verbrechen herbeiführen; so lange jene bestehen, werden neue Strafverbesserungen fruchtlos bleiben." "Die Liebe, man kann sagen, die Leidenschaft für Kerker nimmt über alle Vorstellung zu, und um die Sache nur von materiellem Gesichtspunkte aus zu "Jhr glaubt, der Gesellschaft, da ihr sie nicht von neuen Verbrechern, die tagtäglich wieder kommen, befreien könnt, wenigstens dadurch einen großen Dienst zu erweisen, daß ihr es verhindert, daß die alten Verbrecher mit ihren frühern Leidenschaften zu ihr zurückkehren. Das würde ohne allen Zweifel ein großes Verdienst seyn, wenn auch nicht so groß als ihr es glaubt, wenn es nur in eurer Macht stände, dieses Wunder zu erwirken. Werden eure Verbrecher, nachdem sie, gereinigt vom Schmutze, voll abstrakter Lehren in den vier Kerkerwänden, auch, wenn sie dieselben verlassen und wieder in die Gesellschaft eintreten, nicht wieder zurückfallen, werden sie sich nicht von den frühern Ursachen bestimmen lassen? Sie sind heut, wendet ihr ein, besser als früher; ohne Zweifel; aber sie waren weit besser, bevor sie zu Verbrechern wurden, und ihr glaubet, daß eine wiederhergestellte Tugend länger als eine angeborne vorhalten wird? Die Sträflinge, welche man in den Gefängnissen verbessert, sind wie Kranke, die ihr aus einer ungesunden Stadt schafft, aber nach hergestellter Gesundheit wieder dahin zurückbringt. Hebet, wie gesagt, die Ursachen auf, welche die Verbrechen herbeiführen; so lange jene bestehen, werden neue Strafverbesserungen fruchtlos bleiben.“ "Die Liebe, man kann sagen, die Leidenschaft für Kerker nimmt über alle Vorstellung zu, und um die Sache nur von materiellem Gesichtspunkte aus zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0076" n="74"/> <p> "Jhr glaubt, der Gesellschaft, da ihr sie nicht von neuen Verbrechern, die tagtäglich wieder kommen, befreien könnt, wenigstens dadurch einen großen Dienst zu erweisen, daß ihr es verhindert, daß die alten Verbrecher mit ihren frühern Leidenschaften zu ihr zurückkehren. Das würde ohne allen Zweifel ein großes Verdienst seyn, wenn auch nicht so groß als ihr es glaubt, wenn es nur in eurer Macht stände, dieses Wunder zu erwirken. Werden eure Verbrecher, nachdem sie, gereinigt vom Schmutze, voll abstrakter Lehren in den vier Kerkerwänden, auch, wenn sie dieselben verlassen und wieder in die Gesellschaft eintreten, nicht wieder zurückfallen, werden sie sich nicht von den frühern Ursachen bestimmen lassen? Sie sind heut, wendet ihr ein, besser als früher; ohne Zweifel; aber sie waren weit besser, bevor sie zu Verbrechern wurden, und ihr glaubet, daß eine wiederhergestellte Tugend länger als eine angeborne vorhalten wird? Die Sträflinge, welche man in den Gefängnissen verbessert, sind wie Kranke, die ihr aus einer ungesunden Stadt schafft, aber nach hergestellter Gesundheit wieder dahin zurückbringt. Hebet, wie gesagt, die Ursachen auf, welche die Verbrechen herbeiführen; so lange jene bestehen, werden neue Strafverbesserungen fruchtlos bleiben.“</p> <p>"Die Liebe, man kann sagen, die Leidenschaft für Kerker nimmt über alle Vorstellung zu, und um die Sache nur von materiellem Gesichtspunkte aus zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0076]
"Jhr glaubt, der Gesellschaft, da ihr sie nicht von neuen Verbrechern, die tagtäglich wieder kommen, befreien könnt, wenigstens dadurch einen großen Dienst zu erweisen, daß ihr es verhindert, daß die alten Verbrecher mit ihren frühern Leidenschaften zu ihr zurückkehren. Das würde ohne allen Zweifel ein großes Verdienst seyn, wenn auch nicht so groß als ihr es glaubt, wenn es nur in eurer Macht stände, dieses Wunder zu erwirken. Werden eure Verbrecher, nachdem sie, gereinigt vom Schmutze, voll abstrakter Lehren in den vier Kerkerwänden, auch, wenn sie dieselben verlassen und wieder in die Gesellschaft eintreten, nicht wieder zurückfallen, werden sie sich nicht von den frühern Ursachen bestimmen lassen? Sie sind heut, wendet ihr ein, besser als früher; ohne Zweifel; aber sie waren weit besser, bevor sie zu Verbrechern wurden, und ihr glaubet, daß eine wiederhergestellte Tugend länger als eine angeborne vorhalten wird? Die Sträflinge, welche man in den Gefängnissen verbessert, sind wie Kranke, die ihr aus einer ungesunden Stadt schafft, aber nach hergestellter Gesundheit wieder dahin zurückbringt. Hebet, wie gesagt, die Ursachen auf, welche die Verbrechen herbeiführen; so lange jene bestehen, werden neue Strafverbesserungen fruchtlos bleiben.“
"Die Liebe, man kann sagen, die Leidenschaft für Kerker nimmt über alle Vorstellung zu, und um die Sache nur von materiellem Gesichtspunkte aus zu
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/76>, abgerufen am 16.07.2024. |