Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Gemeinde schimpfen und sich's also in ihrer Art und Weise ganz bürgerlich und bequem machen. Die Nachtschleicher, die Vagabundinnen, die immer auf dem Sprung stehen und ihre Wächter ausgestellt haben, um beim Fange sicher zu seyn, daß sie selbst nicht gefangen werden, die kommen zu gar keiner Besinnung und sind diejenigen, welche in sich von der Moral den lezten Sprossen mit Stumpf und Stiel ausgerottet haben. Es ist viel über die Profanation des Geschlechtstriebes geschrieben worden, doch alle Welt kommt darin überein, daß man sie nicht unterdrücken kann. Der heilige Augustinus klagt schon darüber, daß selbst er, der Gott so gefällig zu seyn strebe, sich diesem Resultate anschließen müsse. Man ist darauf hinaus gekommen, daß es sich immer nur darum handeln könne, die Profanation des Geschlechtstriebes zu reguliren und dadurch, daß man ihr eine gewisse Freiheit einräumte, sie in desto größere Botmäßigkeit zu bringen. Dieser jedenfalls wichtige Grundsatz hat die Polizei zu Conzessionen vermocht, an denen nur Leute Anstoß nehmen können, welche glauben, die guten Sitten ließen sich mit Feuer und Schwert in die Menschen hineintreiben. Diese Menschen bedenken nicht, daß, wenn das Laster keinen Abzugskanal hätte, es übertreten und die ganze Gesellschaft verderben würde. Die Unlauterkeit der Gelüste würde sich auf die Kreise der Sitte zurückwerfen und, wie die Pest, Gemeinde schimpfen und sich’s also in ihrer Art und Weise ganz bürgerlich und bequem machen. Die Nachtschleicher, die Vagabundinnen, die immer auf dem Sprung stehen und ihre Wächter ausgestellt haben, um beim Fange sicher zu seyn, daß sie selbst nicht gefangen werden, die kommen zu gar keiner Besinnung und sind diejenigen, welche in sich von der Moral den lezten Sprossen mit Stumpf und Stiel ausgerottet haben. Es ist viel über die Profanation des Geschlechtstriebes geschrieben worden, doch alle Welt kommt darin überein, daß man sie nicht unterdrücken kann. Der heilige Augustinus klagt schon darüber, daß selbst er, der Gott so gefällig zu seyn strebe, sich diesem Resultate anschließen müsse. Man ist darauf hinaus gekommen, daß es sich immer nur darum handeln könne, die Profanation des Geschlechtstriebes zu reguliren und dadurch, daß man ihr eine gewisse Freiheit einräumte, sie in desto größere Botmäßigkeit zu bringen. Dieser jedenfalls wichtige Grundsatz hat die Polizei zu Conzessionen vermocht, an denen nur Leute Anstoß nehmen können, welche glauben, die guten Sitten ließen sich mit Feuer und Schwert in die Menschen hineintreiben. Diese Menschen bedenken nicht, daß, wenn das Laster keinen Abzugskanal hätte, es übertreten und die ganze Gesellschaft verderben würde. Die Unlauterkeit der Gelüste würde sich auf die Kreise der Sitte zurückwerfen und, wie die Pest, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="53"/> Gemeinde schimpfen und sich’s also in ihrer Art und Weise ganz bürgerlich und bequem machen. Die Nachtschleicher, die Vagabundinnen, die immer auf dem Sprung stehen und ihre Wächter ausgestellt haben, um beim Fange sicher zu seyn, daß sie selbst nicht gefangen werden, die kommen zu gar keiner Besinnung und sind diejenigen, welche in sich von der Moral den lezten Sprossen mit Stumpf und Stiel ausgerottet haben.</p> <p>Es ist viel über die Profanation des Geschlechtstriebes geschrieben worden, doch alle Welt kommt darin überein, daß man sie nicht unterdrücken kann. Der heilige <hi rendition="#g">Augustinus</hi> klagt schon darüber, daß selbst er, der Gott so gefällig zu seyn strebe, sich diesem Resultate anschließen müsse. Man ist darauf hinaus gekommen, daß es sich immer nur darum handeln könne, die Profanation des Geschlechtstriebes zu reguliren und dadurch, daß man ihr eine gewisse Freiheit einräumte, sie in desto größere Botmäßigkeit zu bringen. Dieser jedenfalls wichtige Grundsatz hat die Polizei zu Conzessionen vermocht, an denen nur Leute Anstoß nehmen können, welche glauben, die guten Sitten ließen sich mit Feuer und Schwert in die Menschen hineintreiben. Diese Menschen bedenken nicht, daß, wenn das Laster keinen Abzugskanal hätte, es übertreten und die ganze Gesellschaft verderben würde. Die Unlauterkeit der Gelüste würde sich auf die Kreise der Sitte zurückwerfen und, wie die Pest, </p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0055]
Gemeinde schimpfen und sich’s also in ihrer Art und Weise ganz bürgerlich und bequem machen. Die Nachtschleicher, die Vagabundinnen, die immer auf dem Sprung stehen und ihre Wächter ausgestellt haben, um beim Fange sicher zu seyn, daß sie selbst nicht gefangen werden, die kommen zu gar keiner Besinnung und sind diejenigen, welche in sich von der Moral den lezten Sprossen mit Stumpf und Stiel ausgerottet haben.
Es ist viel über die Profanation des Geschlechtstriebes geschrieben worden, doch alle Welt kommt darin überein, daß man sie nicht unterdrücken kann. Der heilige Augustinus klagt schon darüber, daß selbst er, der Gott so gefällig zu seyn strebe, sich diesem Resultate anschließen müsse. Man ist darauf hinaus gekommen, daß es sich immer nur darum handeln könne, die Profanation des Geschlechtstriebes zu reguliren und dadurch, daß man ihr eine gewisse Freiheit einräumte, sie in desto größere Botmäßigkeit zu bringen. Dieser jedenfalls wichtige Grundsatz hat die Polizei zu Conzessionen vermocht, an denen nur Leute Anstoß nehmen können, welche glauben, die guten Sitten ließen sich mit Feuer und Schwert in die Menschen hineintreiben. Diese Menschen bedenken nicht, daß, wenn das Laster keinen Abzugskanal hätte, es übertreten und die ganze Gesellschaft verderben würde. Die Unlauterkeit der Gelüste würde sich auf die Kreise der Sitte zurückwerfen und, wie die Pest,
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