Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

an welchen die jungen Leute in Griechenland ihren Körper stärkten. Auch in die Tänze ist jedoch ein neuer Geist gefahren, und zwar von einer Seite her, wo man es am wenigsten hätte erwarten sollen. Die Deutschen haben nämlich ihre Reformation nicht so schnell verbreiten können, nachdem sie die Völker einmal gekostet hatten, als jene monotonen, aber wilden Kreise im Kreise, welche man Walzer nennt. Oestreich, sonst so wenig eingenommen für den Fortschritt, hat es vollends bis zu einer an Mänadismus gränzenden Leidenschaft darin gebracht. Die Engländer halten es doch sonst auch mit der Pferdezucht, allein bei menschlichem Tanze die pferdemäßige Gallopade einzuführen, das blieb den Böhmen überlassen, die den neuen Walzer im Zweitritt erfunden haben sollen. Jn England werden diese Tänze nie einheimisch werden, weil unser Volk zu schwerfällig ist und die Berauschung in Bier und Aquavit eher in die erste beste Ecke wirft, als zu bacchantischem Taumel beflügelt. Allein in Frankreich ist diese neue wilde Tanzlust an die Stelle der verschollenen romantischen Schule getreten, ja die lezten Trümmer derselben scheinen sich in Paris mit dem Tanze verschwistert zu haben, wenn man den Wundern glauben darf, die von Müsards und Jülliens allgemeinen Entreebällen erzählt werden. Jm wilden Taumel schießen die Paare hinter einander her; die Musik, um den Tanzenden wahre Tarantelstiche zu versetzen,

an welchen die jungen Leute in Griechenland ihren Körper stärkten. Auch in die Tänze ist jedoch ein neuer Geist gefahren, und zwar von einer Seite her, wo man es am wenigsten hätte erwarten sollen. Die Deutschen haben nämlich ihre Reformation nicht so schnell verbreiten können, nachdem sie die Völker einmal gekostet hatten, als jene monotonen, aber wilden Kreise im Kreise, welche man Walzer nennt. Oestreich, sonst so wenig eingenommen für den Fortschritt, hat es vollends bis zu einer an Mänadismus gränzenden Leidenschaft darin gebracht. Die Engländer halten es doch sonst auch mit der Pferdezucht, allein bei menschlichem Tanze die pferdemäßige Gallopade einzuführen, das blieb den Böhmen überlassen, die den neuen Walzer im Zweitritt erfunden haben sollen. Jn England werden diese Tänze nie einheimisch werden, weil unser Volk zu schwerfällig ist und die Berauschung in Bier und Aquavit eher in die erste beste Ecke wirft, als zu bacchantischem Taumel beflügelt. Allein in Frankreich ist diese neue wilde Tanzlust an die Stelle der verschollenen romantischen Schule getreten, ja die lezten Trümmer derselben scheinen sich in Paris mit dem Tanze verschwistert zu haben, wenn man den Wundern glauben darf, die von Müsards und Jülliens allgemeinen Entreebällen erzählt werden. Jm wilden Taumel schießen die Paare hinter einander her; die Musik, um den Tanzenden wahre Tarantelstiche zu versetzen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="40"/>
an welchen die jungen Leute in Griechenland ihren Körper stärkten. Auch in die Tänze ist jedoch ein neuer Geist gefahren, und zwar von einer Seite her, wo man es am wenigsten hätte erwarten sollen. Die <hi rendition="#g">Deutschen</hi> haben nämlich ihre Reformation <hi rendition="#g">nicht</hi> so schnell verbreiten können, nachdem sie die Völker einmal gekostet hatten, als jene monotonen, aber wilden Kreise <hi rendition="#g">im</hi> Kreise, welche man Walzer nennt. Oestreich, sonst so wenig eingenommen für den <hi rendition="#g">Fortschritt</hi>, hat es vollends bis zu einer an Mänadismus gränzenden Leidenschaft darin gebracht. Die Engländer halten es doch sonst auch mit der Pferdezucht, allein bei menschlichem Tanze die pferdemäßige Gallopade einzuführen, das blieb den Böhmen überlassen, die den neuen Walzer im Zweitritt erfunden haben sollen. Jn England werden diese Tänze nie einheimisch werden, weil unser Volk zu schwerfällig ist und die Berauschung in Bier und Aquavit eher in die erste beste Ecke wirft, als zu bacchantischem Taumel beflügelt. Allein in Frankreich ist diese neue wilde Tanzlust an die Stelle der verschollenen <hi rendition="#g">romantischen Schule</hi> getreten, ja die lezten Trümmer derselben scheinen sich in Paris mit dem Tanze verschwistert zu haben, wenn man den Wundern glauben darf, die von <hi rendition="#g">Müsards</hi> und <hi rendition="#g">Jülliens</hi> allgemeinen Entreebällen erzählt werden. Jm wilden Taumel schießen die Paare hinter einander her; die Musik, um den Tanzenden wahre Tarantelstiche zu versetzen,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0042] an welchen die jungen Leute in Griechenland ihren Körper stärkten. Auch in die Tänze ist jedoch ein neuer Geist gefahren, und zwar von einer Seite her, wo man es am wenigsten hätte erwarten sollen. Die Deutschen haben nämlich ihre Reformation nicht so schnell verbreiten können, nachdem sie die Völker einmal gekostet hatten, als jene monotonen, aber wilden Kreise im Kreise, welche man Walzer nennt. Oestreich, sonst so wenig eingenommen für den Fortschritt, hat es vollends bis zu einer an Mänadismus gränzenden Leidenschaft darin gebracht. Die Engländer halten es doch sonst auch mit der Pferdezucht, allein bei menschlichem Tanze die pferdemäßige Gallopade einzuführen, das blieb den Böhmen überlassen, die den neuen Walzer im Zweitritt erfunden haben sollen. Jn England werden diese Tänze nie einheimisch werden, weil unser Volk zu schwerfällig ist und die Berauschung in Bier und Aquavit eher in die erste beste Ecke wirft, als zu bacchantischem Taumel beflügelt. Allein in Frankreich ist diese neue wilde Tanzlust an die Stelle der verschollenen romantischen Schule getreten, ja die lezten Trümmer derselben scheinen sich in Paris mit dem Tanze verschwistert zu haben, wenn man den Wundern glauben darf, die von Müsards und Jülliens allgemeinen Entreebällen erzählt werden. Jm wilden Taumel schießen die Paare hinter einander her; die Musik, um den Tanzenden wahre Tarantelstiche zu versetzen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/42
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/42>, abgerufen am 24.11.2024.