Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.entbehren zu können glaubt, wird sich doch immer der Wendung bedienen müssen, daß er Jnstitutionen aufzuweisen hätte, welche die Konstitution ersezten, Persönlichkeiten, welche die Garantie zur Zeit noch unnöthig machten. Wenn zwischen der Fürsten- und der Volkssouveränität die Wahrheit in der Mitte liegt, dann gibt es dafür keinen andern organischen Ausdruck, als eine Verfassung. Wenn die drei Staatsgewalten in einer wahrhaften Einheit wirken sollen, so muß es wiederum durch die Verfassung eine auf die andere können. Es ist möglich, daß die beste Staatsverfassung noch über ihrer gegenwärtigen konstitutionellen Form hinausliegt, aber daß sie durch diese hindurch muß, daß in ihr, wenn nicht die Form, doch das Wesen derselben (allein wie läßt sich Beides trennen?) muß aufgenommen seyn, steht fest. Gegen den ersten politischen Grundsatz unserer Zeit, die konstitutionelle Regierungsform, vermag nur diejenige Tendenz etwas einzuwenden, welche auch ohne Weiteres sich dem Geist der Zeit feindselig gegenüberstellt. Es kömmt aber nicht allein auf die Form an, sondern noch mehr auf den Geist, der sie belebt. Sonst würden, wie dies wohl geschieht, alle feudalen Ueberlieferungen eilen, sich hinter verfassungsmäßige Schanzen zu werfen. Die Konstitution sichert nicht Jedem das, was er hat, sondern nur das, was ihm gebührt. Unser Jahrhundert ist darin so rücksichtsvoll, daß es die hier nothwendig ins Gedräng kommende entbehren zu können glaubt, wird sich doch immer der Wendung bedienen müssen, daß er Jnstitutionen aufzuweisen hätte, welche die Konstitution ersezten, Persönlichkeiten, welche die Garantie zur Zeit noch unnöthig machten. Wenn zwischen der Fürsten- und der Volkssouveränität die Wahrheit in der Mitte liegt, dann gibt es dafür keinen andern organischen Ausdruck, als eine Verfassung. Wenn die drei Staatsgewalten in einer wahrhaften Einheit wirken sollen, so muß es wiederum durch die Verfassung eine auf die andere können. Es ist möglich, daß die beste Staatsverfassung noch über ihrer gegenwärtigen konstitutionellen Form hinausliegt, aber daß sie durch diese hindurch muß, daß in ihr, wenn nicht die Form, doch das Wesen derselben (allein wie läßt sich Beides trennen?) muß aufgenommen seyn, steht fest. Gegen den ersten politischen Grundsatz unserer Zeit, die konstitutionelle Regierungsform, vermag nur diejenige Tendenz etwas einzuwenden, welche auch ohne Weiteres sich dem Geist der Zeit feindselig gegenüberstellt. Es kömmt aber nicht allein auf die Form an, sondern noch mehr auf den Geist, der sie belebt. Sonst würden, wie dies wohl geschieht, alle feudalen Ueberlieferungen eilen, sich hinter verfassungsmäßige Schanzen zu werfen. Die Konstitution sichert nicht Jedem das, was er hat, sondern nur das, was ihm gebührt. Unser Jahrhundert ist darin so rücksichtsvoll, daß es die hier nothwendig ins Gedräng kommende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0377" n="375"/> entbehren zu können glaubt, wird sich doch immer der Wendung bedienen müssen, daß er Jnstitutionen aufzuweisen hätte, welche die Konstitution ersezten, Persönlichkeiten, welche die Garantie zur Zeit noch unnöthig machten. Wenn zwischen der Fürsten- und der Volkssouveränität die Wahrheit in der Mitte liegt, dann gibt es dafür keinen andern organischen Ausdruck, als eine Verfassung. Wenn die drei Staatsgewalten in einer wahrhaften Einheit wirken sollen, so muß es wiederum durch die Verfassung eine auf die andere können. Es ist möglich, daß die beste Staatsverfassung noch über ihrer gegenwärtigen konstitutionellen Form hinausliegt, aber daß sie durch diese hindurch muß, daß in ihr, wenn nicht die Form, doch das Wesen derselben (allein wie läßt sich Beides trennen?) muß aufgenommen seyn, steht fest. Gegen den ersten politischen Grundsatz unserer Zeit, die konstitutionelle Regierungsform, vermag nur diejenige Tendenz etwas einzuwenden, welche auch ohne Weiteres sich dem Geist der Zeit feindselig gegenüberstellt.</p> <p>Es kömmt aber nicht allein auf die Form an, sondern noch mehr auf den Geist, der sie belebt. Sonst würden, wie dies wohl geschieht, alle feudalen Ueberlieferungen eilen, sich hinter verfassungsmäßige Schanzen zu werfen. Die Konstitution sichert nicht Jedem das, was er hat, sondern nur das, was ihm gebührt. Unser Jahrhundert ist darin so rücksichtsvoll, daß es die hier nothwendig ins Gedräng kommende </p> </div> </body> </text> </TEI> [375/0377]
entbehren zu können glaubt, wird sich doch immer der Wendung bedienen müssen, daß er Jnstitutionen aufzuweisen hätte, welche die Konstitution ersezten, Persönlichkeiten, welche die Garantie zur Zeit noch unnöthig machten. Wenn zwischen der Fürsten- und der Volkssouveränität die Wahrheit in der Mitte liegt, dann gibt es dafür keinen andern organischen Ausdruck, als eine Verfassung. Wenn die drei Staatsgewalten in einer wahrhaften Einheit wirken sollen, so muß es wiederum durch die Verfassung eine auf die andere können. Es ist möglich, daß die beste Staatsverfassung noch über ihrer gegenwärtigen konstitutionellen Form hinausliegt, aber daß sie durch diese hindurch muß, daß in ihr, wenn nicht die Form, doch das Wesen derselben (allein wie läßt sich Beides trennen?) muß aufgenommen seyn, steht fest. Gegen den ersten politischen Grundsatz unserer Zeit, die konstitutionelle Regierungsform, vermag nur diejenige Tendenz etwas einzuwenden, welche auch ohne Weiteres sich dem Geist der Zeit feindselig gegenüberstellt.
Es kömmt aber nicht allein auf die Form an, sondern noch mehr auf den Geist, der sie belebt. Sonst würden, wie dies wohl geschieht, alle feudalen Ueberlieferungen eilen, sich hinter verfassungsmäßige Schanzen zu werfen. Die Konstitution sichert nicht Jedem das, was er hat, sondern nur das, was ihm gebührt. Unser Jahrhundert ist darin so rücksichtsvoll, daß es die hier nothwendig ins Gedräng kommende
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/377>, abgerufen am 16.07.2024. |