Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.verzweifelten Aufständen der Besiegten führt. Und Frankreich mit dem Spielzeug seiner neuen Eisenbahnen, mit seinen Gemäldeausstellungen und algierischen Traktaten, mit den kriegsgerichtlichen Komödien seiner eigensinnigen Generäle, mit den Verurtheilungen auf Lebenszeit und den darauf erfolgenden Amnestieakten, wohin strebt es anders, als so, wie es nach Sturm und Ungewitter einst in Napoleons Person sich mit romantischer Hingebung beruhigte, so sich auch in der Familie Orleans zu beruhigen? Zeigt uns das ganze übrige Europa nicht ein kleines, stilles, detaillirtes Treiben mit Nachklängen aus der Vergangenheit, mit Drohungen, die von ihrem Beispiel unterstüzt werden, mit kleinen Ereiferungen für die sogenannte gesetzmäßige Freiheit? Wie leicht ist hier, den nächsten Moment zu bestimmen? Wie hat selbst Rußland sich so schnell wieder in die Karten blicken lassen, und verräth uns eine Erschöpfung, die das westliche Europa von der Furcht vor den Kosaken wieder befreit hat! Hier ist nichts, das sich nicht auf einfache Weise lösen würde; selbst das Patent des Herzogs von Cumberland flößt der Reaktion kein Vertrauen und der Freiheit keine Besorgniß ein. Wenn man nach dem Momente und dem Charakter, welchen das erste Dritttheil unseres Jahrhunderts gezeigt hat, auch auf die fernere von den Grenzen des Jahrhunderts eingeschlossene Zukunft schließen will, so möcht' es, vom Arme Gottes abgesehen, nicht verzweifelten Aufständen der Besiegten führt. Und Frankreich mit dem Spielzeug seiner neuen Eisenbahnen, mit seinen Gemäldeausstellungen und algierischen Traktaten, mit den kriegsgerichtlichen Komödien seiner eigensinnigen Generäle, mit den Verurtheilungen auf Lebenszeit und den darauf erfolgenden Amnestieakten, wohin strebt es anders, als so, wie es nach Sturm und Ungewitter einst in Napoleons Person sich mit romantischer Hingebung beruhigte, so sich auch in der Familie Orleans zu beruhigen? Zeigt uns das ganze übrige Europa nicht ein kleines, stilles, detaillirtes Treiben mit Nachklängen aus der Vergangenheit, mit Drohungen, die von ihrem Beispiel unterstüzt werden, mit kleinen Ereiferungen für die sogenannte gesetzmäßige Freiheit? Wie leicht ist hier, den nächsten Moment zu bestimmen? Wie hat selbst Rußland sich so schnell wieder in die Karten blicken lassen, und verräth uns eine Erschöpfung, die das westliche Europa von der Furcht vor den Kosaken wieder befreit hat! Hier ist nichts, das sich nicht auf einfache Weise lösen würde; selbst das Patent des Herzogs von Cumberland flößt der Reaktion kein Vertrauen und der Freiheit keine Besorgniß ein. Wenn man nach dem Momente und dem Charakter, welchen das erste Dritttheil unseres Jahrhunderts gezeigt hat, auch auf die fernere von den Grenzen des Jahrhunderts eingeschlossene Zukunft schließen will, so möcht’ es, vom Arme Gottes abgesehen, nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0374" n="372"/> verzweifelten Aufständen der Besiegten führt. Und Frankreich mit dem Spielzeug seiner neuen Eisenbahnen, mit seinen Gemäldeausstellungen und algierischen Traktaten, mit den kriegsgerichtlichen Komödien seiner eigensinnigen Generäle, mit den Verurtheilungen auf Lebenszeit und den darauf erfolgenden Amnestieakten, wohin strebt es anders, als so, wie es nach Sturm und Ungewitter einst in <hi rendition="#g">Napoleons</hi> Person sich mit romantischer Hingebung beruhigte, so sich auch in der Familie <hi rendition="#g">Orleans</hi> zu beruhigen? Zeigt uns das ganze übrige Europa nicht ein kleines, stilles, detaillirtes Treiben mit Nachklängen aus der Vergangenheit, mit Drohungen, die von ihrem Beispiel unterstüzt werden, mit kleinen Ereiferungen für die sogenannte gesetzmäßige Freiheit? Wie leicht ist hier, den nächsten Moment zu bestimmen? Wie hat selbst Rußland sich so schnell wieder in die Karten blicken lassen, und verräth uns eine Erschöpfung, die das westliche Europa von der Furcht vor den Kosaken wieder befreit hat! Hier ist nichts, das sich nicht auf einfache Weise lösen würde; selbst das Patent des Herzogs von Cumberland flößt der Reaktion kein Vertrauen und der Freiheit keine Besorgniß ein.</p> <p>Wenn man nach dem Momente und dem Charakter, welchen das erste Dritttheil unseres Jahrhunderts gezeigt hat, auch auf die fernere von den Grenzen des Jahrhunderts eingeschlossene Zukunft schließen will, so möcht’ es, vom Arme Gottes abgesehen, nicht </p> </div> </body> </text> </TEI> [372/0374]
verzweifelten Aufständen der Besiegten führt. Und Frankreich mit dem Spielzeug seiner neuen Eisenbahnen, mit seinen Gemäldeausstellungen und algierischen Traktaten, mit den kriegsgerichtlichen Komödien seiner eigensinnigen Generäle, mit den Verurtheilungen auf Lebenszeit und den darauf erfolgenden Amnestieakten, wohin strebt es anders, als so, wie es nach Sturm und Ungewitter einst in Napoleons Person sich mit romantischer Hingebung beruhigte, so sich auch in der Familie Orleans zu beruhigen? Zeigt uns das ganze übrige Europa nicht ein kleines, stilles, detaillirtes Treiben mit Nachklängen aus der Vergangenheit, mit Drohungen, die von ihrem Beispiel unterstüzt werden, mit kleinen Ereiferungen für die sogenannte gesetzmäßige Freiheit? Wie leicht ist hier, den nächsten Moment zu bestimmen? Wie hat selbst Rußland sich so schnell wieder in die Karten blicken lassen, und verräth uns eine Erschöpfung, die das westliche Europa von der Furcht vor den Kosaken wieder befreit hat! Hier ist nichts, das sich nicht auf einfache Weise lösen würde; selbst das Patent des Herzogs von Cumberland flößt der Reaktion kein Vertrauen und der Freiheit keine Besorgniß ein.
Wenn man nach dem Momente und dem Charakter, welchen das erste Dritttheil unseres Jahrhunderts gezeigt hat, auch auf die fernere von den Grenzen des Jahrhunderts eingeschlossene Zukunft schließen will, so möcht’ es, vom Arme Gottes abgesehen, nicht
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/374>, abgerufen am 28.07.2024. |