Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.bestiegen den Scheiterhaufen. Waren es bis dahin nur einzelne originelle Persönlichkeiten gewesen, welche den bestehenden Verhältnissen als Opfer fielen, so hat die Philosophie, welche seit Bako in ihre großartige Bewegung kam und mehr auf die Massen, als auf die Schulen, mehr auf die Erde als den Himmel gerichtet war, vollends mit dem Bestehenden im offenbaren Widerspruche gestanden. Dieser Bruch der Philosophie, theils mit der allerdings abgelebten Geschichte, theils mit dem versteinerten Glauben, brachte sie in eine sehr schwierige Stellung, zog ihr die Feindschaft der Gewalt zu und bewahrte sie bei allem Guten, das die Geschichte, die Sitten und der Glauben ihr verdanken, doch nicht vor Uebertreibungen, welche Niemanden schädlicher waren, als ihren eigenen, inneren, auch wissenschaftlichen Zwecken. Von der heutigen Philosophie aber hat man keinen Grund mehr, gleiche Besorgnisse zu hegen. Namentlich dadurch, daß sie zuerst zu einer rationellen Wissenschaft der Geschichte gekommen ist, hat sich aus dem Schooße der Philosophie eine große Achtung vor historischen, durch die Umstände gegebenen Entwicklungen erzeugt. Die Philosophie schulmeistert die Geschichte nicht mehr, sie ist überhaupt weit mehr auf ihr inneres, spekulatives Leben bedacht, als auf eine Anwendung für die Praxis; eine Philosophie, wie die Lockische, die nur zu politischen Zwecken ersonnen wurde, ist unserer Zeit nicht mehr analog; denn für die Politik haben bestiegen den Scheiterhaufen. Waren es bis dahin nur einzelne originelle Persönlichkeiten gewesen, welche den bestehenden Verhältnissen als Opfer fielen, so hat die Philosophie, welche seit Bako in ihre großartige Bewegung kam und mehr auf die Massen, als auf die Schulen, mehr auf die Erde als den Himmel gerichtet war, vollends mit dem Bestehenden im offenbaren Widerspruche gestanden. Dieser Bruch der Philosophie, theils mit der allerdings abgelebten Geschichte, theils mit dem versteinerten Glauben, brachte sie in eine sehr schwierige Stellung, zog ihr die Feindschaft der Gewalt zu und bewahrte sie bei allem Guten, das die Geschichte, die Sitten und der Glauben ihr verdanken, doch nicht vor Uebertreibungen, welche Niemanden schädlicher waren, als ihren eigenen, inneren, auch wissenschaftlichen Zwecken. Von der heutigen Philosophie aber hat man keinen Grund mehr, gleiche Besorgnisse zu hegen. Namentlich dadurch, daß sie zuerst zu einer rationellen Wissenschaft der Geschichte gekommen ist, hat sich aus dem Schooße der Philosophie eine große Achtung vor historischen, durch die Umstände gegebenen Entwicklungen erzeugt. Die Philosophie schulmeistert die Geschichte nicht mehr, sie ist überhaupt weit mehr auf ihr inneres, spekulatives Leben bedacht, als auf eine Anwendung für die Praxis; eine Philosophie, wie die Lockische, die nur zu politischen Zwecken ersonnen wurde, ist unserer Zeit nicht mehr analog; denn für die Politik haben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0360" n="358"/> bestiegen den Scheiterhaufen. Waren es bis dahin nur einzelne originelle Persönlichkeiten gewesen, welche den bestehenden Verhältnissen als Opfer fielen, so hat die Philosophie, welche seit <hi rendition="#g">Bako</hi> in ihre großartige Bewegung kam und mehr auf die Massen, als auf die Schulen, mehr auf die Erde als den Himmel gerichtet war, vollends mit dem Bestehenden im offenbaren Widerspruche gestanden. Dieser Bruch der Philosophie, theils mit der allerdings abgelebten Geschichte, theils mit dem versteinerten Glauben, brachte sie in eine sehr schwierige Stellung, zog ihr die Feindschaft der Gewalt zu und bewahrte sie bei allem Guten, das die Geschichte, die Sitten und der Glauben ihr verdanken, doch nicht vor Uebertreibungen, welche Niemanden schädlicher waren, als ihren eigenen, inneren, auch wissenschaftlichen Zwecken. Von der heutigen Philosophie aber hat man keinen Grund mehr, gleiche Besorgnisse zu hegen. Namentlich dadurch, daß sie zuerst zu einer rationellen Wissenschaft der Geschichte gekommen ist, hat sich aus dem Schooße der Philosophie eine große Achtung vor historischen, durch die Umstände gegebenen Entwicklungen erzeugt. Die Philosophie schulmeistert die Geschichte nicht mehr, sie ist überhaupt weit mehr auf ihr inneres, spekulatives Leben bedacht, als auf eine Anwendung für die Praxis; eine Philosophie, wie die <hi rendition="#g">Lockische</hi>, die nur zu politischen Zwecken ersonnen wurde, ist unserer Zeit nicht mehr analog; denn für die Politik haben </p> </div> </body> </text> </TEI> [358/0360]
bestiegen den Scheiterhaufen. Waren es bis dahin nur einzelne originelle Persönlichkeiten gewesen, welche den bestehenden Verhältnissen als Opfer fielen, so hat die Philosophie, welche seit Bako in ihre großartige Bewegung kam und mehr auf die Massen, als auf die Schulen, mehr auf die Erde als den Himmel gerichtet war, vollends mit dem Bestehenden im offenbaren Widerspruche gestanden. Dieser Bruch der Philosophie, theils mit der allerdings abgelebten Geschichte, theils mit dem versteinerten Glauben, brachte sie in eine sehr schwierige Stellung, zog ihr die Feindschaft der Gewalt zu und bewahrte sie bei allem Guten, das die Geschichte, die Sitten und der Glauben ihr verdanken, doch nicht vor Uebertreibungen, welche Niemanden schädlicher waren, als ihren eigenen, inneren, auch wissenschaftlichen Zwecken. Von der heutigen Philosophie aber hat man keinen Grund mehr, gleiche Besorgnisse zu hegen. Namentlich dadurch, daß sie zuerst zu einer rationellen Wissenschaft der Geschichte gekommen ist, hat sich aus dem Schooße der Philosophie eine große Achtung vor historischen, durch die Umstände gegebenen Entwicklungen erzeugt. Die Philosophie schulmeistert die Geschichte nicht mehr, sie ist überhaupt weit mehr auf ihr inneres, spekulatives Leben bedacht, als auf eine Anwendung für die Praxis; eine Philosophie, wie die Lockische, die nur zu politischen Zwecken ersonnen wurde, ist unserer Zeit nicht mehr analog; denn für die Politik haben
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/360>, abgerufen am 16.02.2025. |