Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.tritt uns zuerst im Betreff der Wissenschaft selbst ein großes Ergebniß entgegen. Mag der Kampf einzelner Tonangeber in der Philosophie gegen ihre Rivale auf Tod und Leben gerichtet seyn, die erste Generation ihrer Schüler wird den Fanatismus theilen, die zweite aber schon nach einer Versöhnung trachten. Der Hauptgrund des Zwiespaltes ist fast immer die Methode und auch diese nicht einmal in dem Grade, daß man nicht behaupten dürfe, der nüchterne verstandesmäßige Skeptizismus z. B. wäre überall abgeschärft, bei den Schotten, weil sie ja gegen Hume auftraten, bei den Franzosen, die gegen die Schotten die Metaphysik geltend machen wollen und nun erst gar bei den Deutschen, einer Nation, die sich für das Auge Gottes selber hält. Einer der mächtigsten Gründe schon, welcher die zeitgenössische Philosophie zur Eintracht führen muß, liegt in der offenen gelichteten Fernsicht, welche unsere Zeit in der Geschichte der Philosophie gewonnen hat. Welches neue philosophische System würde sich noch so plump ankündigen, daß es die ganze philosophische Vergangenheit mit dem Fuße von sich stieße, und nicht vielmehr, wie in ihrem eigenen Ahnensaale mit stummem Ernste wandelte, und jeder Säule, jedem Bildniß eine sinnige Betrachtung zuwendete! Faßten diese hohen Denker nicht meist alle Alles zusammen, was zu ihrer Zeit zu denken würdig und zu wissen möglich war? Stehen an der Spitze der tritt uns zuerst im Betreff der Wissenschaft selbst ein großes Ergebniß entgegen. Mag der Kampf einzelner Tonangeber in der Philosophie gegen ihre Rivale auf Tod und Leben gerichtet seyn, die erste Generation ihrer Schüler wird den Fanatismus theilen, die zweite aber schon nach einer Versöhnung trachten. Der Hauptgrund des Zwiespaltes ist fast immer die Methode und auch diese nicht einmal in dem Grade, daß man nicht behaupten dürfe, der nüchterne verstandesmäßige Skeptizismus z. B. wäre überall abgeschärft, bei den Schotten, weil sie ja gegen Hume auftraten, bei den Franzosen, die gegen die Schotten die Metaphysik geltend machen wollen und nun erst gar bei den Deutschen, einer Nation, die sich für das Auge Gottes selber hält. Einer der mächtigsten Gründe schon, welcher die zeitgenössische Philosophie zur Eintracht führen muß, liegt in der offenen gelichteten Fernsicht, welche unsere Zeit in der Geschichte der Philosophie gewonnen hat. Welches neue philosophische System würde sich noch so plump ankündigen, daß es die ganze philosophische Vergangenheit mit dem Fuße von sich stieße, und nicht vielmehr, wie in ihrem eigenen Ahnensaale mit stummem Ernste wandelte, und jeder Säule, jedem Bildniß eine sinnige Betrachtung zuwendete! Faßten diese hohen Denker nicht meist alle Alles zusammen, was zu ihrer Zeit zu denken würdig und zu wissen möglich war? Stehen an der Spitze der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0358" n="356"/> tritt uns zuerst im Betreff der Wissenschaft selbst ein großes Ergebniß entgegen.</p> <p>Mag der Kampf einzelner Tonangeber in der Philosophie gegen ihre Rivale auf Tod und Leben gerichtet seyn, die erste Generation ihrer Schüler wird den Fanatismus theilen, die zweite aber schon nach einer Versöhnung trachten. Der Hauptgrund des Zwiespaltes ist fast immer die Methode und auch diese nicht einmal in dem Grade, daß man nicht behaupten dürfe, der nüchterne verstandesmäßige Skeptizismus z. B. wäre überall abgeschärft, bei den Schotten, weil sie ja gegen <hi rendition="#g">Hume</hi> auftraten, bei den Franzosen, die gegen die Schotten die Metaphysik geltend machen wollen und nun erst gar bei den Deutschen, einer Nation, die sich für das Auge Gottes selber hält. Einer der mächtigsten Gründe schon, welcher die zeitgenössische Philosophie zur Eintracht führen muß, liegt in der offenen gelichteten Fernsicht, welche unsere Zeit in der Geschichte der Philosophie gewonnen hat. Welches neue philosophische System würde sich noch so plump ankündigen, daß es die ganze philosophische Vergangenheit mit dem Fuße von sich stieße, und nicht vielmehr, wie in ihrem eigenen Ahnensaale mit stummem Ernste wandelte, und jeder Säule, jedem Bildniß eine sinnige Betrachtung zuwendete! Faßten diese hohen Denker nicht meist alle Alles zusammen, was zu ihrer Zeit zu denken würdig und zu wissen möglich war? Stehen an der Spitze der </p> </div> </body> </text> </TEI> [356/0358]
tritt uns zuerst im Betreff der Wissenschaft selbst ein großes Ergebniß entgegen.
Mag der Kampf einzelner Tonangeber in der Philosophie gegen ihre Rivale auf Tod und Leben gerichtet seyn, die erste Generation ihrer Schüler wird den Fanatismus theilen, die zweite aber schon nach einer Versöhnung trachten. Der Hauptgrund des Zwiespaltes ist fast immer die Methode und auch diese nicht einmal in dem Grade, daß man nicht behaupten dürfe, der nüchterne verstandesmäßige Skeptizismus z. B. wäre überall abgeschärft, bei den Schotten, weil sie ja gegen Hume auftraten, bei den Franzosen, die gegen die Schotten die Metaphysik geltend machen wollen und nun erst gar bei den Deutschen, einer Nation, die sich für das Auge Gottes selber hält. Einer der mächtigsten Gründe schon, welcher die zeitgenössische Philosophie zur Eintracht führen muß, liegt in der offenen gelichteten Fernsicht, welche unsere Zeit in der Geschichte der Philosophie gewonnen hat. Welches neue philosophische System würde sich noch so plump ankündigen, daß es die ganze philosophische Vergangenheit mit dem Fuße von sich stieße, und nicht vielmehr, wie in ihrem eigenen Ahnensaale mit stummem Ernste wandelte, und jeder Säule, jedem Bildniß eine sinnige Betrachtung zuwendete! Faßten diese hohen Denker nicht meist alle Alles zusammen, was zu ihrer Zeit zu denken würdig und zu wissen möglich war? Stehen an der Spitze der
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/358>, abgerufen am 16.07.2024. |