Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Humanitätsrücksichten, oder durch einen Pragmatismus, der sich hier politisch, dort mehr schön-geistig äußert. Jn dem engern Gebiet der Weltgeschichte selbst hat einstweilen noch die Charakteristik und die synoptische Behandlung eine harmonische Regelung des Stoffes erzielt, namentlich hat in neuerer Zeit durch das Memoire sich ein eigenes Jnkarnat auf die Haut der Geschichte gelegt, und ihr dies schöne, verlockende Ansehen gegeben, welches sich in einigen Werken der neuern französischen Geschichtschreibung so reizend ausprägt. Es scheint, als wenn das, was der Franzose lumieres nennt, also die geistreiche, vorurtheilsfreie Weltbildung hauptsächlich sich noch bis jezt am glücklichsten in der Bewältigung der Historie bewähren konnte. Es scheinen außerordentliche weltliche Kenntnisse und die reichsten Erfahrungen innerhalb des höheren Staatslebens dazu zu gehören, daß einer jezt den Stoff, den er zuvor als Gelehrter sich zuzurichten wußte, auch als Historiker auf ansprechende Weise überwindet. Ob unter diesen Umständen sich auch nicht für die Geschichte die nachtheiligen Folgen äußern werden, welche die nur bloß geistreiche Virtuosität zu begleiten pflegen, das muß die Zukunft entscheiden. Jnzwischen haben in den Hilfs- und Nebenwissenschaften der Historie die kritischen Jntensionen sich zwar erhalten, aber gemäßigt, ja auch eine Einheit für die Behandlung im Ganzen und Großen hat sich ergeben, wenn auch nur eine praktische Humanitätsrücksichten, oder durch einen Pragmatismus, der sich hier politisch, dort mehr schön-geistig äußert. Jn dem engern Gebiet der Weltgeschichte selbst hat einstweilen noch die Charakteristik und die synoptische Behandlung eine harmonische Regelung des Stoffes erzielt, namentlich hat in neuerer Zeit durch das Memoire sich ein eigenes Jnkarnat auf die Haut der Geschichte gelegt, und ihr dies schöne, verlockende Ansehen gegeben, welches sich in einigen Werken der neuern französischen Geschichtschreibung so reizend ausprägt. Es scheint, als wenn das, was der Franzose lumières nennt, also die geistreiche, vorurtheilsfreie Weltbildung hauptsächlich sich noch bis jezt am glücklichsten in der Bewältigung der Historie bewähren konnte. Es scheinen außerordentliche weltliche Kenntnisse und die reichsten Erfahrungen innerhalb des höheren Staatslebens dazu zu gehören, daß einer jezt den Stoff, den er zuvor als Gelehrter sich zuzurichten wußte, auch als Historiker auf ansprechende Weise überwindet. Ob unter diesen Umständen sich auch nicht für die Geschichte die nachtheiligen Folgen äußern werden, welche die nur bloß geistreiche Virtuosität zu begleiten pflegen, das muß die Zukunft entscheiden. Jnzwischen haben in den Hilfs- und Nebenwissenschaften der Historie die kritischen Jntensionen sich zwar erhalten, aber gemäßigt, ja auch eine Einheit für die Behandlung im Ganzen und Großen hat sich ergeben, wenn auch nur eine praktische <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0345" n="343"/> Humanitätsrücksichten, oder durch einen Pragmatismus, der sich hier politisch, dort mehr schön-geistig äußert. Jn dem engern Gebiet der Weltgeschichte selbst hat einstweilen noch die Charakteristik und die synoptische Behandlung eine harmonische Regelung des Stoffes erzielt, namentlich hat in neuerer Zeit durch das <hi rendition="#g">Memoire</hi> sich ein eigenes Jnkarnat auf die Haut der Geschichte gelegt, und ihr dies schöne, verlockende Ansehen gegeben, welches sich in einigen Werken der neuern französischen Geschichtschreibung so reizend ausprägt. Es scheint, als wenn das, was der Franzose <hi rendition="#aq">lumières</hi> nennt, also die geistreiche, vorurtheilsfreie Weltbildung hauptsächlich sich noch bis jezt am glücklichsten in der Bewältigung der Historie bewähren konnte. Es scheinen außerordentliche weltliche Kenntnisse und die reichsten Erfahrungen innerhalb des höheren Staatslebens dazu zu gehören, daß einer jezt den Stoff, den er zuvor als Gelehrter sich zuzurichten wußte, auch als Historiker auf ansprechende Weise überwindet. Ob unter diesen Umständen sich auch nicht für die Geschichte die nachtheiligen Folgen äußern werden, welche die nur bloß <hi rendition="#g">geistreiche Virtuosität</hi> zu begleiten pflegen, das muß die Zukunft entscheiden. Jnzwischen haben in den Hilfs- und Nebenwissenschaften der Historie die kritischen Jntensionen sich zwar erhalten, aber gemäßigt, ja auch eine Einheit für die Behandlung im Ganzen und Großen hat sich ergeben, wenn auch nur eine praktische </p> </div> </body> </text> </TEI> [343/0345]
Humanitätsrücksichten, oder durch einen Pragmatismus, der sich hier politisch, dort mehr schön-geistig äußert. Jn dem engern Gebiet der Weltgeschichte selbst hat einstweilen noch die Charakteristik und die synoptische Behandlung eine harmonische Regelung des Stoffes erzielt, namentlich hat in neuerer Zeit durch das Memoire sich ein eigenes Jnkarnat auf die Haut der Geschichte gelegt, und ihr dies schöne, verlockende Ansehen gegeben, welches sich in einigen Werken der neuern französischen Geschichtschreibung so reizend ausprägt. Es scheint, als wenn das, was der Franzose lumières nennt, also die geistreiche, vorurtheilsfreie Weltbildung hauptsächlich sich noch bis jezt am glücklichsten in der Bewältigung der Historie bewähren konnte. Es scheinen außerordentliche weltliche Kenntnisse und die reichsten Erfahrungen innerhalb des höheren Staatslebens dazu zu gehören, daß einer jezt den Stoff, den er zuvor als Gelehrter sich zuzurichten wußte, auch als Historiker auf ansprechende Weise überwindet. Ob unter diesen Umständen sich auch nicht für die Geschichte die nachtheiligen Folgen äußern werden, welche die nur bloß geistreiche Virtuosität zu begleiten pflegen, das muß die Zukunft entscheiden. Jnzwischen haben in den Hilfs- und Nebenwissenschaften der Historie die kritischen Jntensionen sich zwar erhalten, aber gemäßigt, ja auch eine Einheit für die Behandlung im Ganzen und Großen hat sich ergeben, wenn auch nur eine praktische
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/345>, abgerufen am 16.02.2025. |