Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.einen Himmel, nämlich die Beförderung, - ein solcher Mann soll nun ein Urtheil über deine Schrift abgeben, er soll wissen, wie hoch man in dieser oder jener Streitfrage, die ihm kaum dem Namen nach bekannt ist, die Saiten spannen darf; er soll überdies unparteilich seyn, wo gerade die Juristen die exklusivsten Menschen von der Welt sind und Beamte sich gewöhnt haben, alles, was nicht unmittelbar mit dem Staat zusammenhängt, gleichgültig und nicht selten feindlich zu behandeln. Die literarische Debatte hat ihre Stichwörter, der Zensor versteht sie nicht; sie hat ihre Prämissen, der Zensor kennt sie nicht und streicht ihre Konsequenzen. Meinem Gegner war durch irgend eine tolerante Zensur gestattet, mich einen Verläumder zu nennen und mir will man nicht erlauben, einen Narren darauf zu setzen. Der Zensor ist selten in dem Gebiet zu Haus, wofür er als Wächter vom Staat eingesezt ist und dies ist um so schädlicher und drückender, als gerade in unserer Zeit die meisten Wissenschaften und übrigen Literaturfächer in ihrem eigenen Bereiche viel innerliches und zum Theil der Schule noch speziell angehörendes Leben entwickeln. Die negative Richtung des Gedankens ist doch einmal da; die Debatte bewegt sich einmal in dem Widerspruche gegen das Gegebene, und welcher Zensor wäre tiefblickend genug, um an einem Produkte, das einmal im Gewande des Tages auftritt, das Hervordämmernde, Bessere und Goldhaltige zu entdecken? einen Himmel, nämlich die Beförderung, – ein solcher Mann soll nun ein Urtheil über deine Schrift abgeben, er soll wissen, wie hoch man in dieser oder jener Streitfrage, die ihm kaum dem Namen nach bekannt ist, die Saiten spannen darf; er soll überdies unparteilich seyn, wo gerade die Juristen die exklusivsten Menschen von der Welt sind und Beamte sich gewöhnt haben, alles, was nicht unmittelbar mit dem Staat zusammenhängt, gleichgültig und nicht selten feindlich zu behandeln. Die literarische Debatte hat ihre Stichwörter, der Zensor versteht sie nicht; sie hat ihre Prämissen, der Zensor kennt sie nicht und streicht ihre Konsequenzen. Meinem Gegner war durch irgend eine tolerante Zensur gestattet, mich einen Verläumder zu nennen und mir will man nicht erlauben, einen Narren darauf zu setzen. Der Zensor ist selten in dem Gebiet zu Haus, wofür er als Wächter vom Staat eingesezt ist und dies ist um so schädlicher und drückender, als gerade in unserer Zeit die meisten Wissenschaften und übrigen Literaturfächer in ihrem eigenen Bereiche viel innerliches und zum Theil der Schule noch speziell angehörendes Leben entwickeln. Die negative Richtung des Gedankens ist doch einmal da; die Debatte bewegt sich einmal in dem Widerspruche gegen das Gegebene, und welcher Zensor wäre tiefblickend genug, um an einem Produkte, das einmal im Gewande des Tages auftritt, das Hervordämmernde, Bessere und Goldhaltige zu entdecken? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0315" n="313"/> einen Himmel, nämlich die Beförderung, – ein solcher Mann soll nun ein Urtheil über deine Schrift abgeben, er soll wissen, wie hoch man in dieser oder jener Streitfrage, die ihm kaum dem Namen nach bekannt ist, die Saiten spannen darf; er soll überdies unparteilich seyn, wo gerade die Juristen die exklusivsten Menschen von der Welt sind und Beamte sich gewöhnt haben, alles, was nicht unmittelbar mit dem Staat zusammenhängt, gleichgültig und nicht selten feindlich zu behandeln. Die literarische Debatte hat ihre Stichwörter, der Zensor versteht sie nicht; sie hat ihre Prämissen, der Zensor kennt sie nicht und streicht ihre Konsequenzen. Meinem Gegner war durch irgend eine tolerante Zensur gestattet, mich einen Verläumder zu nennen und mir will man nicht erlauben, einen Narren <hi rendition="#g">darauf</hi> zu setzen. Der Zensor ist selten in dem Gebiet zu Haus, wofür er als Wächter vom Staat eingesezt ist und dies ist um so schädlicher und drückender, als gerade in unserer Zeit die meisten Wissenschaften und übrigen Literaturfächer in ihrem eigenen Bereiche viel innerliches und zum Theil der Schule noch speziell angehörendes Leben entwickeln. Die negative Richtung des Gedankens ist doch einmal da; die Debatte bewegt sich einmal in dem Widerspruche gegen das Gegebene, und welcher Zensor wäre tiefblickend genug, um an einem Produkte, das einmal im Gewande des Tages auftritt, das Hervordämmernde, Bessere und Goldhaltige zu entdecken? </p> </div> </body> </text> </TEI> [313/0315]
einen Himmel, nämlich die Beförderung, – ein solcher Mann soll nun ein Urtheil über deine Schrift abgeben, er soll wissen, wie hoch man in dieser oder jener Streitfrage, die ihm kaum dem Namen nach bekannt ist, die Saiten spannen darf; er soll überdies unparteilich seyn, wo gerade die Juristen die exklusivsten Menschen von der Welt sind und Beamte sich gewöhnt haben, alles, was nicht unmittelbar mit dem Staat zusammenhängt, gleichgültig und nicht selten feindlich zu behandeln. Die literarische Debatte hat ihre Stichwörter, der Zensor versteht sie nicht; sie hat ihre Prämissen, der Zensor kennt sie nicht und streicht ihre Konsequenzen. Meinem Gegner war durch irgend eine tolerante Zensur gestattet, mich einen Verläumder zu nennen und mir will man nicht erlauben, einen Narren darauf zu setzen. Der Zensor ist selten in dem Gebiet zu Haus, wofür er als Wächter vom Staat eingesezt ist und dies ist um so schädlicher und drückender, als gerade in unserer Zeit die meisten Wissenschaften und übrigen Literaturfächer in ihrem eigenen Bereiche viel innerliches und zum Theil der Schule noch speziell angehörendes Leben entwickeln. Die negative Richtung des Gedankens ist doch einmal da; die Debatte bewegt sich einmal in dem Widerspruche gegen das Gegebene, und welcher Zensor wäre tiefblickend genug, um an einem Produkte, das einmal im Gewande des Tages auftritt, das Hervordämmernde, Bessere und Goldhaltige zu entdecken?
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/315>, abgerufen am 16.07.2024. |