Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.den Staat, der unter den Einflüssen dieser Anarchie selber leiden muß, so sollte man sich überzeugen, daß endlich die Zeit gekommen ist, die Presse in ihrem Wesen und ihrer Bestimmung fest ins Auge zu fassen und ihr eine eben so organische Freiheit, wie organische Nothwendigkeit zu geben; daß z. B. die Presse vom Völkerrechte ausgeschlossen wird, ist eine jämmerliche Jnkonsequenz unseres so eifrig nach Recht und Ordnung strebenden Zeitalters. Warum sollte es nicht möglich seyn, die Presse ihrem Jnhalte nach an den Staat, der Form nach an die Sprache zu binden? Amerika druckt in einer einzigen Zeitung wörtlich einen kaum in London erschienenen Roman ab; belgische Nachdrücke werden durch Diebstahl in den Pariser Offizinen oft früher zur Erscheinung reif, als das Original in Paris. Jst eine solche Verletzung des Völkerrechts und der Völkermoral in einem Jahrhundert möglich, wo nicht nur die Philosophen, sondern auch die Fürsten angefangen haben, über die Möglichkeit eines ewigen Friedens zu träumen? So lange sich das Gewissen der Gesetzgebungen nicht gegen diese Gewaltthätigkeiten empört, wollen wir auch nicht glauben, daß unser Zeitalter schon reif genug ist, um angesehen zu werden, als emanzipirt aus den Zeiten des Faustrechts. Aus einer gründlichen Deduktion des Begriffes der Presse würden sich auch die allein wahren Grundsätze über die Freiheit und Beschränkung derselben den Staat, der unter den Einflüssen dieser Anarchie selber leiden muß, so sollte man sich überzeugen, daß endlich die Zeit gekommen ist, die Presse in ihrem Wesen und ihrer Bestimmung fest ins Auge zu fassen und ihr eine eben so organische Freiheit, wie organische Nothwendigkeit zu geben; daß z. B. die Presse vom Völkerrechte ausgeschlossen wird, ist eine jämmerliche Jnkonsequenz unseres so eifrig nach Recht und Ordnung strebenden Zeitalters. Warum sollte es nicht möglich seyn, die Presse ihrem Jnhalte nach an den Staat, der Form nach an die Sprache zu binden? Amerika druckt in einer einzigen Zeitung wörtlich einen kaum in London erschienenen Roman ab; belgische Nachdrücke werden durch Diebstahl in den Pariser Offizinen oft früher zur Erscheinung reif, als das Original in Paris. Jst eine solche Verletzung des Völkerrechts und der Völkermoral in einem Jahrhundert möglich, wo nicht nur die Philosophen, sondern auch die Fürsten angefangen haben, über die Möglichkeit eines ewigen Friedens zu träumen? So lange sich das Gewissen der Gesetzgebungen nicht gegen diese Gewaltthätigkeiten empört, wollen wir auch nicht glauben, daß unser Zeitalter schon reif genug ist, um angesehen zu werden, als emanzipirt aus den Zeiten des Faustrechts. Aus einer gründlichen Deduktion des Begriffes der Presse würden sich auch die allein wahren Grundsätze über die Freiheit und Beschränkung derselben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0311" n="309"/> den Staat, der unter den Einflüssen dieser Anarchie selber leiden muß, so sollte man sich überzeugen, daß endlich die Zeit gekommen ist, die Presse in ihrem Wesen und ihrer Bestimmung fest ins Auge zu fassen und ihr eine eben so organische Freiheit, wie organische Nothwendigkeit zu geben; daß z. B. die Presse vom Völkerrechte ausgeschlossen wird, ist eine jämmerliche Jnkonsequenz unseres so eifrig nach Recht und Ordnung strebenden Zeitalters. Warum sollte es nicht möglich seyn, die Presse ihrem Jnhalte nach an den Staat, der Form nach an die Sprache zu binden? Amerika druckt in einer einzigen Zeitung wörtlich einen kaum in London erschienenen Roman ab; belgische Nachdrücke werden durch Diebstahl in den Pariser Offizinen oft früher zur Erscheinung reif, als das Original in Paris. Jst eine solche Verletzung des Völkerrechts und der <hi rendition="#g">Völkermoral</hi> in einem Jahrhundert möglich, wo nicht nur die Philosophen, sondern auch die Fürsten angefangen haben, über die Möglichkeit eines ewigen Friedens zu träumen? So lange sich das Gewissen der Gesetzgebungen nicht gegen diese Gewaltthätigkeiten empört, wollen wir auch nicht glauben, daß unser Zeitalter schon reif genug ist, um angesehen zu werden, als emanzipirt aus den Zeiten des Faustrechts.</p> <p>Aus einer gründlichen Deduktion des Begriffes der Presse würden sich auch die allein wahren Grundsätze über die Freiheit und Beschränkung derselben </p> </div> </body> </text> </TEI> [309/0311]
den Staat, der unter den Einflüssen dieser Anarchie selber leiden muß, so sollte man sich überzeugen, daß endlich die Zeit gekommen ist, die Presse in ihrem Wesen und ihrer Bestimmung fest ins Auge zu fassen und ihr eine eben so organische Freiheit, wie organische Nothwendigkeit zu geben; daß z. B. die Presse vom Völkerrechte ausgeschlossen wird, ist eine jämmerliche Jnkonsequenz unseres so eifrig nach Recht und Ordnung strebenden Zeitalters. Warum sollte es nicht möglich seyn, die Presse ihrem Jnhalte nach an den Staat, der Form nach an die Sprache zu binden? Amerika druckt in einer einzigen Zeitung wörtlich einen kaum in London erschienenen Roman ab; belgische Nachdrücke werden durch Diebstahl in den Pariser Offizinen oft früher zur Erscheinung reif, als das Original in Paris. Jst eine solche Verletzung des Völkerrechts und der Völkermoral in einem Jahrhundert möglich, wo nicht nur die Philosophen, sondern auch die Fürsten angefangen haben, über die Möglichkeit eines ewigen Friedens zu träumen? So lange sich das Gewissen der Gesetzgebungen nicht gegen diese Gewaltthätigkeiten empört, wollen wir auch nicht glauben, daß unser Zeitalter schon reif genug ist, um angesehen zu werden, als emanzipirt aus den Zeiten des Faustrechts.
Aus einer gründlichen Deduktion des Begriffes der Presse würden sich auch die allein wahren Grundsätze über die Freiheit und Beschränkung derselben
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/311>, abgerufen am 16.02.2025. |