Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.größere Rücksicht auf das Jnteresse doch auch einen seltenen Aufwand poetischer Kraft und erfordert sie wenigstens. Je gesteigerter der poetische Zweck ist, desto kunstvoller die Ausführung. Allein in der Musik kann die Leidenschaft keine Erfinderin neuer Schönheitswendungen seyn. Wir finden bei französischen Komponisten namentlich, daß sie es allerdings verstehen, der Musik einen dramatischen Effekt zu geben, allein der innere Werth der Musik ist dadurch nicht gesteigert; im Gegentheil werden die zarten Verschlingungen der Melodie bei diesen Komponisten gewöhnlich nur noch Rhapsodien einiger scharfausgestoßener Naturlaute. Lust und Schmerz, wilde Begierde und jede Leidenschaft kommen hier so zum Ausbruch, daß der Komponist durch einige den Charakter dieser Leidenschaft tragende Noten allein schon ihren Effekt ausdrückt. So mußte die Oper freilich sehr populär werden, mußte fast alle musikalische Bildung in ihre Strömung ziehen; allein der Werth der Musik verlor darunter. Es ist wahr, die wilden, bei bewundernswürdiger Einfachheit doch so viel wirkenden Naturlaute in den französischen Opern machen einen ganz eigenen Eindruck; aber nicht selten ist der Geist dieser Töne ein gemeiner und von mancher berühmten Melodie Aubers und Herolds liegt in der That der Gassenhauer nicht weit entfernt. Man muß unter diesen Umständen an der italienischen Musik anerkennen, daß sie uns das musikalische Element größere Rücksicht auf das Jnteresse doch auch einen seltenen Aufwand poetischer Kraft und erfordert sie wenigstens. Je gesteigerter der poetische Zweck ist, desto kunstvoller die Ausführung. Allein in der Musik kann die Leidenschaft keine Erfinderin neuer Schönheitswendungen seyn. Wir finden bei französischen Komponisten namentlich, daß sie es allerdings verstehen, der Musik einen dramatischen Effekt zu geben, allein der innere Werth der Musik ist dadurch nicht gesteigert; im Gegentheil werden die zarten Verschlingungen der Melodie bei diesen Komponisten gewöhnlich nur noch Rhapsodien einiger scharfausgestoßener Naturlaute. Lust und Schmerz, wilde Begierde und jede Leidenschaft kommen hier so zum Ausbruch, daß der Komponist durch einige den Charakter dieser Leidenschaft tragende Noten allein schon ihren Effekt ausdrückt. So mußte die Oper freilich sehr populär werden, mußte fast alle musikalische Bildung in ihre Strömung ziehen; allein der Werth der Musik verlor darunter. Es ist wahr, die wilden, bei bewundernswürdiger Einfachheit doch so viel wirkenden Naturlaute in den französischen Opern machen einen ganz eigenen Eindruck; aber nicht selten ist der Geist dieser Töne ein gemeiner und von mancher berühmten Melodie Aubers und Herolds liegt in der That der Gassenhauer nicht weit entfernt. Man muß unter diesen Umständen an der italienischen Musik anerkennen, daß sie uns das musikalische Element <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0277" n="275"/> größere Rücksicht auf das Jnteresse doch auch einen seltenen Aufwand poetischer Kraft und erfordert sie wenigstens. Je gesteigerter der poetische Zweck ist, desto kunstvoller die Ausführung.</p> <p>Allein in der Musik kann die Leidenschaft keine Erfinderin neuer Schönheitswendungen seyn. Wir finden bei französischen Komponisten namentlich, daß sie es allerdings verstehen, der Musik einen dramatischen Effekt zu geben, allein der innere Werth der Musik ist dadurch nicht gesteigert; im Gegentheil werden die zarten Verschlingungen der Melodie bei diesen Komponisten gewöhnlich nur noch Rhapsodien einiger scharfausgestoßener Naturlaute. Lust und Schmerz, wilde Begierde und jede Leidenschaft kommen hier so zum Ausbruch, daß der Komponist durch einige den Charakter dieser Leidenschaft tragende Noten allein schon ihren Effekt ausdrückt. So mußte die Oper freilich sehr populär werden, mußte fast alle musikalische Bildung in ihre Strömung ziehen; allein der Werth der Musik verlor darunter. Es ist wahr, die wilden, bei bewundernswürdiger Einfachheit doch so viel wirkenden Naturlaute in den französischen Opern machen einen ganz eigenen Eindruck; aber nicht selten ist der Geist dieser Töne ein gemeiner und von mancher berühmten Melodie <hi rendition="#g">Aubers</hi> und <hi rendition="#g">Herolds</hi> liegt in der That der Gassenhauer nicht weit entfernt. Man muß unter diesen Umständen an der italienischen Musik anerkennen, daß sie uns das musikalische Element </p> </div> </body> </text> </TEI> [275/0277]
größere Rücksicht auf das Jnteresse doch auch einen seltenen Aufwand poetischer Kraft und erfordert sie wenigstens. Je gesteigerter der poetische Zweck ist, desto kunstvoller die Ausführung.
Allein in der Musik kann die Leidenschaft keine Erfinderin neuer Schönheitswendungen seyn. Wir finden bei französischen Komponisten namentlich, daß sie es allerdings verstehen, der Musik einen dramatischen Effekt zu geben, allein der innere Werth der Musik ist dadurch nicht gesteigert; im Gegentheil werden die zarten Verschlingungen der Melodie bei diesen Komponisten gewöhnlich nur noch Rhapsodien einiger scharfausgestoßener Naturlaute. Lust und Schmerz, wilde Begierde und jede Leidenschaft kommen hier so zum Ausbruch, daß der Komponist durch einige den Charakter dieser Leidenschaft tragende Noten allein schon ihren Effekt ausdrückt. So mußte die Oper freilich sehr populär werden, mußte fast alle musikalische Bildung in ihre Strömung ziehen; allein der Werth der Musik verlor darunter. Es ist wahr, die wilden, bei bewundernswürdiger Einfachheit doch so viel wirkenden Naturlaute in den französischen Opern machen einen ganz eigenen Eindruck; aber nicht selten ist der Geist dieser Töne ein gemeiner und von mancher berühmten Melodie Aubers und Herolds liegt in der That der Gassenhauer nicht weit entfernt. Man muß unter diesen Umständen an der italienischen Musik anerkennen, daß sie uns das musikalische Element
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/277 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/277>, abgerufen am 16.02.2025. |