Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Napoleon nicht zu klein? Und wie, wenn man dem kleinen Thiers eine Bildsäule setzen wollte? Mit der schönen Gestalt des Herzogs von Wellington hat man sich insofern geholfen, als man seine erhabene Person ganz umging und statt seiner, wenn auch zu seinen Ehren, einen Achilles hinstellte. Was werden aber die Künstler mit Louis Philipp machen? Hier würde ein Mantelüberwurf auch nicht helfen; denn sein Fehler ist nicht die Magerkeit, sondern die Beleibtheit. Würde sich der starke, gefärbte Backenbart des Königs der Franzosen und die kolossale Birnenperücke in Erz oder Marmor gut ausnehmen? Die Bildhauer sind in einer mißlichen Lage. Einmal nehmen die großen Verdienste der Menschen ab und die Unsterblichkeit überträgt sich mehr auf die Massen, als die Jndividuen, und dann ist der Stoff, den sie verherrlichen sollen, gewöhnlich so geschmacklos! Für gewöhnlich müssen sie sich also mit dem traurigen Geschäfte begnügen, Kenotaphien zu meißeln und Büsten nach Todtenmasken. Die Werkstätte manches Bildhauers sieht auch wie ein Gewölbe aus, wo man Särge kauft.

Weit höher als die beiden früheren Künste hat sich die Malerei geschwungen. Jhr Gedeihen war so üppig, daß eine Menge von Wucherzweigen aus ihrem Stamm hervorschoß: Kupferstecherkunst, Lithographie, Lithochromie, Xylographie u. s. w. Die Malerei mit den ihr verwandten Zeichnungskünsten wetteifert fast

Napoleon nicht zu klein? Und wie, wenn man dem kleinen Thiers eine Bildsäule setzen wollte? Mit der schönen Gestalt des Herzogs von Wellington hat man sich insofern geholfen, als man seine erhabene Person ganz umging und statt seiner, wenn auch zu seinen Ehren, einen Achilles hinstellte. Was werden aber die Künstler mit Louis Philipp machen? Hier würde ein Mantelüberwurf auch nicht helfen; denn sein Fehler ist nicht die Magerkeit, sondern die Beleibtheit. Würde sich der starke, gefärbte Backenbart des Königs der Franzosen und die kolossale Birnenperücke in Erz oder Marmor gut ausnehmen? Die Bildhauer sind in einer mißlichen Lage. Einmal nehmen die großen Verdienste der Menschen ab und die Unsterblichkeit überträgt sich mehr auf die Massen, als die Jndividuen, und dann ist der Stoff, den sie verherrlichen sollen, gewöhnlich so geschmacklos! Für gewöhnlich müssen sie sich also mit dem traurigen Geschäfte begnügen, Kenotaphien zu meißeln und Büsten nach Todtenmasken. Die Werkstätte manches Bildhauers sieht auch wie ein Gewölbe aus, wo man Särge kauft.

Weit höher als die beiden früheren Künste hat sich die Malerei geschwungen. Jhr Gedeihen war so üppig, daß eine Menge von Wucherzweigen aus ihrem Stamm hervorschoß: Kupferstecherkunst, Lithographie, Lithochromie, Xylographie u. s. w. Die Malerei mit den ihr verwandten Zeichnungskünsten wetteifert fast

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="270"/><hi rendition="#g">Napoleon</hi> nicht zu klein? Und wie, wenn man dem kleinen <hi rendition="#g">Thiers</hi> eine Bildsäule setzen wollte? Mit der schönen Gestalt des Herzogs von <hi rendition="#g">Wellington</hi> hat man sich insofern geholfen, als man seine erhabene Person ganz umging und <hi rendition="#g">statt</hi> seiner, wenn auch zu seinen Ehren, einen <hi rendition="#g">Achilles</hi> hinstellte. Was werden aber die Künstler mit <hi rendition="#g">Louis Philipp</hi> machen? Hier würde ein Mantelüberwurf auch nicht helfen; denn sein Fehler ist nicht die Magerkeit, sondern die Beleibtheit. Würde sich der starke, gefärbte Backenbart des Königs der Franzosen und die kolossale Birnenperücke in Erz oder Marmor gut ausnehmen? Die Bildhauer sind in einer mißlichen Lage. Einmal nehmen die großen Verdienste der Menschen ab und die Unsterblichkeit überträgt sich mehr auf die Massen, als die Jndividuen, und dann ist der Stoff, den sie verherrlichen sollen, gewöhnlich so geschmacklos! Für gewöhnlich müssen sie sich also mit dem traurigen Geschäfte begnügen, Kenotaphien zu meißeln und Büsten nach Todtenmasken. Die Werkstätte manches Bildhauers sieht auch wie ein Gewölbe aus, wo man Särge kauft.</p>
        <p>Weit höher als die beiden früheren Künste hat sich die Malerei geschwungen. Jhr Gedeihen war so üppig, daß eine Menge von Wucherzweigen aus ihrem Stamm hervorschoß: Kupferstecherkunst, Lithographie, Lithochromie, Xylographie u. s. w. Die Malerei mit den ihr verwandten Zeichnungskünsten wetteifert fast
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0272] Napoleon nicht zu klein? Und wie, wenn man dem kleinen Thiers eine Bildsäule setzen wollte? Mit der schönen Gestalt des Herzogs von Wellington hat man sich insofern geholfen, als man seine erhabene Person ganz umging und statt seiner, wenn auch zu seinen Ehren, einen Achilles hinstellte. Was werden aber die Künstler mit Louis Philipp machen? Hier würde ein Mantelüberwurf auch nicht helfen; denn sein Fehler ist nicht die Magerkeit, sondern die Beleibtheit. Würde sich der starke, gefärbte Backenbart des Königs der Franzosen und die kolossale Birnenperücke in Erz oder Marmor gut ausnehmen? Die Bildhauer sind in einer mißlichen Lage. Einmal nehmen die großen Verdienste der Menschen ab und die Unsterblichkeit überträgt sich mehr auf die Massen, als die Jndividuen, und dann ist der Stoff, den sie verherrlichen sollen, gewöhnlich so geschmacklos! Für gewöhnlich müssen sie sich also mit dem traurigen Geschäfte begnügen, Kenotaphien zu meißeln und Büsten nach Todtenmasken. Die Werkstätte manches Bildhauers sieht auch wie ein Gewölbe aus, wo man Särge kauft. Weit höher als die beiden früheren Künste hat sich die Malerei geschwungen. Jhr Gedeihen war so üppig, daß eine Menge von Wucherzweigen aus ihrem Stamm hervorschoß: Kupferstecherkunst, Lithographie, Lithochromie, Xylographie u. s. w. Die Malerei mit den ihr verwandten Zeichnungskünsten wetteifert fast

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/272
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/272>, abgerufen am 22.11.2024.