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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Kragen darüber mit langen Haaren und altdeutschem Barett. Es ist ein Maler. Du lieber Gott, hör ich rings herum flüstern, will der junge Mann Hungers sterben? Was kann aus einem so kindischen Kopf geboren werden, das Anspruch auf unsre Theilnahme hätte? Welche Kunstoffenbarungen können in dem Hirn eines jungen Mannes aufgehen, der das Jdealische zunächst in einem schwarzen Sammtrock sieht! Allein, was wollen wir thun? Wir werden bei allen Malern, wenigstens in ihrer ersten Jugend, eine solche Mischung von Abschließung und Selbstauszeichnung finden. Sie bilden unter einander ein eigenes Volk, das seinen eignen Jargon hat; sie haben ihre eigenen Zusammenkünfte, sie versammeln sich um Meister, welche eigene Schulen stiften, sie leben mehr in Jtalien, als in England und Deutschland. Die Maler sind, seitdem auf den Universitäten ein patenter Ton eingeführt ist, die artistischen Studenten geworden. Es gibt deren nicht wenige, welche ihre Kunst weit mehr besingen, als sie üben; sie trinken auf das Wohlergehen derselben, ohne daß es mit ihren Arbeiten besser ginge. Um hievon eine vollständige Jdee zu haben, muß man sich die Malerkreise in Rom vergegenwärtigen, in Deutschland die Kunstschulen in München und Düsseldorf, in Paris jene artistischen Häuser, wo im untersten Geschoß ein Kunsthändler wohnt, und der im übrigen Hause seine Maler, Kupferstecher, Lithographen, seine Karrikaturen- und

Kragen darüber mit langen Haaren und altdeutschem Barett. Es ist ein Maler. Du lieber Gott, hör ich rings herum flüstern, will der junge Mann Hungers sterben? Was kann aus einem so kindischen Kopf geboren werden, das Anspruch auf unsre Theilnahme hätte? Welche Kunstoffenbarungen können in dem Hirn eines jungen Mannes aufgehen, der das Jdealische zunächst in einem schwarzen Sammtrock sieht! Allein, was wollen wir thun? Wir werden bei allen Malern, wenigstens in ihrer ersten Jugend, eine solche Mischung von Abschließung und Selbstauszeichnung finden. Sie bilden unter einander ein eigenes Volk, das seinen eignen Jargon hat; sie haben ihre eigenen Zusammenkünfte, sie versammeln sich um Meister, welche eigene Schulen stiften, sie leben mehr in Jtalien, als in England und Deutschland. Die Maler sind, seitdem auf den Universitäten ein patenter Ton eingeführt ist, die artistischen Studenten geworden. Es gibt deren nicht wenige, welche ihre Kunst weit mehr besingen, als sie üben; sie trinken auf das Wohlergehen derselben, ohne daß es mit ihren Arbeiten besser ginge. Um hievon eine vollständige Jdee zu haben, muß man sich die Malerkreise in Rom vergegenwärtigen, in Deutschland die Kunstschulen in München und Düsseldorf, in Paris jene artistischen Häuser, wo im untersten Geschoß ein Kunsthändler wohnt, und der im übrigen Hause seine Maler, Kupferstecher, Lithographen, seine Karrikaturen- und

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Kragen darüber mit langen Haaren und altdeutschem Barett. Es ist ein Maler. Du lieber Gott, hör ich rings herum flüstern, will der junge Mann Hungers sterben? Was kann aus einem so kindischen Kopf geboren werden, das Anspruch auf unsre Theilnahme hätte? Welche Kunstoffenbarungen können in dem Hirn eines jungen Mannes aufgehen, der das Jdealische zunächst in einem schwarzen Sammtrock sieht! Allein, was wollen wir thun? Wir werden bei allen Malern, wenigstens in ihrer ersten Jugend, eine solche Mischung von Abschließung und Selbstauszeichnung finden. Sie bilden unter einander ein eigenes Volk, das seinen eignen Jargon hat; sie haben ihre eigenen Zusammenkünfte, sie versammeln sich um Meister, welche eigene Schulen stiften, sie leben mehr in Jtalien, als in England und Deutschland. Die Maler sind, seitdem auf den Universitäten ein patenter Ton eingeführt ist, die artistischen Studenten geworden. Es gibt deren nicht wenige, welche ihre Kunst weit mehr besingen, als sie üben; sie trinken auf das Wohlergehen derselben, ohne daß es mit ihren Arbeiten besser ginge. Um hievon eine vollständige Jdee zu haben, muß man sich die Malerkreise in Rom vergegenwärtigen, in Deutschland die Kunstschulen in München und Düsseldorf, in Paris jene artistischen Häuser, wo im untersten Geschoß ein Kunsthändler wohnt, und der im übrigen Hause seine Maler, Kupferstecher, Lithographen, seine Karrikaturen- und
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[254/0256] Kragen darüber mit langen Haaren und altdeutschem Barett. Es ist ein Maler. Du lieber Gott, hör ich rings herum flüstern, will der junge Mann Hungers sterben? Was kann aus einem so kindischen Kopf geboren werden, das Anspruch auf unsre Theilnahme hätte? Welche Kunstoffenbarungen können in dem Hirn eines jungen Mannes aufgehen, der das Jdealische zunächst in einem schwarzen Sammtrock sieht! Allein, was wollen wir thun? Wir werden bei allen Malern, wenigstens in ihrer ersten Jugend, eine solche Mischung von Abschließung und Selbstauszeichnung finden. Sie bilden unter einander ein eigenes Volk, das seinen eignen Jargon hat; sie haben ihre eigenen Zusammenkünfte, sie versammeln sich um Meister, welche eigene Schulen stiften, sie leben mehr in Jtalien, als in England und Deutschland. Die Maler sind, seitdem auf den Universitäten ein patenter Ton eingeführt ist, die artistischen Studenten geworden. Es gibt deren nicht wenige, welche ihre Kunst weit mehr besingen, als sie üben; sie trinken auf das Wohlergehen derselben, ohne daß es mit ihren Arbeiten besser ginge. Um hievon eine vollständige Jdee zu haben, muß man sich die Malerkreise in Rom vergegenwärtigen, in Deutschland die Kunstschulen in München und Düsseldorf, in Paris jene artistischen Häuser, wo im untersten Geschoß ein Kunsthändler wohnt, und der im übrigen Hause seine Maler, Kupferstecher, Lithographen, seine Karrikaturen- und

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/256>, abgerufen am 22.11.2024.