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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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der Wahrheit dargestellt; der Sinn für Poesie erstreckt sich bei der großen Masse nicht weiter, als auf das Gesangbuch und einige Gassenhauer: der Dichter kann nur auf die Theilnahme der Gebildeten rechnen, so wie nur auf die Ueberbildeten, welche für alles Künstlerische schon die Jllusion verloren haben, und mit Bildung weit weniger deßhalb ausgestattet zu seyn scheinen, um loben, als um tadeln zu können. Die Begeisterung für die Kunst will jezt motivirt seyn; sie ist Begleiterin des Studiums und die, welche sie nicht studirt haben, scheuen sich, ein natürliches Urtheil über sie zu fällen. Wo aber kein Muth zum Urtheil ist, da wird das Schönste nicht verstanden und nicht selten jenen arroganten Advokaten der Kunstkritik überlassen, die in ihrem Geschmack so viel Nüanzen haben, daß sie das Häßliche für pikanter als das Schöne halten. Und in der That, haben wir nicht gerade die Karrikatur mit in die Kunst eingeführt, die Satyre und den Witz in die Dichtkunst, die Malerei und die Frivolität in die Musik, den Kupferstich und die Lithographie mit ihren leichtsinningen Produktionen in die zeichnenden Künste? Jst nicht das kritische Urtheil unsrer Zeitgenossen in sich gebrochen und oft geneigt, die Wirkungen zum Lachen, denen zu Thränen bei Weitem vorzuziehen? Dieser Mangel an Geschmack bestimmt jene Reichen, in deren Hände das Gedeihen der Kunst zu allen Zeiten gelegt war, die künstlerische Verschönerung ihres Daseyns weit mehr

der Wahrheit dargestellt; der Sinn für Poesie erstreckt sich bei der großen Masse nicht weiter, als auf das Gesangbuch und einige Gassenhauer: der Dichter kann nur auf die Theilnahme der Gebildeten rechnen, so wie nur auf die Ueberbildeten, welche für alles Künstlerische schon die Jllusion verloren haben, und mit Bildung weit weniger deßhalb ausgestattet zu seyn scheinen, um loben, als um tadeln zu können. Die Begeisterung für die Kunst will jezt motivirt seyn; sie ist Begleiterin des Studiums und die, welche sie nicht studirt haben, scheuen sich, ein natürliches Urtheil über sie zu fällen. Wo aber kein Muth zum Urtheil ist, da wird das Schönste nicht verstanden und nicht selten jenen arroganten Advokaten der Kunstkritik überlassen, die in ihrem Geschmack so viel Nüanzen haben, daß sie das Häßliche für pikanter als das Schöne halten. Und in der That, haben wir nicht gerade die Karrikatur mit in die Kunst eingeführt, die Satyre und den Witz in die Dichtkunst, die Malerei und die Frivolität in die Musik, den Kupferstich und die Lithographie mit ihren leichtsinningen Produktionen in die zeichnenden Künste? Jst nicht das kritische Urtheil unsrer Zeitgenossen in sich gebrochen und oft geneigt, die Wirkungen zum Lachen, denen zu Thränen bei Weitem vorzuziehen? Dieser Mangel an Geschmack bestimmt jene Reichen, in deren Hände das Gedeihen der Kunst zu allen Zeiten gelegt war, die künstlerische Verschönerung ihres Daseyns weit mehr

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[244/0246] der Wahrheit dargestellt; der Sinn für Poesie erstreckt sich bei der großen Masse nicht weiter, als auf das Gesangbuch und einige Gassenhauer: der Dichter kann nur auf die Theilnahme der Gebildeten rechnen, so wie nur auf die Ueberbildeten, welche für alles Künstlerische schon die Jllusion verloren haben, und mit Bildung weit weniger deßhalb ausgestattet zu seyn scheinen, um loben, als um tadeln zu können. Die Begeisterung für die Kunst will jezt motivirt seyn; sie ist Begleiterin des Studiums und die, welche sie nicht studirt haben, scheuen sich, ein natürliches Urtheil über sie zu fällen. Wo aber kein Muth zum Urtheil ist, da wird das Schönste nicht verstanden und nicht selten jenen arroganten Advokaten der Kunstkritik überlassen, die in ihrem Geschmack so viel Nüanzen haben, daß sie das Häßliche für pikanter als das Schöne halten. Und in der That, haben wir nicht gerade die Karrikatur mit in die Kunst eingeführt, die Satyre und den Witz in die Dichtkunst, die Malerei und die Frivolität in die Musik, den Kupferstich und die Lithographie mit ihren leichtsinningen Produktionen in die zeichnenden Künste? Jst nicht das kritische Urtheil unsrer Zeitgenossen in sich gebrochen und oft geneigt, die Wirkungen zum Lachen, denen zu Thränen bei Weitem vorzuziehen? Dieser Mangel an Geschmack bestimmt jene Reichen, in deren Hände das Gedeihen der Kunst zu allen Zeiten gelegt war, die künstlerische Verschönerung ihres Daseyns weit mehr

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/246>, abgerufen am 22.11.2024.