Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.ging zu allen Zeiten mit den verschiedenen Kunstepochen Hand in Hand; erst in unsrer Zeit ist die Kunst frivol genug geworden, dem ursprünglichen Zusammenhange zu entsagen. Jezt schließt sie sich eher dem Luxus, als dem Cultus, eher unserm Bedürfniß des Essens und Trinkens, als der heiligen Spende und Opferung an. Wir bewundern die Kunst in unsern Kaffeetassen, unsern Theebrettern und Pfeifenköpfen. Auch haben die Dichter sogar größern Erfolg zu erwarten, wenn sie sich gegen den Himmel auflehnen, als wenn sie ihn auf die Erde hinabziehen wollen. Höchstens, daß die Parallele der jetzigen Kunst mit der Religion darin besteht, daß jene eine eigene neben dieser zu stiften suchte, und daß es Menschen genug gibt, welche, indem sie den Geist des Schönen anbeten, auch den Geist des Guten damit zu erfassen glauben. Man kann nichts dagegen einwenden; denn es ist noch immer etwas, wenn man nur wenigstens das Unsichtbare anbetet, mag es nun die Schönheit einer natürlichen oder einer gemalten Landschaft, die Schönheit der untergehenden Sonne oder die eines dichterischen Schwanengesanges seyn. Kunst und Religion - es ist dieselbe Bestrebung, nur in verschiedener Aeußerung. Diese betet die Schöpfung an, jene sucht sie zu ergänzen und nachzubilden. Jn der Kunst verschmelzen die Gefühle der Andacht mit ihrem Gegenstande. Der Kultus nähert sich nicht mehr in bescheidner Entfernung dem ging zu allen Zeiten mit den verschiedenen Kunstepochen Hand in Hand; erst in unsrer Zeit ist die Kunst frivol genug geworden, dem ursprünglichen Zusammenhange zu entsagen. Jezt schließt sie sich eher dem Luxus, als dem Cultus, eher unserm Bedürfniß des Essens und Trinkens, als der heiligen Spende und Opferung an. Wir bewundern die Kunst in unsern Kaffeetassen, unsern Theebrettern und Pfeifenköpfen. Auch haben die Dichter sogar größern Erfolg zu erwarten, wenn sie sich gegen den Himmel auflehnen, als wenn sie ihn auf die Erde hinabziehen wollen. Höchstens, daß die Parallele der jetzigen Kunst mit der Religion darin besteht, daß jene eine eigene neben dieser zu stiften suchte, und daß es Menschen genug gibt, welche, indem sie den Geist des Schönen anbeten, auch den Geist des Guten damit zu erfassen glauben. Man kann nichts dagegen einwenden; denn es ist noch immer etwas, wenn man nur wenigstens das Unsichtbare anbetet, mag es nun die Schönheit einer natürlichen oder einer gemalten Landschaft, die Schönheit der untergehenden Sonne oder die eines dichterischen Schwanengesanges seyn. Kunst und Religion – es ist dieselbe Bestrebung, nur in verschiedener Aeußerung. Diese betet die Schöpfung an, jene sucht sie zu ergänzen und nachzubilden. Jn der Kunst verschmelzen die Gefühle der Andacht mit ihrem Gegenstande. Der Kultus nähert sich nicht mehr in bescheidner Entfernung dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0239" n="237"/> ging zu allen Zeiten mit den verschiedenen Kunstepochen Hand in Hand; erst in unsrer Zeit ist die Kunst frivol genug geworden, dem ursprünglichen Zusammenhange zu entsagen. Jezt schließt sie sich eher dem Luxus, als dem Cultus, eher unserm Bedürfniß des Essens und Trinkens, als der heiligen Spende und Opferung an. Wir bewundern die Kunst in unsern Kaffeetassen, unsern Theebrettern und Pfeifenköpfen. Auch haben die Dichter sogar größern Erfolg zu erwarten, wenn sie sich <hi rendition="#g">gegen</hi> den Himmel auflehnen, als wenn sie ihn auf die Erde hinabziehen wollen. Höchstens, daß die Parallele der jetzigen Kunst mit der Religion darin besteht, daß jene eine eigene neben dieser zu stiften suchte, und daß es Menschen genug gibt, welche, indem sie den Geist des Schönen anbeten, auch den Geist des Guten damit zu erfassen glauben. Man kann nichts dagegen einwenden; denn es ist noch immer <hi rendition="#g">etwas</hi>, wenn man nur wenigstens das Unsichtbare anbetet, mag es nun die Schönheit einer natürlichen oder einer gemalten Landschaft, die Schönheit der untergehenden Sonne oder die eines dichterischen Schwanengesanges seyn.</p> <p>Kunst und Religion – es ist dieselbe Bestrebung, nur in verschiedener Aeußerung. Diese betet die Schöpfung an, jene sucht sie zu ergänzen und nachzubilden. Jn der Kunst verschmelzen die Gefühle der Andacht mit ihrem Gegenstande. Der Kultus nähert sich nicht mehr in bescheidner Entfernung dem </p> </div> </body> </text> </TEI> [237/0239]
ging zu allen Zeiten mit den verschiedenen Kunstepochen Hand in Hand; erst in unsrer Zeit ist die Kunst frivol genug geworden, dem ursprünglichen Zusammenhange zu entsagen. Jezt schließt sie sich eher dem Luxus, als dem Cultus, eher unserm Bedürfniß des Essens und Trinkens, als der heiligen Spende und Opferung an. Wir bewundern die Kunst in unsern Kaffeetassen, unsern Theebrettern und Pfeifenköpfen. Auch haben die Dichter sogar größern Erfolg zu erwarten, wenn sie sich gegen den Himmel auflehnen, als wenn sie ihn auf die Erde hinabziehen wollen. Höchstens, daß die Parallele der jetzigen Kunst mit der Religion darin besteht, daß jene eine eigene neben dieser zu stiften suchte, und daß es Menschen genug gibt, welche, indem sie den Geist des Schönen anbeten, auch den Geist des Guten damit zu erfassen glauben. Man kann nichts dagegen einwenden; denn es ist noch immer etwas, wenn man nur wenigstens das Unsichtbare anbetet, mag es nun die Schönheit einer natürlichen oder einer gemalten Landschaft, die Schönheit der untergehenden Sonne oder die eines dichterischen Schwanengesanges seyn.
Kunst und Religion – es ist dieselbe Bestrebung, nur in verschiedener Aeußerung. Diese betet die Schöpfung an, jene sucht sie zu ergänzen und nachzubilden. Jn der Kunst verschmelzen die Gefühle der Andacht mit ihrem Gegenstande. Der Kultus nähert sich nicht mehr in bescheidner Entfernung dem
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/239>, abgerufen am 17.07.2024. |