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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Das Vorurtheil will geschont seyn, der Aberglaube weicht selten der Gewalt. Vielleicht ist es nützlicher, über die Reformen im Judenthum Nichts als Gesetz aufzustellen, sondern die Zeit und die Gewohnheit zur Autorität zu machen. Der Sabbath, einmal nicht mehr gefeiert, wird leicht auf den Sonntag übertragen seyn. Man kann gegen diese Gedankenreihe Nichts einwenden, wenn wir auch eingestehen, daß es den aufgeklärten Juden keine Ehre macht, wenn sie nicht selbst kräftig Hand anlegen und den Christen zeigen, wessen sie im Stande sind, wenn einmal erst die Stunde der Freiheit schlägt. Nein, nimmermehr wird die Emanzipation kommen, und wenn sie durch ein mildes Gesetz käme, nimmermehr würde sie in das Blut des Volkes übergehen und dem befreiten Jerusalem Genüge thun, wenn Dies nicht im Jnnern rüstig sich regt, den Belagerten in den Rücken fällt und die Bresche erweitern hilft, durch welche der Sieg hereinsteigt und Bruderliebe die Hand reicht. Auf dem Lotterbett zu liegen und Nichts als Emanzipation zu rufen, ist freier Geister nicht würdig und verdient die Emanzipation nicht. Sähen wir, daß ihr gegen euren eignen Aberglauben kämpftet, dann würdet ihr bald auch den unsrigen besiegt haben; sonst könntet ihr in die Lage kommen, daß ein weiser und gerechter Fürst sagte: "Jhr seyd mit Vergunst meines Volkes frei, wenn ihr den Sabbath und die anderen Feste auf die unsrigen verleget!" Was würdet ihr da thun? -

Das Vorurtheil will geschont seyn, der Aberglaube weicht selten der Gewalt. Vielleicht ist es nützlicher, über die Reformen im Judenthum Nichts als Gesetz aufzustellen, sondern die Zeit und die Gewohnheit zur Autorität zu machen. Der Sabbath, einmal nicht mehr gefeiert, wird leicht auf den Sonntag übertragen seyn. Man kann gegen diese Gedankenreihe Nichts einwenden, wenn wir auch eingestehen, daß es den aufgeklärten Juden keine Ehre macht, wenn sie nicht selbst kräftig Hand anlegen und den Christen zeigen, wessen sie im Stande sind, wenn einmal erst die Stunde der Freiheit schlägt. Nein, nimmermehr wird die Emanzipation kommen, und wenn sie durch ein mildes Gesetz käme, nimmermehr würde sie in das Blut des Volkes übergehen und dem befreiten Jerusalem Genüge thun, wenn Dies nicht im Jnnern rüstig sich regt, den Belagerten in den Rücken fällt und die Bresche erweitern hilft, durch welche der Sieg hereinsteigt und Bruderliebe die Hand reicht. Auf dem Lotterbett zu liegen und Nichts als Emanzipation zu rufen, ist freier Geister nicht würdig und verdient die Emanzipation nicht. Sähen wir, daß ihr gegen euren eignen Aberglauben kämpftet, dann würdet ihr bald auch den unsrigen besiegt haben; sonst könntet ihr in die Lage kommen, daß ein weiser und gerechter Fürst sagte: "Jhr seyd mit Vergunst meines Volkes frei, wenn ihr den Sabbath und die anderen Feste auf die unsrigen verleget!" Was würdet ihr da thun? –

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Das Vorurtheil will geschont seyn, der Aberglaube weicht selten der Gewalt. Vielleicht ist es nützlicher, über die Reformen im Judenthum Nichts als Gesetz aufzustellen, sondern die Zeit und die Gewohnheit zur Autorität zu machen. Der Sabbath, einmal nicht mehr gefeiert, wird leicht auf den Sonntag übertragen seyn. Man kann gegen diese Gedankenreihe Nichts einwenden, wenn wir auch eingestehen, daß es den aufgeklärten Juden keine Ehre macht, wenn sie nicht selbst kräftig Hand anlegen und den Christen zeigen, wessen sie im Stande sind, wenn einmal erst die Stunde der Freiheit schlägt. Nein, nimmermehr wird die Emanzipation kommen, und wenn sie durch ein mildes Gesetz käme, nimmermehr würde sie in das Blut des Volkes übergehen und dem befreiten Jerusalem Genüge thun, wenn Dies nicht im Jnnern rüstig sich regt, den Belagerten in den Rücken fällt und die Bresche erweitern hilft, durch welche der Sieg hereinsteigt und Bruderliebe die Hand reicht. Auf dem Lotterbett zu liegen und Nichts als Emanzipation zu rufen, ist freier Geister nicht würdig und <hi rendition="#g">verdient</hi> die Emanzipation nicht. Sähen wir, daß ihr gegen euren eignen Aberglauben kämpftet, dann würdet ihr bald auch den unsrigen besiegt haben; sonst könntet ihr in die Lage kommen, daß ein weiser und gerechter Fürst sagte: "Jhr seyd mit Vergunst meines Volkes frei, wenn ihr den Sabbath und die anderen Feste auf die unsrigen verleget!" Was würdet ihr da thun? &#x2013;
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[232/0234] Das Vorurtheil will geschont seyn, der Aberglaube weicht selten der Gewalt. Vielleicht ist es nützlicher, über die Reformen im Judenthum Nichts als Gesetz aufzustellen, sondern die Zeit und die Gewohnheit zur Autorität zu machen. Der Sabbath, einmal nicht mehr gefeiert, wird leicht auf den Sonntag übertragen seyn. Man kann gegen diese Gedankenreihe Nichts einwenden, wenn wir auch eingestehen, daß es den aufgeklärten Juden keine Ehre macht, wenn sie nicht selbst kräftig Hand anlegen und den Christen zeigen, wessen sie im Stande sind, wenn einmal erst die Stunde der Freiheit schlägt. Nein, nimmermehr wird die Emanzipation kommen, und wenn sie durch ein mildes Gesetz käme, nimmermehr würde sie in das Blut des Volkes übergehen und dem befreiten Jerusalem Genüge thun, wenn Dies nicht im Jnnern rüstig sich regt, den Belagerten in den Rücken fällt und die Bresche erweitern hilft, durch welche der Sieg hereinsteigt und Bruderliebe die Hand reicht. Auf dem Lotterbett zu liegen und Nichts als Emanzipation zu rufen, ist freier Geister nicht würdig und verdient die Emanzipation nicht. Sähen wir, daß ihr gegen euren eignen Aberglauben kämpftet, dann würdet ihr bald auch den unsrigen besiegt haben; sonst könntet ihr in die Lage kommen, daß ein weiser und gerechter Fürst sagte: "Jhr seyd mit Vergunst meines Volkes frei, wenn ihr den Sabbath und die anderen Feste auf die unsrigen verleget!" Was würdet ihr da thun? –

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/234>, abgerufen am 24.11.2024.