Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.welche allerdings durch mystisches oder doktrinäres Raffinement das Wesen eines christlich-organischen Staates in sich mit Glückseligkeit genießen, die aber das reine Gold ihres Jdeals, von den Schlacken unserer verworrenen, mechanischen, trivialen Zustände gesondert, nirgends werden nachweisen können. So vermögen wir dem Gedanken, daß Juden an unseren gemeinsamen Angelegenheiten Theil nehmen sollen, zwar mit brütendem Unwillen nachzuhängen, werden uns aber immer dazu bequemen müssen, wenn wir weise und verständig seyn wollen, die Dinge so zu nehmen, wie sie einmal geworden sind. Wir können der europäischen Gesellschaft diese Ordnung und Consequenz nicht wiedergeben, welche dem idealen Absolutismus vorschwebt, sondern in einer Zeit, wo sich überall das abstrakt Menschliche sucht geltend zu machen, mußten die Fesseln des Staates nachlassen und mußte Alles ausgewischt und geebnet werden, was als bürgerliche Pflicht das menschliche Recht überragte. Von den Einwürfen des Jdealismus sind jene andern zu unterscheiden, welche der Emanzipation der Juden von der faktischen Staatsräson gemacht wurden. Die innere Verwaltungspolitik unserer Zeit hat die Juden im Stande der tiefsten Erniedrigung überkommen. Sie mußten noch vor zwanzig Jahren Leibzoll, Schutzgeld zahlen, sie waren in eigenen Gassen eingeschlossen, ja es gab Städte, sogenannte freie, welche allerdings durch mystisches oder doktrinäres Raffinement das Wesen eines christlich-organischen Staates in sich mit Glückseligkeit genießen, die aber das reine Gold ihres Jdeals, von den Schlacken unserer verworrenen, mechanischen, trivialen Zustände gesondert, nirgends werden nachweisen können. So vermögen wir dem Gedanken, daß Juden an unseren gemeinsamen Angelegenheiten Theil nehmen sollen, zwar mit brütendem Unwillen nachzuhängen, werden uns aber immer dazu bequemen müssen, wenn wir weise und verständig seyn wollen, die Dinge so zu nehmen, wie sie einmal geworden sind. Wir können der europäischen Gesellschaft diese Ordnung und Consequenz nicht wiedergeben, welche dem idealen Absolutismus vorschwebt, sondern in einer Zeit, wo sich überall das abstrakt Menschliche sucht geltend zu machen, mußten die Fesseln des Staates nachlassen und mußte Alles ausgewischt und geebnet werden, was als bürgerliche Pflicht das menschliche Recht überragte. Von den Einwürfen des Jdealismus sind jene andern zu unterscheiden, welche der Emanzipation der Juden von der faktischen Staatsräson gemacht wurden. Die innere Verwaltungspolitik unserer Zeit hat die Juden im Stande der tiefsten Erniedrigung überkommen. Sie mußten noch vor zwanzig Jahren Leibzoll, Schutzgeld zahlen, sie waren in eigenen Gassen eingeschlossen, ja es gab Städte, sogenannte freie, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="219"/> welche allerdings durch mystisches oder doktrinäres Raffinement das Wesen eines christlich-organischen Staates in sich mit Glückseligkeit genießen, die aber das reine Gold ihres Jdeals, von den Schlacken unserer verworrenen, mechanischen, trivialen Zustände gesondert, nirgends werden nachweisen können. So vermögen wir dem Gedanken, daß Juden an unseren gemeinsamen Angelegenheiten Theil nehmen sollen, zwar mit brütendem Unwillen nachzuhängen, werden uns aber immer dazu bequemen müssen, wenn wir weise und verständig seyn wollen, die Dinge so zu nehmen, wie sie einmal geworden sind. Wir können der europäischen Gesellschaft diese Ordnung und Consequenz nicht wiedergeben, welche dem idealen Absolutismus vorschwebt, sondern in einer Zeit, wo sich überall das abstrakt Menschliche sucht geltend zu machen, mußten die Fesseln des Staates nachlassen und mußte Alles ausgewischt und geebnet werden, was als bürgerliche <hi rendition="#g">Pflicht</hi> das menschliche <hi rendition="#g">Recht</hi> überragte.</p> <p>Von den Einwürfen des Jdealismus sind jene andern zu unterscheiden, welche der Emanzipation der Juden von der faktischen Staatsräson gemacht wurden. Die innere Verwaltungspolitik unserer Zeit hat die Juden im Stande der tiefsten Erniedrigung überkommen. Sie mußten noch vor zwanzig Jahren Leibzoll, Schutzgeld zahlen, sie waren in eigenen Gassen eingeschlossen, ja es gab Städte, sogenannte freie, </p> </div> </body> </text> </TEI> [219/0221]
welche allerdings durch mystisches oder doktrinäres Raffinement das Wesen eines christlich-organischen Staates in sich mit Glückseligkeit genießen, die aber das reine Gold ihres Jdeals, von den Schlacken unserer verworrenen, mechanischen, trivialen Zustände gesondert, nirgends werden nachweisen können. So vermögen wir dem Gedanken, daß Juden an unseren gemeinsamen Angelegenheiten Theil nehmen sollen, zwar mit brütendem Unwillen nachzuhängen, werden uns aber immer dazu bequemen müssen, wenn wir weise und verständig seyn wollen, die Dinge so zu nehmen, wie sie einmal geworden sind. Wir können der europäischen Gesellschaft diese Ordnung und Consequenz nicht wiedergeben, welche dem idealen Absolutismus vorschwebt, sondern in einer Zeit, wo sich überall das abstrakt Menschliche sucht geltend zu machen, mußten die Fesseln des Staates nachlassen und mußte Alles ausgewischt und geebnet werden, was als bürgerliche Pflicht das menschliche Recht überragte.
Von den Einwürfen des Jdealismus sind jene andern zu unterscheiden, welche der Emanzipation der Juden von der faktischen Staatsräson gemacht wurden. Die innere Verwaltungspolitik unserer Zeit hat die Juden im Stande der tiefsten Erniedrigung überkommen. Sie mußten noch vor zwanzig Jahren Leibzoll, Schutzgeld zahlen, sie waren in eigenen Gassen eingeschlossen, ja es gab Städte, sogenannte freie,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/221>, abgerufen am 16.02.2025. |