Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.seiner Kavallerie, den Kopfbedeckungen und Beinkleidern seiner Jnfanterie anfangen, sondern nur mit einer allmäligen Freilassung des Weibes aus seinem im Orient üblichen sklavischen Zustand. Die Frauen mildern die Gesellschaft und lösen ihre erstarrten Formen auf. Daß die Gesetze den Sitten folgen, beweisen alle Beispiele der Geschichte. Ueberall, wo die Gesetzgebung aus dem Schooße des Volkes selbst hervorgeht, wird das Uebliche und Gewöhnliche, wird die Tradition die Richtschnur derselben seyn. Wir haben an der Geschichte des römischen Rechts ein so schönes Beispiel vor uns, wie juristische und politische Verhältnisse sich im Lauf der Zeiten gestalten und entwickeln können. Wenn wir z. B. Gesetze über die Ehe, über die Gewalt der Väter über die Kinder, über die Antretung von Erbschaften in ihrer allmäligen geschichtlichen Entwicklung bei ihnen vergleichen, so werden wir finden, daß selten ein Gesetz in starrer Anomalie gegenüber der Gewohnheit, die sich inzwischen gebildet hatte, gestanden wäre, sondern das Gesetz legte nie mehr auf, als die Schultern der Sitte tragen konnten. Montesquieu hat auch über diesen Gegenstand einige Beispiele gegeben und sie namentlich von den Vorschriften hergenommen, welche die in der ältern römischen Gesetzgebung noch häufig vorkommenden Prügelvorfälle zwischen Ehegatten betreffen. Spuren dieser Art verloren sich, wie aus den Sitten, allmälig auch aus den Gesetzen. seiner Kavallerie, den Kopfbedeckungen und Beinkleidern seiner Jnfanterie anfangen, sondern nur mit einer allmäligen Freilassung des Weibes aus seinem im Orient üblichen sklavischen Zustand. Die Frauen mildern die Gesellschaft und lösen ihre erstarrten Formen auf. Daß die Gesetze den Sitten folgen, beweisen alle Beispiele der Geschichte. Ueberall, wo die Gesetzgebung aus dem Schooße des Volkes selbst hervorgeht, wird das Uebliche und Gewöhnliche, wird die Tradition die Richtschnur derselben seyn. Wir haben an der Geschichte des römischen Rechts ein so schönes Beispiel vor uns, wie juristische und politische Verhältnisse sich im Lauf der Zeiten gestalten und entwickeln können. Wenn wir z. B. Gesetze über die Ehe, über die Gewalt der Väter über die Kinder, über die Antretung von Erbschaften in ihrer allmäligen geschichtlichen Entwicklung bei ihnen vergleichen, so werden wir finden, daß selten ein Gesetz in starrer Anomalie gegenüber der Gewohnheit, die sich inzwischen gebildet hatte, gestanden wäre, sondern das Gesetz legte nie mehr auf, als die Schultern der Sitte tragen konnten. Montesquieu hat auch über diesen Gegenstand einige Beispiele gegeben und sie namentlich von den Vorschriften hergenommen, welche die in der ältern römischen Gesetzgebung noch häufig vorkommenden Prügelvorfälle zwischen Ehegatten betreffen. Spuren dieser Art verloren sich, wie aus den Sitten, allmälig auch aus den Gesetzen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="19"/> seiner Kavallerie, den Kopfbedeckungen und Beinkleidern seiner Jnfanterie anfangen, sondern nur mit einer allmäligen Freilassung des Weibes aus seinem im Orient üblichen sklavischen Zustand. Die Frauen mildern die Gesellschaft und lösen ihre erstarrten Formen auf.</p> <p>Daß die Gesetze den Sitten folgen, beweisen alle Beispiele der Geschichte. Ueberall, wo die Gesetzgebung aus dem Schooße des Volkes selbst hervorgeht, wird das Uebliche und Gewöhnliche, wird die Tradition die Richtschnur derselben seyn. Wir haben an der Geschichte des römischen Rechts ein so schönes Beispiel vor uns, wie juristische und politische Verhältnisse sich im Lauf der Zeiten gestalten und entwickeln können. Wenn wir z. B. Gesetze über die Ehe, über die Gewalt der Väter über die Kinder, über die Antretung von Erbschaften in ihrer allmäligen geschichtlichen Entwicklung bei ihnen vergleichen, so werden wir finden, daß selten ein Gesetz in starrer Anomalie gegenüber der Gewohnheit, die sich inzwischen gebildet hatte, gestanden wäre, sondern das Gesetz legte nie mehr auf, als die Schultern der Sitte tragen konnten. <hi rendition="#g">Montesquieu</hi> hat auch über diesen Gegenstand einige Beispiele gegeben und sie namentlich von den Vorschriften hergenommen, welche die in der ältern römischen Gesetzgebung noch häufig vorkommenden Prügelvorfälle zwischen Ehegatten betreffen. Spuren dieser Art verloren sich, wie aus den Sitten, allmälig auch aus den Gesetzen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0021]
seiner Kavallerie, den Kopfbedeckungen und Beinkleidern seiner Jnfanterie anfangen, sondern nur mit einer allmäligen Freilassung des Weibes aus seinem im Orient üblichen sklavischen Zustand. Die Frauen mildern die Gesellschaft und lösen ihre erstarrten Formen auf.
Daß die Gesetze den Sitten folgen, beweisen alle Beispiele der Geschichte. Ueberall, wo die Gesetzgebung aus dem Schooße des Volkes selbst hervorgeht, wird das Uebliche und Gewöhnliche, wird die Tradition die Richtschnur derselben seyn. Wir haben an der Geschichte des römischen Rechts ein so schönes Beispiel vor uns, wie juristische und politische Verhältnisse sich im Lauf der Zeiten gestalten und entwickeln können. Wenn wir z. B. Gesetze über die Ehe, über die Gewalt der Väter über die Kinder, über die Antretung von Erbschaften in ihrer allmäligen geschichtlichen Entwicklung bei ihnen vergleichen, so werden wir finden, daß selten ein Gesetz in starrer Anomalie gegenüber der Gewohnheit, die sich inzwischen gebildet hatte, gestanden wäre, sondern das Gesetz legte nie mehr auf, als die Schultern der Sitte tragen konnten. Montesquieu hat auch über diesen Gegenstand einige Beispiele gegeben und sie namentlich von den Vorschriften hergenommen, welche die in der ältern römischen Gesetzgebung noch häufig vorkommenden Prügelvorfälle zwischen Ehegatten betreffen. Spuren dieser Art verloren sich, wie aus den Sitten, allmälig auch aus den Gesetzen.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/21>, abgerufen am 27.07.2024. |