Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.von Christus, stirbt allmälig aus, die Tradition stirbt mit aus und die Bibel vermodert auf den Gräbern der kleinen Gemeinde, die nie gewußt hat, was sie mit ihrer schönen Besserung und ihrer Tradition hat machen sollen. Gerade, weil es dem Missionswesen nicht gelungen ist, das Christenthum als Funken in Gemüther zu legen, die sich dann weiter entzündeten und der Mission selbst das Geschäft aus der Hand nahmen, gerade weil die wenigen Gewonnenen nur arme, hilflose Schafe waren, die ewig des Hirten bedurften, um nicht in der Jrre zu gehen, gerade darum war das Missionswesen nicht werth, daß man es bei dem Erwachen unserer religiösen Empfindungen wieder neu zu beleben suchte. Man kann wohl sagen, daß durch das Missionswesen weit mehr die Bekehrung unter uns, als die unter der Heidenwelt dargethan ist. Segensreicher wirkten jedenfalls die Bemühungen der Bibelgesellschaften; denn selbst, wenn sie mit dem Missionswesen Hand in Hand gingen und ihre Aufgabe mit einer Uebersetzung derselben in Heidensprachen lösten, so haben sie, wenn nicht dem Christenthum, doch der Philologie genüzt; wie Dr. Carey, der früher Schuhmacher war, gewiß nicht so viel wahre Christen, als wahre Sanskritaner gezogen hat. Jm Allgemeinen müssen freilich diese Bibeln, wenn sie in die Sprache schon vorgerückter heidnischer Völker übersezt sind, unsrer mangelhaften Kenntniß ihrer Sprache wegen, einen Eindruck auf Jene machen, wie auf uns, von Christus, stirbt allmälig aus, die Tradition stirbt mit aus und die Bibel vermodert auf den Gräbern der kleinen Gemeinde, die nie gewußt hat, was sie mit ihrer schönen Besserung und ihrer Tradition hat machen sollen. Gerade, weil es dem Missionswesen nicht gelungen ist, das Christenthum als Funken in Gemüther zu legen, die sich dann weiter entzündeten und der Mission selbst das Geschäft aus der Hand nahmen, gerade weil die wenigen Gewonnenen nur arme, hilflose Schafe waren, die ewig des Hirten bedurften, um nicht in der Jrre zu gehen, gerade darum war das Missionswesen nicht werth, daß man es bei dem Erwachen unserer religiösen Empfindungen wieder neu zu beleben suchte. Man kann wohl sagen, daß durch das Missionswesen weit mehr die Bekehrung unter uns, als die unter der Heidenwelt dargethan ist. Segensreicher wirkten jedenfalls die Bemühungen der Bibelgesellschaften; denn selbst, wenn sie mit dem Missionswesen Hand in Hand gingen und ihre Aufgabe mit einer Uebersetzung derselben in Heidensprachen lösten, so haben sie, wenn nicht dem Christenthum, doch der Philologie genüzt; wie Dr. Carey, der früher Schuhmacher war, gewiß nicht so viel wahre Christen, als wahre Sanskritaner gezogen hat. Jm Allgemeinen müssen freilich diese Bibeln, wenn sie in die Sprache schon vorgerückter heidnischer Völker übersezt sind, unsrer mangelhaften Kenntniß ihrer Sprache wegen, einen Eindruck auf Jene machen, wie auf uns, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0208" n="206"/> von <hi rendition="#g">Christus</hi>, stirbt allmälig aus, die Tradition stirbt mit aus und die Bibel vermodert auf den Gräbern der kleinen Gemeinde, die nie gewußt hat, was sie mit ihrer schönen Besserung und ihrer Tradition hat machen sollen. Gerade, weil es dem Missionswesen nicht gelungen ist, das Christenthum als Funken in Gemüther zu legen, die sich dann weiter entzündeten und der Mission selbst das Geschäft aus der Hand nahmen, gerade weil die wenigen Gewonnenen nur arme, hilflose Schafe waren, die ewig des Hirten bedurften, um nicht in der Jrre zu gehen, gerade darum war das Missionswesen nicht werth, daß man es bei dem Erwachen unserer religiösen Empfindungen wieder neu zu beleben suchte. Man kann wohl sagen, daß durch das Missionswesen weit mehr die Bekehrung unter uns, als die unter der Heidenwelt dargethan ist.</p> <p>Segensreicher wirkten jedenfalls die Bemühungen der Bibelgesellschaften; denn selbst, wenn sie mit dem Missionswesen Hand in Hand gingen und ihre Aufgabe mit einer Uebersetzung derselben in Heidensprachen lösten, so haben sie, wenn nicht dem Christenthum, doch der Philologie genüzt; wie <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Carey</hi>, der früher Schuhmacher war, gewiß nicht so viel wahre Christen, als wahre Sanskritaner gezogen hat. Jm Allgemeinen müssen freilich diese Bibeln, wenn sie in die Sprache schon vorgerückter heidnischer Völker übersezt sind, unsrer mangelhaften Kenntniß ihrer Sprache wegen, einen Eindruck auf Jene machen, wie auf uns, </p> </div> </body> </text> </TEI> [206/0208]
von Christus, stirbt allmälig aus, die Tradition stirbt mit aus und die Bibel vermodert auf den Gräbern der kleinen Gemeinde, die nie gewußt hat, was sie mit ihrer schönen Besserung und ihrer Tradition hat machen sollen. Gerade, weil es dem Missionswesen nicht gelungen ist, das Christenthum als Funken in Gemüther zu legen, die sich dann weiter entzündeten und der Mission selbst das Geschäft aus der Hand nahmen, gerade weil die wenigen Gewonnenen nur arme, hilflose Schafe waren, die ewig des Hirten bedurften, um nicht in der Jrre zu gehen, gerade darum war das Missionswesen nicht werth, daß man es bei dem Erwachen unserer religiösen Empfindungen wieder neu zu beleben suchte. Man kann wohl sagen, daß durch das Missionswesen weit mehr die Bekehrung unter uns, als die unter der Heidenwelt dargethan ist.
Segensreicher wirkten jedenfalls die Bemühungen der Bibelgesellschaften; denn selbst, wenn sie mit dem Missionswesen Hand in Hand gingen und ihre Aufgabe mit einer Uebersetzung derselben in Heidensprachen lösten, so haben sie, wenn nicht dem Christenthum, doch der Philologie genüzt; wie Dr. Carey, der früher Schuhmacher war, gewiß nicht so viel wahre Christen, als wahre Sanskritaner gezogen hat. Jm Allgemeinen müssen freilich diese Bibeln, wenn sie in die Sprache schon vorgerückter heidnischer Völker übersezt sind, unsrer mangelhaften Kenntniß ihrer Sprache wegen, einen Eindruck auf Jene machen, wie auf uns,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/208 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/208>, abgerufen am 16.02.2025. |