Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.einander gehalten wurde, flossen auch gewöhnlich alle Begriffe, die wir jezt zu sondern und in bestimmte Fächer zu stellen wissen, in einander. Dasjenige, was der Einzelne wußte, konnte noch so gering seyn, aber er bildete sich ein Ganzes daraus; eben so in der evangelischen Geschichte, wie sie von den Geschichtschreibern aufgefaßt wurde. Sie waren nicht im Stande, so wie wir, an der Hand der Chronologie in der Geschichte vorzuschreiten, sondern sie wirkten einen Stoff, der ohnehin ihr Herz drängte, in einander und verfielen auch in den Fehler Ungebildeter, das einemal, wo man Gelegenheit hat, etwas zu sagen, gleich auch Alles zu sagen, was man weiß, wie denn in dieser Hinsicht Johannes schon am Beginn seines Evangeliums durch seine Lehre vom Logos der spätern Kritik eine Blöße gegeben hat, die allem wohlbegründeten Zweifel an dem Wunderbaren in der evangelischen Geschichte Berechtigung gibt. 7) Durch diesen Johannei'schen offenbaren Beweis mit dem Logos, daß sich die evangelische Geschichte vom Orientalismus, nicht bloß der Form, sondern auch dem Jnhalte nach, nicht frei erhalten konnte, durch diese Berechtigung, die um so schlagender ist, da sie ja von einem Augenzeugen herrühren soll, hat der Forscher auch freies Feld, die evangelische Geschichte und die Dogmen des christlichen Lehrbegriffes nur im Zusammenhang mit den übrigen mystisch-religiösen Traditionen des Orients zu betrachten. einander gehalten wurde, flossen auch gewöhnlich alle Begriffe, die wir jezt zu sondern und in bestimmte Fächer zu stellen wissen, in einander. Dasjenige, was der Einzelne wußte, konnte noch so gering seyn, aber er bildete sich ein Ganzes daraus; eben so in der evangelischen Geschichte, wie sie von den Geschichtschreibern aufgefaßt wurde. Sie waren nicht im Stande, so wie wir, an der Hand der Chronologie in der Geschichte vorzuschreiten, sondern sie wirkten einen Stoff, der ohnehin ihr Herz drängte, in einander und verfielen auch in den Fehler Ungebildeter, das einemal, wo man Gelegenheit hat, etwas zu sagen, gleich auch Alles zu sagen, was man weiß, wie denn in dieser Hinsicht Johannes schon am Beginn seines Evangeliums durch seine Lehre vom Logos der spätern Kritik eine Blöße gegeben hat, die allem wohlbegründeten Zweifel an dem Wunderbaren in der evangelischen Geschichte Berechtigung gibt. 7) Durch diesen Johannei’schen offenbaren Beweis mit dem Logos, daß sich die evangelische Geschichte vom Orientalismus, nicht bloß der Form, sondern auch dem Jnhalte nach, nicht frei erhalten konnte, durch diese Berechtigung, die um so schlagender ist, da sie ja von einem Augenzeugen herrühren soll, hat der Forscher auch freies Feld, die evangelische Geschichte und die Dogmen des christlichen Lehrbegriffes nur im Zusammenhang mit den übrigen mystisch-religiösen Traditionen des Orients zu betrachten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0173" n="171"/> einander gehalten wurde, flossen auch gewöhnlich alle Begriffe, die wir jezt zu sondern und in bestimmte Fächer zu stellen wissen, in einander. Dasjenige, was der Einzelne wußte, konnte noch so gering seyn, aber er bildete sich ein Ganzes daraus; eben so in der evangelischen Geschichte, wie sie von den Geschichtschreibern aufgefaßt wurde. Sie waren nicht im Stande, so wie wir, an der Hand der Chronologie in der Geschichte vorzuschreiten, sondern sie wirkten einen Stoff, der ohnehin ihr Herz drängte, in einander und verfielen auch in den Fehler Ungebildeter, das einemal, wo man Gelegenheit hat, <hi rendition="#g">etwas</hi> zu sagen, gleich auch Alles zu sagen, was man weiß, wie denn in dieser Hinsicht <hi rendition="#g">Johannes</hi> schon am Beginn seines Evangeliums durch seine Lehre vom Logos der spätern Kritik eine Blöße gegeben hat, die allem wohlbegründeten Zweifel an dem Wunderbaren in der evangelischen Geschichte Berechtigung gibt. 7) Durch diesen <hi rendition="#g">Johannei</hi>’schen offenbaren Beweis mit dem Logos, daß sich die evangelische Geschichte vom Orientalismus, nicht bloß der Form, sondern auch dem Jnhalte nach, nicht frei erhalten konnte, durch diese Berechtigung, die um so schlagender ist, da sie ja von einem Augenzeugen herrühren soll, hat der Forscher auch freies Feld, die evangelische Geschichte und die Dogmen des christlichen Lehrbegriffes nur im Zusammenhang mit den übrigen mystisch-religiösen Traditionen des Orients zu betrachten.</p> </div> </body> </text> </TEI> [171/0173]
einander gehalten wurde, flossen auch gewöhnlich alle Begriffe, die wir jezt zu sondern und in bestimmte Fächer zu stellen wissen, in einander. Dasjenige, was der Einzelne wußte, konnte noch so gering seyn, aber er bildete sich ein Ganzes daraus; eben so in der evangelischen Geschichte, wie sie von den Geschichtschreibern aufgefaßt wurde. Sie waren nicht im Stande, so wie wir, an der Hand der Chronologie in der Geschichte vorzuschreiten, sondern sie wirkten einen Stoff, der ohnehin ihr Herz drängte, in einander und verfielen auch in den Fehler Ungebildeter, das einemal, wo man Gelegenheit hat, etwas zu sagen, gleich auch Alles zu sagen, was man weiß, wie denn in dieser Hinsicht Johannes schon am Beginn seines Evangeliums durch seine Lehre vom Logos der spätern Kritik eine Blöße gegeben hat, die allem wohlbegründeten Zweifel an dem Wunderbaren in der evangelischen Geschichte Berechtigung gibt. 7) Durch diesen Johannei’schen offenbaren Beweis mit dem Logos, daß sich die evangelische Geschichte vom Orientalismus, nicht bloß der Form, sondern auch dem Jnhalte nach, nicht frei erhalten konnte, durch diese Berechtigung, die um so schlagender ist, da sie ja von einem Augenzeugen herrühren soll, hat der Forscher auch freies Feld, die evangelische Geschichte und die Dogmen des christlichen Lehrbegriffes nur im Zusammenhang mit den übrigen mystisch-religiösen Traditionen des Orients zu betrachten.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/173>, abgerufen am 16.02.2025. |