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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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wird also von dieser Meinung als ein Hilfsmittel zur Kritik des überlieferten Glaubens genommen, wenn sie auch in Abrede stellt, daß das Religiös-verbindliche selbst jemals ein unmittelbares Machwerk der Vernunft seyn könne.

Die streitenden Parteien innerhalb der christlichen Kirche entfernen sich zu sehr von dem Wesen der Religion überhaupt. Es liegt ohne Zweifel in dem Ausdruck: "Vernunftreligion" ein Widerspruch oder wenigstens eine Zusammenstellung zweier Wörter, die nicht zusammen gehören. Wenn Vernunftreligion das Erzeugniß und das Gesetz der Vernunft seyn soll, dann begreift man nicht, warum die Vernunft überhaupt noch der Religion bedarf und weßhalb sie sich selbst herablasse, noch eine Erregung ihres innersten Wesens zuzugestehen, die nicht schon in ihr selbst läge. Weit richtiger wäre der Ausdruck, wenn unter ihm bloß die Nagelprobe verstanden seyn sollte, welche allerdings die Religion vor der Vernunft zu bestehen hat, so daß die Vernunftreligion deßhalb vernünftig genannt wird, weil sie nicht wider die Vernunft ist. Denn man muß darauf zurückkommen: die Religion ist zunächst nichts, das mit der Vernunft aus einem andern Grund in Berührung kommen dürfte, als darum, daß sie so gut der Prüfstein der Religion ist, wie z. B. der Kunst. Die Phantasie hat noch Niemand für das Produkt der Vernunft ausgegeben, wie auch noch Niemand sagte: Vernunftphantasie. Darum hört aber

wird also von dieser Meinung als ein Hilfsmittel zur Kritik des überlieferten Glaubens genommen, wenn sie auch in Abrede stellt, daß das Religiös-verbindliche selbst jemals ein unmittelbares Machwerk der Vernunft seyn könne.

Die streitenden Parteien innerhalb der christlichen Kirche entfernen sich zu sehr von dem Wesen der Religion überhaupt. Es liegt ohne Zweifel in dem Ausdruck: "Vernunftreligion" ein Widerspruch oder wenigstens eine Zusammenstellung zweier Wörter, die nicht zusammen gehören. Wenn Vernunftreligion das Erzeugniß und das Gesetz der Vernunft seyn soll, dann begreift man nicht, warum die Vernunft überhaupt noch der Religion bedarf und weßhalb sie sich selbst herablasse, noch eine Erregung ihres innersten Wesens zuzugestehen, die nicht schon in ihr selbst läge. Weit richtiger wäre der Ausdruck, wenn unter ihm bloß die Nagelprobe verstanden seyn sollte, welche allerdings die Religion vor der Vernunft zu bestehen hat, so daß die Vernunftreligion deßhalb vernünftig genannt wird, weil sie nicht wider die Vernunft ist. Denn man muß darauf zurückkommen: die Religion ist zunächst nichts, das mit der Vernunft aus einem andern Grund in Berührung kommen dürfte, als darum, daß sie so gut der Prüfstein der Religion ist, wie z. B. der Kunst. Die Phantasie hat noch Niemand für das Produkt der Vernunft ausgegeben, wie auch noch Niemand sagte: Vernunftphantasie. Darum hört aber

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[162/0164] wird also von dieser Meinung als ein Hilfsmittel zur Kritik des überlieferten Glaubens genommen, wenn sie auch in Abrede stellt, daß das Religiös-verbindliche selbst jemals ein unmittelbares Machwerk der Vernunft seyn könne. Die streitenden Parteien innerhalb der christlichen Kirche entfernen sich zu sehr von dem Wesen der Religion überhaupt. Es liegt ohne Zweifel in dem Ausdruck: "Vernunftreligion" ein Widerspruch oder wenigstens eine Zusammenstellung zweier Wörter, die nicht zusammen gehören. Wenn Vernunftreligion das Erzeugniß und das Gesetz der Vernunft seyn soll, dann begreift man nicht, warum die Vernunft überhaupt noch der Religion bedarf und weßhalb sie sich selbst herablasse, noch eine Erregung ihres innersten Wesens zuzugestehen, die nicht schon in ihr selbst läge. Weit richtiger wäre der Ausdruck, wenn unter ihm bloß die Nagelprobe verstanden seyn sollte, welche allerdings die Religion vor der Vernunft zu bestehen hat, so daß die Vernunftreligion deßhalb vernünftig genannt wird, weil sie nicht wider die Vernunft ist. Denn man muß darauf zurückkommen: die Religion ist zunächst nichts, das mit der Vernunft aus einem andern Grund in Berührung kommen dürfte, als darum, daß sie so gut der Prüfstein der Religion ist, wie z. B. der Kunst. Die Phantasie hat noch Niemand für das Produkt der Vernunft ausgegeben, wie auch noch Niemand sagte: Vernunftphantasie. Darum hört aber

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/164>, abgerufen am 22.11.2024.