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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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überzeugten sich, daß die wahre Meisterschaft allerdings in der persönlichen Kraft des Einzelnen liegt, aber daß selbst den Gemälden eines Titian und Raphael kein so großer Zauber inwohnen würde, wenn sich die Phantasie dieser Künstler nicht an den Hintergrund ihrer Zeit und des damaligen Lebens hätte lehnen können. Wie viel Aufforderung, die kalten, zweifelnden Stimmungen zu bekämpfen und Ernst und Thatkraft wieder herzustellen! Dazu kam, daß die Unbill der Ereignisse selbst, und namentlich ihre auf die Volkswohlfahrt wirkenden Nachwehen, daß die Verletzungen der Nationalitäten und die Demüthigung stolzer Fürstengeschlechter die Menschen mannigfach erregte, an den Himmel und das ewige Recht zu appelliren. Die Kräftigen boten sich der Gerechtigkeit selbst als Schwert der Rache an, die Sanfteren zogen sich in die Einsamkeit zurück, um jenen trauten Umgang mit dem Geheimnißvollen zu nähren, welcher in der Form des Pietismus zwar Nichts so sehr untergräbt, als die Kirche, aber auch Nichts so sehr gehoben hat, als die Religion. Ja, selbst wo man von einer so krankhaften und trägen Erregung der Gefühle und einer im wässerigen Auge des Pietismus unstät umherirrenden Gedankenlosigkeit sich verlezt fühlte, da sah doch der ernste Denker, dem nur der Mangel an Freiheit in jener Verwirrung, an Selbstbewußtseyn und freudigem Menschenstolze so widerwärtig war, daß allerdings diese krankhafte Absonderung von der

überzeugten sich, daß die wahre Meisterschaft allerdings in der persönlichen Kraft des Einzelnen liegt, aber daß selbst den Gemälden eines Titian und Raphael kein so großer Zauber inwohnen würde, wenn sich die Phantasie dieser Künstler nicht an den Hintergrund ihrer Zeit und des damaligen Lebens hätte lehnen können. Wie viel Aufforderung, die kalten, zweifelnden Stimmungen zu bekämpfen und Ernst und Thatkraft wieder herzustellen! Dazu kam, daß die Unbill der Ereignisse selbst, und namentlich ihre auf die Volkswohlfahrt wirkenden Nachwehen, daß die Verletzungen der Nationalitäten und die Demüthigung stolzer Fürstengeschlechter die Menschen mannigfach erregte, an den Himmel und das ewige Recht zu appelliren. Die Kräftigen boten sich der Gerechtigkeit selbst als Schwert der Rache an, die Sanfteren zogen sich in die Einsamkeit zurück, um jenen trauten Umgang mit dem Geheimnißvollen zu nähren, welcher in der Form des Pietismus zwar Nichts so sehr untergräbt, als die Kirche, aber auch Nichts so sehr gehoben hat, als die Religion. Ja, selbst wo man von einer so krankhaften und trägen Erregung der Gefühle und einer im wässerigen Auge des Pietismus unstät umherirrenden Gedankenlosigkeit sich verlezt fühlte, da sah doch der ernste Denker, dem nur der Mangel an Freiheit in jener Verwirrung, an Selbstbewußtseyn und freudigem Menschenstolze so widerwärtig war, daß allerdings diese krankhafte Absonderung von der

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[155/0157] überzeugten sich, daß die wahre Meisterschaft allerdings in der persönlichen Kraft des Einzelnen liegt, aber daß selbst den Gemälden eines Titian und Raphael kein so großer Zauber inwohnen würde, wenn sich die Phantasie dieser Künstler nicht an den Hintergrund ihrer Zeit und des damaligen Lebens hätte lehnen können. Wie viel Aufforderung, die kalten, zweifelnden Stimmungen zu bekämpfen und Ernst und Thatkraft wieder herzustellen! Dazu kam, daß die Unbill der Ereignisse selbst, und namentlich ihre auf die Volkswohlfahrt wirkenden Nachwehen, daß die Verletzungen der Nationalitäten und die Demüthigung stolzer Fürstengeschlechter die Menschen mannigfach erregte, an den Himmel und das ewige Recht zu appelliren. Die Kräftigen boten sich der Gerechtigkeit selbst als Schwert der Rache an, die Sanfteren zogen sich in die Einsamkeit zurück, um jenen trauten Umgang mit dem Geheimnißvollen zu nähren, welcher in der Form des Pietismus zwar Nichts so sehr untergräbt, als die Kirche, aber auch Nichts so sehr gehoben hat, als die Religion. Ja, selbst wo man von einer so krankhaften und trägen Erregung der Gefühle und einer im wässerigen Auge des Pietismus unstät umherirrenden Gedankenlosigkeit sich verlezt fühlte, da sah doch der ernste Denker, dem nur der Mangel an Freiheit in jener Verwirrung, an Selbstbewußtseyn und freudigem Menschenstolze so widerwärtig war, daß allerdings diese krankhafte Absonderung von der

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/157>, abgerufen am 25.11.2024.