Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.ihnen wegrollten. So kam es, daß diese gewaltigen Geburtswehen einer neuen Zeit, deren in Heiterkeit erzeugte und in Schmerz geborene Söhne wir sind, das Eigenthum der Kirche - ich meine die in den Gemüthern gelegenen geistigen Besitzthümer derselben - wenig verlezten; ja im Gegentheil schossen die dreigespaltenen Kleeblätter der christlichen Liebe aus der Wiese des Lebens frischer und grüner empor als je, da sich die Wolken oft genug entladen und Berg und Thal erquickt hatten. Unglück hebt, ein Ungewitter befruchtet. Die Empfindungen der Menschen, ihre Bestrebungen in allen Gebieten wurden nach endlicher Beilegung des langen Völkerkampfes muthiger und kräftiger; was in Frage stand, wurde mit ernstem Sinne angesprochen, der Anspruch wurde dringlicher wiederholt und wohl gar in Drohung verwandelt. So traten auch Kirche und Religion mit festen Schritten auf, entwickelten durch inneren Parteienkampf eine Fülle bisher unbekannter Lebenskraft; es war, als hätte die Zeit so Wunderbares und Außerordentliches selbst erlebt, als hätten die Menschen in dem Grade ihre Maßstäbe vergrößert, daß nun wohl auch in dem Gebäude des Christenthums der großartige Grundriß behauptet werden konnte. Der Himmel schien der Erde näher gebracht und das Wunder weniger unmöglich zu seyn. Die Zeitgenossen fühlten, daß sie nach so langer Zerstörung ein neues Leben aufzubauen hätten. Die Gebildeten unter ihnen ihnen wegrollten. So kam es, daß diese gewaltigen Geburtswehen einer neuen Zeit, deren in Heiterkeit erzeugte und in Schmerz geborene Söhne wir sind, das Eigenthum der Kirche – ich meine die in den Gemüthern gelegenen geistigen Besitzthümer derselben – wenig verlezten; ja im Gegentheil schossen die dreigespaltenen Kleeblätter der christlichen Liebe aus der Wiese des Lebens frischer und grüner empor als je, da sich die Wolken oft genug entladen und Berg und Thal erquickt hatten. Unglück hebt, ein Ungewitter befruchtet. Die Empfindungen der Menschen, ihre Bestrebungen in allen Gebieten wurden nach endlicher Beilegung des langen Völkerkampfes muthiger und kräftiger; was in Frage stand, wurde mit ernstem Sinne angesprochen, der Anspruch wurde dringlicher wiederholt und wohl gar in Drohung verwandelt. So traten auch Kirche und Religion mit festen Schritten auf, entwickelten durch inneren Parteienkampf eine Fülle bisher unbekannter Lebenskraft; es war, als hätte die Zeit so Wunderbares und Außerordentliches selbst erlebt, als hätten die Menschen in dem Grade ihre Maßstäbe vergrößert, daß nun wohl auch in dem Gebäude des Christenthums der großartige Grundriß behauptet werden konnte. Der Himmel schien der Erde näher gebracht und das Wunder weniger unmöglich zu seyn. Die Zeitgenossen fühlten, daß sie nach so langer Zerstörung ein neues Leben aufzubauen hätten. Die Gebildeten unter ihnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0155" n="153"/> ihnen wegrollten. So kam es, daß diese gewaltigen Geburtswehen einer neuen Zeit, deren in Heiterkeit erzeugte und in Schmerz geborene Söhne wir sind, das Eigenthum der Kirche – ich meine die in den Gemüthern gelegenen geistigen Besitzthümer derselben – wenig verlezten; ja im Gegentheil schossen die dreigespaltenen Kleeblätter der christlichen Liebe aus der Wiese des Lebens frischer und grüner empor als je, da sich die Wolken oft genug entladen und Berg und Thal erquickt hatten. Unglück hebt, ein Ungewitter befruchtet. Die Empfindungen der Menschen, ihre Bestrebungen in allen Gebieten wurden nach endlicher Beilegung des langen Völkerkampfes muthiger und kräftiger; was in Frage stand, wurde mit ernstem Sinne angesprochen, der Anspruch wurde dringlicher wiederholt und wohl gar in Drohung verwandelt. So traten auch Kirche und Religion mit festen Schritten auf, entwickelten durch inneren Parteienkampf eine Fülle bisher unbekannter Lebenskraft; es war, als hätte die Zeit so Wunderbares und Außerordentliches selbst erlebt, als hätten die Menschen in dem Grade ihre Maßstäbe vergrößert, daß nun wohl auch in dem Gebäude des Christenthums der großartige Grundriß behauptet werden konnte. Der Himmel schien der Erde näher gebracht und das Wunder weniger unmöglich zu seyn. Die Zeitgenossen fühlten, daß sie nach so langer Zerstörung ein neues Leben aufzubauen hätten. Die Gebildeten unter ihnen </p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0155]
ihnen wegrollten. So kam es, daß diese gewaltigen Geburtswehen einer neuen Zeit, deren in Heiterkeit erzeugte und in Schmerz geborene Söhne wir sind, das Eigenthum der Kirche – ich meine die in den Gemüthern gelegenen geistigen Besitzthümer derselben – wenig verlezten; ja im Gegentheil schossen die dreigespaltenen Kleeblätter der christlichen Liebe aus der Wiese des Lebens frischer und grüner empor als je, da sich die Wolken oft genug entladen und Berg und Thal erquickt hatten. Unglück hebt, ein Ungewitter befruchtet. Die Empfindungen der Menschen, ihre Bestrebungen in allen Gebieten wurden nach endlicher Beilegung des langen Völkerkampfes muthiger und kräftiger; was in Frage stand, wurde mit ernstem Sinne angesprochen, der Anspruch wurde dringlicher wiederholt und wohl gar in Drohung verwandelt. So traten auch Kirche und Religion mit festen Schritten auf, entwickelten durch inneren Parteienkampf eine Fülle bisher unbekannter Lebenskraft; es war, als hätte die Zeit so Wunderbares und Außerordentliches selbst erlebt, als hätten die Menschen in dem Grade ihre Maßstäbe vergrößert, daß nun wohl auch in dem Gebäude des Christenthums der großartige Grundriß behauptet werden konnte. Der Himmel schien der Erde näher gebracht und das Wunder weniger unmöglich zu seyn. Die Zeitgenossen fühlten, daß sie nach so langer Zerstörung ein neues Leben aufzubauen hätten. Die Gebildeten unter ihnen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |