Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.politischen Welt geben, wo die linke Seite, wenn sie auch nicht das Heft der Regierung in Händen hat, darum doch nicht aufhört, dem gemeinsamen Vaterlande einverleibt zu bleiben und den einmal empfangenen Stempel des Ganzen überall, selbst noch im Auslande zu zeigen, nämlich in der sie Alle liebenden und umschließenden Muttersprache. Die Geistlichkeit weiß auch zu wohl, daß die Kirche nicht bloß da ist, wo eine Kanzel ist, sondern sie liegt beständig im Streite mit den Richtungen, die sie sich feindlich glaubt, sucht sie zu gewinnen und hütet sich wohl, sich eine größere Gewalt zuzutrauen. Sie erklärt die Taufe für einen bürgerlichen Akt schon dadurch, daß sie denen, welche für den neugeborenen Weltbürger das Glaubensbekenntniß ablegen, nach Umständen eine strengere oder nachgiebigere Formel anzubieten hat, ja daß sie sogar zugesteht, der Pathe solle nicht sein eigenes Bekenntniß ablegen, sondern nur sagen, ob er wünsche, daß das Kind in einer Weise erzogen werde, die gar nicht mehr zu umgehen ist, weil sie zur bürgerlichen Ordnung gehört. So die Meinung toleranter Theologen! Strengere, die bei dieser oder jener Gelegenheit 36 Artikel beschworen wissen wollen, oder Gesetzesvorschriften, die diesen Schwur zur Bedingung von Rechten und Aemtern machen, gehören der Zeit nicht mehr an und nähren nur noch auf beklagenswerthe Weise den Rest von Erbitterung gegen die Kirche, der sich vom vorigen Jahrhundert auf das unsrige vererbt haben politischen Welt geben, wo die linke Seite, wenn sie auch nicht das Heft der Regierung in Händen hat, darum doch nicht aufhört, dem gemeinsamen Vaterlande einverleibt zu bleiben und den einmal empfangenen Stempel des Ganzen überall, selbst noch im Auslande zu zeigen, nämlich in der sie Alle liebenden und umschließenden Muttersprache. Die Geistlichkeit weiß auch zu wohl, daß die Kirche nicht bloß da ist, wo eine Kanzel ist, sondern sie liegt beständig im Streite mit den Richtungen, die sie sich feindlich glaubt, sucht sie zu gewinnen und hütet sich wohl, sich eine größere Gewalt zuzutrauen. Sie erklärt die Taufe für einen bürgerlichen Akt schon dadurch, daß sie denen, welche für den neugeborenen Weltbürger das Glaubensbekenntniß ablegen, nach Umständen eine strengere oder nachgiebigere Formel anzubieten hat, ja daß sie sogar zugesteht, der Pathe solle nicht sein eigenes Bekenntniß ablegen, sondern nur sagen, ob er wünsche, daß das Kind in einer Weise erzogen werde, die gar nicht mehr zu umgehen ist, weil sie zur bürgerlichen Ordnung gehört. So die Meinung toleranter Theologen! Strengere, die bei dieser oder jener Gelegenheit 36 Artikel beschworen wissen wollen, oder Gesetzesvorschriften, die diesen Schwur zur Bedingung von Rechten und Aemtern machen, gehören der Zeit nicht mehr an und nähren nur noch auf beklagenswerthe Weise den Rest von Erbitterung gegen die Kirche, der sich vom vorigen Jahrhundert auf das unsrige vererbt haben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="148"/> politischen Welt geben, wo die linke Seite, wenn sie auch nicht das Heft der Regierung in Händen hat, darum doch nicht aufhört, dem gemeinsamen Vaterlande einverleibt zu bleiben und den einmal empfangenen Stempel des Ganzen überall, selbst noch im Auslande zu zeigen, nämlich in der sie Alle liebenden und umschließenden Muttersprache. Die Geistlichkeit weiß auch zu wohl, daß die Kirche nicht bloß da ist, wo eine Kanzel ist, sondern sie liegt beständig im Streite mit den Richtungen, die sie sich feindlich glaubt, sucht sie zu gewinnen und hütet sich wohl, sich eine größere Gewalt zuzutrauen. Sie erklärt die Taufe für einen bürgerlichen Akt schon dadurch, daß sie denen, welche für den neugeborenen Weltbürger das Glaubensbekenntniß ablegen, nach Umständen eine strengere oder nachgiebigere Formel anzubieten hat, ja daß sie sogar zugesteht, der Pathe solle nicht sein eigenes Bekenntniß ablegen, sondern nur sagen, ob er wünsche, daß das Kind in einer Weise erzogen werde, die gar nicht mehr zu umgehen ist, weil sie zur bürgerlichen Ordnung gehört. So die Meinung toleranter Theologen! Strengere, die bei dieser oder jener Gelegenheit 36 Artikel beschworen wissen wollen, oder Gesetzesvorschriften, die diesen Schwur zur Bedingung von Rechten und Aemtern machen, gehören der Zeit nicht mehr an und nähren nur noch auf beklagenswerthe Weise den Rest von Erbitterung gegen die Kirche, der sich vom vorigen Jahrhundert auf das unsrige vererbt haben </p> </div> </body> </text> </TEI> [148/0150]
politischen Welt geben, wo die linke Seite, wenn sie auch nicht das Heft der Regierung in Händen hat, darum doch nicht aufhört, dem gemeinsamen Vaterlande einverleibt zu bleiben und den einmal empfangenen Stempel des Ganzen überall, selbst noch im Auslande zu zeigen, nämlich in der sie Alle liebenden und umschließenden Muttersprache. Die Geistlichkeit weiß auch zu wohl, daß die Kirche nicht bloß da ist, wo eine Kanzel ist, sondern sie liegt beständig im Streite mit den Richtungen, die sie sich feindlich glaubt, sucht sie zu gewinnen und hütet sich wohl, sich eine größere Gewalt zuzutrauen. Sie erklärt die Taufe für einen bürgerlichen Akt schon dadurch, daß sie denen, welche für den neugeborenen Weltbürger das Glaubensbekenntniß ablegen, nach Umständen eine strengere oder nachgiebigere Formel anzubieten hat, ja daß sie sogar zugesteht, der Pathe solle nicht sein eigenes Bekenntniß ablegen, sondern nur sagen, ob er wünsche, daß das Kind in einer Weise erzogen werde, die gar nicht mehr zu umgehen ist, weil sie zur bürgerlichen Ordnung gehört. So die Meinung toleranter Theologen! Strengere, die bei dieser oder jener Gelegenheit 36 Artikel beschworen wissen wollen, oder Gesetzesvorschriften, die diesen Schwur zur Bedingung von Rechten und Aemtern machen, gehören der Zeit nicht mehr an und nähren nur noch auf beklagenswerthe Weise den Rest von Erbitterung gegen die Kirche, der sich vom vorigen Jahrhundert auf das unsrige vererbt haben
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/150>, abgerufen am 16.02.2025. |