Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.dieselbe, in der unwiderstehlichen Kraft aller jener Fragen, die sich einmal mit der Hauptsache, um welche sich unsere Zeit bewegt, verbunden haben, und begeisterte, das Gemüth anregende Fürsprache fanden. Und in dieser Rücksicht ist die Todesstrafe schon zur Hälfte abgeschafft; indem ihr die barbarische Erhöhung der beim Tode auszustehenden Qualen genommen wurde, das Rad, das Beil, ja sogar schon das Schwert, indem ihr an vielen Orten schon Nichts mehr blieb, als der Strick, so wird auch dieser bald reißen. Das Viertheilen konnte abschrecken, der Feuertod, das Zerschlagen der Glieder mit Keulen, allein die Guillotine schreckt nicht mehr, weil durch sie im Nu das ängstliche Drama beendigt ist. Die Empörung des Gefühls, die einmal in der Menschheit gegen die Todesstrafe ausgebrochen ist, wird sich durch Nichts mehr beschwichtigen lassen. Selbst gegen den verworfensten Verbrecher wird sich in sanften Gemüthern (und in Culturfragen siegen diese, nicht die schroffen) der Abscheu mildern, wenn man voraussetzen kann, daß der Elende sein Verbrechen durchschaut, es bereut und Monate, ja bei manchem schlechten Justizgang Jahre lang die Seelenangst um den künftigen Tod durch Henkershand aussteht. Diese Seelenangst, dies innere Zittern und Beben, bis Alles vorbei ist, darin sollte eigentlich die wahre Abschreckung liegen; allein wodurch soll man dies der Masse verständlich machen? Die Masse sieht nur den Tod, nicht die fürchterliche dieselbe, in der unwiderstehlichen Kraft aller jener Fragen, die sich einmal mit der Hauptsache, um welche sich unsere Zeit bewegt, verbunden haben, und begeisterte, das Gemüth anregende Fürsprache fanden. Und in dieser Rücksicht ist die Todesstrafe schon zur Hälfte abgeschafft; indem ihr die barbarische Erhöhung der beim Tode auszustehenden Qualen genommen wurde, das Rad, das Beil, ja sogar schon das Schwert, indem ihr an vielen Orten schon Nichts mehr blieb, als der Strick, so wird auch dieser bald reißen. Das Viertheilen konnte abschrecken, der Feuertod, das Zerschlagen der Glieder mit Keulen, allein die Guillotine schreckt nicht mehr, weil durch sie im Nu das ängstliche Drama beendigt ist. Die Empörung des Gefühls, die einmal in der Menschheit gegen die Todesstrafe ausgebrochen ist, wird sich durch Nichts mehr beschwichtigen lassen. Selbst gegen den verworfensten Verbrecher wird sich in sanften Gemüthern (und in Culturfragen siegen diese, nicht die schroffen) der Abscheu mildern, wenn man voraussetzen kann, daß der Elende sein Verbrechen durchschaut, es bereut und Monate, ja bei manchem schlechten Justizgang Jahre lang die Seelenangst um den künftigen Tod durch Henkershand aussteht. Diese Seelenangst, dies innere Zittern und Beben, bis Alles vorbei ist, darin sollte eigentlich die wahre Abschreckung liegen; allein wodurch soll man dies der Masse verständlich machen? Die Masse sieht nur den Tod, nicht die fürchterliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0120" n="118"/> dieselbe, in der unwiderstehlichen Kraft aller jener Fragen, die sich einmal mit der Hauptsache, um welche sich unsere Zeit bewegt, verbunden haben, und begeisterte, das Gemüth anregende Fürsprache fanden. Und in dieser Rücksicht ist die Todesstrafe schon zur Hälfte abgeschafft; indem ihr die barbarische Erhöhung der beim Tode auszustehenden Qualen genommen wurde, das Rad, das Beil, ja sogar schon das Schwert, indem ihr an vielen Orten schon Nichts mehr blieb, als der Strick, so wird auch dieser bald reißen. Das Viertheilen konnte <hi rendition="#g">abschrecken</hi>, der Feuertod, das Zerschlagen der Glieder mit Keulen, allein die Guillotine schreckt nicht mehr, weil durch sie im Nu das ängstliche Drama beendigt ist. Die Empörung des Gefühls, die einmal in der Menschheit gegen die Todesstrafe ausgebrochen ist, wird sich durch Nichts mehr beschwichtigen lassen. Selbst gegen den verworfensten Verbrecher wird sich in sanften Gemüthern (und in Culturfragen siegen diese, nicht die schroffen) der Abscheu mildern, wenn man voraussetzen kann, daß der Elende sein Verbrechen durchschaut, es bereut und Monate, ja bei manchem schlechten Justizgang Jahre lang die Seelenangst um den künftigen Tod durch Henkershand aussteht. Diese Seelenangst, dies innere Zittern und Beben, bis Alles vorbei ist, darin sollte eigentlich die wahre Abschreckung liegen; allein wodurch soll man dies der Masse verständlich machen? Die Masse sieht nur den Tod, nicht die fürchterliche </p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0120]
dieselbe, in der unwiderstehlichen Kraft aller jener Fragen, die sich einmal mit der Hauptsache, um welche sich unsere Zeit bewegt, verbunden haben, und begeisterte, das Gemüth anregende Fürsprache fanden. Und in dieser Rücksicht ist die Todesstrafe schon zur Hälfte abgeschafft; indem ihr die barbarische Erhöhung der beim Tode auszustehenden Qualen genommen wurde, das Rad, das Beil, ja sogar schon das Schwert, indem ihr an vielen Orten schon Nichts mehr blieb, als der Strick, so wird auch dieser bald reißen. Das Viertheilen konnte abschrecken, der Feuertod, das Zerschlagen der Glieder mit Keulen, allein die Guillotine schreckt nicht mehr, weil durch sie im Nu das ängstliche Drama beendigt ist. Die Empörung des Gefühls, die einmal in der Menschheit gegen die Todesstrafe ausgebrochen ist, wird sich durch Nichts mehr beschwichtigen lassen. Selbst gegen den verworfensten Verbrecher wird sich in sanften Gemüthern (und in Culturfragen siegen diese, nicht die schroffen) der Abscheu mildern, wenn man voraussetzen kann, daß der Elende sein Verbrechen durchschaut, es bereut und Monate, ja bei manchem schlechten Justizgang Jahre lang die Seelenangst um den künftigen Tod durch Henkershand aussteht. Diese Seelenangst, dies innere Zittern und Beben, bis Alles vorbei ist, darin sollte eigentlich die wahre Abschreckung liegen; allein wodurch soll man dies der Masse verständlich machen? Die Masse sieht nur den Tod, nicht die fürchterliche
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/120>, abgerufen am 28.07.2024. |