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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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allerdings mit dem Gedanken führen, daß ihn der Delinquent verdient hat; allein sich für ein auserkohrnes Werkzeug der Gerechtigkeit zu halten, eine Strafe, die nicht mehr innerhalb der bürgerlichen Grenzen liegt, sondern eine allgemein menschliche ist, auszuführen, dazu hat der Einzelne unmöglich die göttliche Conzession erhalten. Man führe sich das Henkeramt doch nur auf den natürlichen Stand der Dinge zurück und setze den Fall, ein außerordentliches Verbrechen solle an einem Elenden durch den Tod gesühnt werden. Die Regierung ruft in die versammelte Volksmenge hinunter, wer das Strafamt übernehmen wolle; ja, sie werden Alle den Verbrecher verfluchen, aber Niemand wird begreifen können, wie er ihn, in Uebereinstimmung mit seinen Gefühlen, um das verwirkte Leben bringen soll; und man kann gewiß seyn, tritt ein Mann hervor und sagt: "ich will es thun"; so wird er gewiß einen hohen Preis darauf setzen und in seinem Herzen schon längst ein Todtschläger geworden seyn, und Nichts bewähren, als schon seine eigene Verwandtschaft mit dem Rabenstein. Oder gibt es heroische Naturen, die mit Enthusiasmus als die göttliche Gerechtigkeit auftreten wollen, wie das bei den mannigfaltigen Arten des menschlichen Wahnsinns wohl möglich ist, so kann man gewiß seyn, daß sein Anerbieten Nichts ist, als ein Weg, der ihn von dem Jrrenhause, wohin er gehört, mit Schicklichkeit abführen soll. Warum spricht man bei der Todesstrafe

allerdings mit dem Gedanken führen, daß ihn der Delinquent verdient hat; allein sich für ein auserkohrnes Werkzeug der Gerechtigkeit zu halten, eine Strafe, die nicht mehr innerhalb der bürgerlichen Grenzen liegt, sondern eine allgemein menschliche ist, auszuführen, dazu hat der Einzelne unmöglich die göttliche Conzession erhalten. Man führe sich das Henkeramt doch nur auf den natürlichen Stand der Dinge zurück und setze den Fall, ein außerordentliches Verbrechen solle an einem Elenden durch den Tod gesühnt werden. Die Regierung ruft in die versammelte Volksmenge hinunter, wer das Strafamt übernehmen wolle; ja, sie werden Alle den Verbrecher verfluchen, aber Niemand wird begreifen können, wie er ihn, in Uebereinstimmung mit seinen Gefühlen, um das verwirkte Leben bringen soll; und man kann gewiß seyn, tritt ein Mann hervor und sagt: "ich will es thun"; so wird er gewiß einen hohen Preis darauf setzen und in seinem Herzen schon längst ein Todtschläger geworden seyn, und Nichts bewähren, als schon seine eigene Verwandtschaft mit dem Rabenstein. Oder gibt es heroische Naturen, die mit Enthusiasmus als die göttliche Gerechtigkeit auftreten wollen, wie das bei den mannigfaltigen Arten des menschlichen Wahnsinns wohl möglich ist, so kann man gewiß seyn, daß sein Anerbieten Nichts ist, als ein Weg, der ihn von dem Jrrenhause, wohin er gehört, mit Schicklichkeit abführen soll. Warum spricht man bei der Todesstrafe

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[107/0109] allerdings mit dem Gedanken führen, daß ihn der Delinquent verdient hat; allein sich für ein auserkohrnes Werkzeug der Gerechtigkeit zu halten, eine Strafe, die nicht mehr innerhalb der bürgerlichen Grenzen liegt, sondern eine allgemein menschliche ist, auszuführen, dazu hat der Einzelne unmöglich die göttliche Conzession erhalten. Man führe sich das Henkeramt doch nur auf den natürlichen Stand der Dinge zurück und setze den Fall, ein außerordentliches Verbrechen solle an einem Elenden durch den Tod gesühnt werden. Die Regierung ruft in die versammelte Volksmenge hinunter, wer das Strafamt übernehmen wolle; ja, sie werden Alle den Verbrecher verfluchen, aber Niemand wird begreifen können, wie er ihn, in Uebereinstimmung mit seinen Gefühlen, um das verwirkte Leben bringen soll; und man kann gewiß seyn, tritt ein Mann hervor und sagt: "ich will es thun"; so wird er gewiß einen hohen Preis darauf setzen und in seinem Herzen schon längst ein Todtschläger geworden seyn, und Nichts bewähren, als schon seine eigene Verwandtschaft mit dem Rabenstein. Oder gibt es heroische Naturen, die mit Enthusiasmus als die göttliche Gerechtigkeit auftreten wollen, wie das bei den mannigfaltigen Arten des menschlichen Wahnsinns wohl möglich ist, so kann man gewiß seyn, daß sein Anerbieten Nichts ist, als ein Weg, der ihn von dem Jrrenhause, wohin er gehört, mit Schicklichkeit abführen soll. Warum spricht man bei der Todesstrafe

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/109>, abgerufen am 25.11.2024.