Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.dazu zwingen, und selbst in den christlichen Zeiten konnte man sich die Henker nur wie gesellschaftliche Paria's erziehen oder konnte nur Verbrecher, die sich loszukaufen suchten, für das schreckliche Amt gewinnen, mußte auch wohl gar Mordlustige, die in einer Maske auf dem Schaffot erschienen, dazu auffordern. Wir sprechen sehr leicht über Nothwendigkeit und Zuläßigkeit der Todesstrafe und vergessen, daß wir im Grund gar kein natürliches Jnstrument haben, um sie anzuwenden. Griechenland z. B. weiß gegenwärtig nicht, wo es für seine schöne, neue Civilisation die Henker herbekommen soll, und muß dazu die bairischen Soldaten oder wohl gar die todwürdigen Verbrecher selbst wählen. Das stehende Amt eines Henkers ist eine durch und durch barbarische Consequenz unseres modernen, soll man sagen, germanischen Lebens! Die Liktoren bei den Römern waren doch wenigstens, wie in Athen die Elf, eine Schaar, vielleicht militärisch oder kollegialisch organisirt. Sie repräsentirten in Masse die dunkle, blutige Gerechtigkeit; es war kein einzelnes Jndividuum, das mit zitterndem, klopfendem Herzen oder im anderen Falle mit entmenschter Brutalität den Mörder hinrichtete. Wer will den formellen Begriff des Staates, diese leere Abstraktion von Gesetz und Gerechtigkeit, so ausdehnen, daß er von der Todesstrafe den Makel entfernen kann, der Henker werde, indem er straft, selbst zu einem Verbrecher erzogen? Er kann den tödtlichen Streich dazu zwingen, und selbst in den christlichen Zeiten konnte man sich die Henker nur wie gesellschaftliche Paria’s erziehen oder konnte nur Verbrecher, die sich loszukaufen suchten, für das schreckliche Amt gewinnen, mußte auch wohl gar Mordlustige, die in einer Maske auf dem Schaffot erschienen, dazu auffordern. Wir sprechen sehr leicht über Nothwendigkeit und Zuläßigkeit der Todesstrafe und vergessen, daß wir im Grund gar kein natürliches Jnstrument haben, um sie anzuwenden. Griechenland z. B. weiß gegenwärtig nicht, wo es für seine schöne, neue Civilisation die Henker herbekommen soll, und muß dazu die bairischen Soldaten oder wohl gar die todwürdigen Verbrecher selbst wählen. Das stehende Amt eines Henkers ist eine durch und durch barbarische Consequenz unseres modernen, soll man sagen, germanischen Lebens! Die Liktoren bei den Römern waren doch wenigstens, wie in Athen die Elf, eine Schaar, vielleicht militärisch oder kollegialisch organisirt. Sie repräsentirten in Masse die dunkle, blutige Gerechtigkeit; es war kein einzelnes Jndividuum, das mit zitterndem, klopfendem Herzen oder im anderen Falle mit entmenschter Brutalität den Mörder hinrichtete. Wer will den formellen Begriff des Staates, diese leere Abstraktion von Gesetz und Gerechtigkeit, so ausdehnen, daß er von der Todesstrafe den Makel entfernen kann, der Henker werde, indem er straft, selbst zu einem Verbrecher erzogen? Er kann den tödtlichen Streich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="106"/> dazu zwingen, und selbst in den christlichen Zeiten konnte man sich die Henker nur wie gesellschaftliche Paria’s erziehen oder konnte nur Verbrecher, die sich loszukaufen suchten, für das schreckliche Amt gewinnen, mußte auch wohl gar Mordlustige, die in einer Maske auf dem Schaffot erschienen, dazu auffordern. Wir sprechen sehr leicht über Nothwendigkeit und Zuläßigkeit der Todesstrafe und vergessen, daß wir im Grund gar kein natürliches Jnstrument haben, um sie anzuwenden. Griechenland z. B. weiß gegenwärtig nicht, wo es für seine schöne, neue Civilisation die Henker herbekommen soll, und muß dazu die bairischen Soldaten oder wohl gar die todwürdigen Verbrecher selbst wählen. Das stehende Amt eines Henkers ist eine durch und durch barbarische Consequenz unseres modernen, soll man sagen, germanischen Lebens! Die Liktoren bei den Römern waren doch wenigstens, wie in Athen die Elf, eine Schaar, vielleicht militärisch oder kollegialisch organisirt. Sie repräsentirten in Masse die dunkle, blutige Gerechtigkeit; es war kein einzelnes Jndividuum, das mit zitterndem, klopfendem Herzen oder im anderen Falle mit entmenschter Brutalität den Mörder hinrichtete. Wer will den formellen Begriff des Staates, diese leere Abstraktion von Gesetz und Gerechtigkeit, so ausdehnen, daß er von der Todesstrafe <hi rendition="#g">den</hi> Makel entfernen kann, der Henker werde, indem er straft, selbst zu einem Verbrecher erzogen? Er kann den tödtlichen Streich </p> </div> </body> </text> </TEI> [106/0108]
dazu zwingen, und selbst in den christlichen Zeiten konnte man sich die Henker nur wie gesellschaftliche Paria’s erziehen oder konnte nur Verbrecher, die sich loszukaufen suchten, für das schreckliche Amt gewinnen, mußte auch wohl gar Mordlustige, die in einer Maske auf dem Schaffot erschienen, dazu auffordern. Wir sprechen sehr leicht über Nothwendigkeit und Zuläßigkeit der Todesstrafe und vergessen, daß wir im Grund gar kein natürliches Jnstrument haben, um sie anzuwenden. Griechenland z. B. weiß gegenwärtig nicht, wo es für seine schöne, neue Civilisation die Henker herbekommen soll, und muß dazu die bairischen Soldaten oder wohl gar die todwürdigen Verbrecher selbst wählen. Das stehende Amt eines Henkers ist eine durch und durch barbarische Consequenz unseres modernen, soll man sagen, germanischen Lebens! Die Liktoren bei den Römern waren doch wenigstens, wie in Athen die Elf, eine Schaar, vielleicht militärisch oder kollegialisch organisirt. Sie repräsentirten in Masse die dunkle, blutige Gerechtigkeit; es war kein einzelnes Jndividuum, das mit zitterndem, klopfendem Herzen oder im anderen Falle mit entmenschter Brutalität den Mörder hinrichtete. Wer will den formellen Begriff des Staates, diese leere Abstraktion von Gesetz und Gerechtigkeit, so ausdehnen, daß er von der Todesstrafe den Makel entfernen kann, der Henker werde, indem er straft, selbst zu einem Verbrecher erzogen? Er kann den tödtlichen Streich
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