Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.einverleibt und ihm von vornherein schon einen Typus gibt, der immer nach der Schlafmütze der Großältern zu greifen scheint. Die Heirathen in der Verwandtschaft vernichten alle freie Ausbildung der Jndividualität; die Natur hat nicht Freiheit mehr und Raum, sich schöpferisch und originell zu bewähren. So kömmt es, daß z. B. in der reichen Stadt Hamburg so wenig körperliche Schönheit unter den Gebildeten zu finden ist, und daß man sie unter den Elementen suchen muß, welche vom Lande in die Stadt kommen, um dort entweder ihre Milch oder ihre Unschuld zu verkaufen. Die Aristokratie der Geburt ist zuletzt diejenige, welche Krüppel erzeugen würde. Dieß ahnte die englische Gentry und hat von jeher, nach Heinrichs VJJJ. verwünschtem aber originellem Beispiele sich immer aus den untern Volksklassen in ihrem stockigen Blute wieder auffrischen lassen. Allein die niedern Stände sind selbst von der Gefahr bedroht, die Consistenz ihres Gesundheitszustandes immer mehr zu verlieren. Es ist schmerzhaft zu sehen, wie in Fabrikstädten die meisten Arbeiter schlank und schön gewachsen sind, und wie sie doch von der Arbeit und den mannigfachen technologischen und Fabrikationseinflüssen, die in der Einsaugung giftiger Stoffe bestehen, ein sieches und mattes Ansehen haben. Die Kartoffel hat sich zu diesem Verderben hinzugesellt. Denn, indem sie das einzige ist, was diese Menschen erhält, ist sie auch dasjenige, was sie tödtet. Man weiß, wie viel einverleibt und ihm von vornherein schon einen Typus gibt, der immer nach der Schlafmütze der Großältern zu greifen scheint. Die Heirathen in der Verwandtschaft vernichten alle freie Ausbildung der Jndividualität; die Natur hat nicht Freiheit mehr und Raum, sich schöpferisch und originell zu bewähren. So kömmt es, daß z. B. in der reichen Stadt Hamburg so wenig körperliche Schönheit unter den Gebildeten zu finden ist, und daß man sie unter den Elementen suchen muß, welche vom Lande in die Stadt kommen, um dort entweder ihre Milch oder ihre Unschuld zu verkaufen. Die Aristokratie der Geburt ist zuletzt diejenige, welche Krüppel erzeugen würde. Dieß ahnte die englische Gentry und hat von jeher, nach Heinrichs VJJJ. verwünschtem aber originellem Beispiele sich immer aus den untern Volksklassen in ihrem stockigen Blute wieder auffrischen lassen. Allein die niedern Stände sind selbst von der Gefahr bedroht, die Consistenz ihres Gesundheitszustandes immer mehr zu verlieren. Es ist schmerzhaft zu sehen, wie in Fabrikstädten die meisten Arbeiter schlank und schön gewachsen sind, und wie sie doch von der Arbeit und den mannigfachen technologischen und Fabrikationseinflüssen, die in der Einsaugung giftiger Stoffe bestehen, ein sieches und mattes Ansehen haben. Die Kartoffel hat sich zu diesem Verderben hinzugesellt. Denn, indem sie das einzige ist, was diese Menschen erhält, ist sie auch dasjenige, was sie tödtet. Man weiß, wie viel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083" n="55"/> einverleibt und ihm von vornherein schon einen Typus gibt, der immer nach der Schlafmütze der Großältern zu greifen scheint. Die Heirathen in der Verwandtschaft vernichten alle freie Ausbildung der Jndividualität; die Natur hat nicht Freiheit mehr und Raum, sich schöpferisch und originell zu bewähren. So kömmt es, daß z. B. in der reichen Stadt Hamburg so wenig körperliche Schönheit unter den Gebildeten zu finden ist, und daß man sie unter den Elementen suchen muß, welche vom Lande in die Stadt kommen, um dort entweder ihre Milch oder ihre Unschuld zu verkaufen. Die Aristokratie der Geburt ist zuletzt diejenige, welche Krüppel erzeugen würde. Dieß ahnte die englische Gentry und hat von jeher, nach Heinrichs <hi rendition="#aq">VJJJ</hi>. verwünschtem aber originellem Beispiele sich immer aus den untern Volksklassen in ihrem stockigen Blute wieder auffrischen lassen.</p> <p>Allein die niedern Stände sind selbst von der Gefahr bedroht, die Consistenz ihres Gesundheitszustandes immer mehr zu verlieren. Es ist schmerzhaft zu sehen, wie in Fabrikstädten die meisten Arbeiter schlank und schön gewachsen sind, und wie sie doch von der Arbeit und den mannigfachen technologischen und Fabrikationseinflüssen, die in der Einsaugung giftiger Stoffe bestehen, ein sieches und mattes Ansehen haben. Die Kartoffel hat sich zu diesem Verderben hinzugesellt. Denn, indem sie das einzige ist, was diese Menschen erhält, ist sie auch dasjenige, was sie tödtet. Man weiß, wie viel </p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0083]
einverleibt und ihm von vornherein schon einen Typus gibt, der immer nach der Schlafmütze der Großältern zu greifen scheint. Die Heirathen in der Verwandtschaft vernichten alle freie Ausbildung der Jndividualität; die Natur hat nicht Freiheit mehr und Raum, sich schöpferisch und originell zu bewähren. So kömmt es, daß z. B. in der reichen Stadt Hamburg so wenig körperliche Schönheit unter den Gebildeten zu finden ist, und daß man sie unter den Elementen suchen muß, welche vom Lande in die Stadt kommen, um dort entweder ihre Milch oder ihre Unschuld zu verkaufen. Die Aristokratie der Geburt ist zuletzt diejenige, welche Krüppel erzeugen würde. Dieß ahnte die englische Gentry und hat von jeher, nach Heinrichs VJJJ. verwünschtem aber originellem Beispiele sich immer aus den untern Volksklassen in ihrem stockigen Blute wieder auffrischen lassen.
Allein die niedern Stände sind selbst von der Gefahr bedroht, die Consistenz ihres Gesundheitszustandes immer mehr zu verlieren. Es ist schmerzhaft zu sehen, wie in Fabrikstädten die meisten Arbeiter schlank und schön gewachsen sind, und wie sie doch von der Arbeit und den mannigfachen technologischen und Fabrikationseinflüssen, die in der Einsaugung giftiger Stoffe bestehen, ein sieches und mattes Ansehen haben. Die Kartoffel hat sich zu diesem Verderben hinzugesellt. Denn, indem sie das einzige ist, was diese Menschen erhält, ist sie auch dasjenige, was sie tödtet. Man weiß, wie viel
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/83>, abgerufen am 16.02.2025. |