Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.der Jrländer Macready nicht allein den unartigen Scherz mit den inhaltlosen Briefen sich erlaubt hatte, sondern daß auch wahrscheinlich das Pasquill von ihm ausgegangen war. Auf einem der bei Hilary ertappten Exemplare fand ich die Zahl der zur Disposition des schlechten Menschen gestellten Nummern in Zahlen mit Bleistift bemerkt, wo die Handschrift ganz dieselbe mit der Adresse auf den erwähnten Briefen war. Und obschon ich nun meiner Schwester diese Vermuthung mittheilte und sie sich aus dem leichtsinnigen Charakter des Jrländers leicht solche Streiche erklären konnte, so war sie doch im Stande, als der junge Mann die Keckheit hatte, wieder ihr Haus zu besuchen, ihn in Freundlichkeiten und Aufmerksamkeiten zu ersticken. Macready war ein sehr reicher Gentleman, der, wie es bei Leuten zu geschehen pflegt, die eine üble Nachrede zu widerlegen suchen, in allen seinen Manieren übertrieb und das Vorurtheil, was der Engländer gegen ihn als Jre hat, durch einen ausschweifenden Dandysmus Lügen zu strafen suchte. Er kleidete sich stets nach der Geschmacklosigkeit der neuesten Mode. Er affektirte Grundsätze, die weit schlechter waren, als vielleicht sein Herz. Ja es lag sogar etwas in seinem Wesen, das mich für ihn hätte einnehmen können und mir wohl erklärte, wie meine Schwester gegen diesen jungen Mann eine Neigung hegte, die an's Auffallende grenzte. Jch hab' es in den Sitten der Hauptstadt öfters bemerkt, wie sehr sie denen zur Qual sind, die oft den meisten Enthusiasmus für der Jrländer Macready nicht allein den unartigen Scherz mit den inhaltlosen Briefen sich erlaubt hatte, sondern daß auch wahrscheinlich das Pasquill von ihm ausgegangen war. Auf einem der bei Hilary ertappten Exemplare fand ich die Zahl der zur Disposition des schlechten Menschen gestellten Nummern in Zahlen mit Bleistift bemerkt, wo die Handschrift ganz dieselbe mit der Adresse auf den erwähnten Briefen war. Und obschon ich nun meiner Schwester diese Vermuthung mittheilte und sie sich aus dem leichtsinnigen Charakter des Jrländers leicht solche Streiche erklären konnte, so war sie doch im Stande, als der junge Mann die Keckheit hatte, wieder ihr Haus zu besuchen, ihn in Freundlichkeiten und Aufmerksamkeiten zu ersticken. Macready war ein sehr reicher Gentleman, der, wie es bei Leuten zu geschehen pflegt, die eine üble Nachrede zu widerlegen suchen, in allen seinen Manieren übertrieb und das Vorurtheil, was der Engländer gegen ihn als Jre hat, durch einen ausschweifenden Dandysmus Lügen zu strafen suchte. Er kleidete sich stets nach der Geschmacklosigkeit der neuesten Mode. Er affektirte Grundsätze, die weit schlechter waren, als vielleicht sein Herz. Ja es lag sogar etwas in seinem Wesen, das mich für ihn hätte einnehmen können und mir wohl erklärte, wie meine Schwester gegen diesen jungen Mann eine Neigung hegte, die an’s Auffallende grenzte. Jch hab’ es in den Sitten der Hauptstadt öfters bemerkt, wie sehr sie denen zur Qual sind, die oft den meisten Enthusiasmus für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0494" n="466"/> der Jrländer Macready nicht allein den unartigen Scherz mit den inhaltlosen Briefen sich erlaubt hatte, sondern daß auch wahrscheinlich das Pasquill von ihm ausgegangen war. Auf einem der bei Hilary ertappten Exemplare fand ich die Zahl der zur Disposition des schlechten Menschen gestellten Nummern in Zahlen mit Bleistift bemerkt, wo die Handschrift ganz dieselbe mit der Adresse auf den erwähnten Briefen war. Und obschon ich nun meiner Schwester diese Vermuthung mittheilte und sie sich aus dem leichtsinnigen Charakter des Jrländers leicht solche Streiche erklären konnte, so war sie doch im Stande, als der junge Mann die Keckheit hatte, wieder ihr Haus zu besuchen, ihn in Freundlichkeiten und Aufmerksamkeiten zu ersticken. Macready war ein sehr reicher Gentleman, der, wie es bei Leuten zu geschehen pflegt, die eine üble Nachrede zu widerlegen suchen, in allen seinen Manieren übertrieb und das Vorurtheil, was der Engländer gegen ihn als Jre hat, durch einen ausschweifenden Dandysmus Lügen zu strafen suchte. Er kleidete sich stets nach der Geschmacklosigkeit der neuesten Mode. Er affektirte Grundsätze, die weit schlechter waren, als vielleicht sein Herz. Ja es lag sogar etwas in seinem Wesen, das mich für ihn hätte einnehmen können und mir wohl erklärte, wie meine Schwester gegen diesen jungen Mann eine Neigung hegte, die an’s Auffallende grenzte. Jch hab’ es in den Sitten der Hauptstadt öfters bemerkt, wie sehr sie denen zur Qual sind, die oft den meisten Enthusiasmus für </p> </div> </body> </text> </TEI> [466/0494]
der Jrländer Macready nicht allein den unartigen Scherz mit den inhaltlosen Briefen sich erlaubt hatte, sondern daß auch wahrscheinlich das Pasquill von ihm ausgegangen war. Auf einem der bei Hilary ertappten Exemplare fand ich die Zahl der zur Disposition des schlechten Menschen gestellten Nummern in Zahlen mit Bleistift bemerkt, wo die Handschrift ganz dieselbe mit der Adresse auf den erwähnten Briefen war. Und obschon ich nun meiner Schwester diese Vermuthung mittheilte und sie sich aus dem leichtsinnigen Charakter des Jrländers leicht solche Streiche erklären konnte, so war sie doch im Stande, als der junge Mann die Keckheit hatte, wieder ihr Haus zu besuchen, ihn in Freundlichkeiten und Aufmerksamkeiten zu ersticken. Macready war ein sehr reicher Gentleman, der, wie es bei Leuten zu geschehen pflegt, die eine üble Nachrede zu widerlegen suchen, in allen seinen Manieren übertrieb und das Vorurtheil, was der Engländer gegen ihn als Jre hat, durch einen ausschweifenden Dandysmus Lügen zu strafen suchte. Er kleidete sich stets nach der Geschmacklosigkeit der neuesten Mode. Er affektirte Grundsätze, die weit schlechter waren, als vielleicht sein Herz. Ja es lag sogar etwas in seinem Wesen, das mich für ihn hätte einnehmen können und mir wohl erklärte, wie meine Schwester gegen diesen jungen Mann eine Neigung hegte, die an’s Auffallende grenzte. Jch hab’ es in den Sitten der Hauptstadt öfters bemerkt, wie sehr sie denen zur Qual sind, die oft den meisten Enthusiasmus für
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/494>, abgerufen am 28.07.2024. |