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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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am wenigsten an geheime Oerter, ohne wieder eines neuen Fundes sich zu gewärtigen. Jch hatte längst auf diesen Betrüger Verdacht geworfen und ihn innerlich für den bösen Feind gehalten, der das Unkraut der Verleumdung in den Weizen unseres häuslichen Friedens streute; allein ich wollte Gewißheit haben und verschaffte sie mir durch eine List. Neben der Schlafkammer Hilary's befand sich eine Geräthkammer, die inwendig durch eine Thür mit dem Zimmer der Bedienten verbunden war. Jch gab nun vor, daß der Schlüssel zu diesem Behälter verloren gegangen wäre, und scheute mich nicht, in Abwesenheit Hilary's seine Kammer durch einen Schlosser öffnen zu lassen, um von hier aus durch Oeffnung einer zweiten Thür in die Geräthkammer zu kommen. Nachdem diese Hindernisse und die Gegenwart des Handwerkers beseitigt waren, fing ich an, in den Habseligkeiten des elenden Menschen zu kramen, und entdeckte auch bald einen aufgestapelten Ballen bedruckten Papiers. Es waren die Abdrücke des Pasquills und betrugen der Zahl nach gewiß noch mehrere Hunderte. Sogleich rief ich nach der Unterstützung des Unerfahrensten unter unsrer Bedienung (denn was brauchten die Dienstboten die Keckheit eines ihrer Genossen zu sehen!) und ließ das Dokument der strafbaren Umtriebe Hilary's in das Wohnzimmer meiner Schwester tragen. Leider war diese nicht sogleich bei der Hand und marterte mich durch eine Abwesenheit, die sich bis tief in die Nacht verlor. Um zwölf Uhr kam sie endlich mit ihren Töchtern angefahren, alle

am wenigsten an geheime Oerter, ohne wieder eines neuen Fundes sich zu gewärtigen. Jch hatte längst auf diesen Betrüger Verdacht geworfen und ihn innerlich für den bösen Feind gehalten, der das Unkraut der Verleumdung in den Weizen unseres häuslichen Friedens streute; allein ich wollte Gewißheit haben und verschaffte sie mir durch eine List. Neben der Schlafkammer Hilary’s befand sich eine Geräthkammer, die inwendig durch eine Thür mit dem Zimmer der Bedienten verbunden war. Jch gab nun vor, daß der Schlüssel zu diesem Behälter verloren gegangen wäre, und scheute mich nicht, in Abwesenheit Hilary’s seine Kammer durch einen Schlosser öffnen zu lassen, um von hier aus durch Oeffnung einer zweiten Thür in die Geräthkammer zu kommen. Nachdem diese Hindernisse und die Gegenwart des Handwerkers beseitigt waren, fing ich an, in den Habseligkeiten des elenden Menschen zu kramen, und entdeckte auch bald einen aufgestapelten Ballen bedruckten Papiers. Es waren die Abdrücke des Pasquills und betrugen der Zahl nach gewiß noch mehrere Hunderte. Sogleich rief ich nach der Unterstützung des Unerfahrensten unter unsrer Bedienung (denn was brauchten die Dienstboten die Keckheit eines ihrer Genossen zu sehen!) und ließ das Dokument der strafbaren Umtriebe Hilary’s in das Wohnzimmer meiner Schwester tragen. Leider war diese nicht sogleich bei der Hand und marterte mich durch eine Abwesenheit, die sich bis tief in die Nacht verlor. Um zwölf Uhr kam sie endlich mit ihren Töchtern angefahren, alle

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[463/0491] am wenigsten an geheime Oerter, ohne wieder eines neuen Fundes sich zu gewärtigen. Jch hatte längst auf diesen Betrüger Verdacht geworfen und ihn innerlich für den bösen Feind gehalten, der das Unkraut der Verleumdung in den Weizen unseres häuslichen Friedens streute; allein ich wollte Gewißheit haben und verschaffte sie mir durch eine List. Neben der Schlafkammer Hilary’s befand sich eine Geräthkammer, die inwendig durch eine Thür mit dem Zimmer der Bedienten verbunden war. Jch gab nun vor, daß der Schlüssel zu diesem Behälter verloren gegangen wäre, und scheute mich nicht, in Abwesenheit Hilary’s seine Kammer durch einen Schlosser öffnen zu lassen, um von hier aus durch Oeffnung einer zweiten Thür in die Geräthkammer zu kommen. Nachdem diese Hindernisse und die Gegenwart des Handwerkers beseitigt waren, fing ich an, in den Habseligkeiten des elenden Menschen zu kramen, und entdeckte auch bald einen aufgestapelten Ballen bedruckten Papiers. Es waren die Abdrücke des Pasquills und betrugen der Zahl nach gewiß noch mehrere Hunderte. Sogleich rief ich nach der Unterstützung des Unerfahrensten unter unsrer Bedienung (denn was brauchten die Dienstboten die Keckheit eines ihrer Genossen zu sehen!) und ließ das Dokument der strafbaren Umtriebe Hilary’s in das Wohnzimmer meiner Schwester tragen. Leider war diese nicht sogleich bei der Hand und marterte mich durch eine Abwesenheit, die sich bis tief in die Nacht verlor. Um zwölf Uhr kam sie endlich mit ihren Töchtern angefahren, alle

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/491>, abgerufen am 25.11.2024.