Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.einem so fürchterlichen Flusse, wie die Themse ist, zu baden. Sie, ehrwürdiger Freund und Vetter, kennen das klare, muntre Gewässer, welches in unsrer Pine zu Hause plätschert, und doch spürt man es gleich, wenn einmal etwas Unreinliches hineingekommen ist. Nun denken Sie sich aber den Unrath von anderthalb Millionen Menschen, den Unrath des Viehs, was in London lebt, die Abgänge der Jndustrie, die vielen Selbstmörder, die sich von den Brücken hinunterstürzen, und Sie werden einen Ekel bekommen, wenn Sie nur einen Blick in diesen schwarzen Sumpf, den man die Themse nennt, hineinwerfen. Von dem Schlamm im Bett des weltberühmten Flusses steigen fortwährend bunte Bläschen auf, die deutlich genug die Fäulniß am Boden des Flusses verrathen, und in diese Lauge wirft sich mein Bruder hinein und wäscht seinen Körper, nicht ohne Gefahr, in eine schwimmende Jnsel von Unrath hineingerissen zu werden. Hier will er die Gesundheit holen, die er in hypochondrischer Verblendung verloren zu haben glaubt und die auch wirklich bei ihm untergraben seyn muß, denn er keuchte entsetzlich, als er die Treppe heraufkam. Mein Erstes war, ihm wegen der Themsebäder Vorwürfe zu machen; allein wie ich das sagte, kratzte er sich hinter den Ohren und sagte: "Schwester, wenn du deßhalb gekommen bist, um deine alten Litaneien fortzusetzen, dann sollst du nur bei Bab bleiben, denn die bedarf mehr Strafpredigten als ich. Jch finde es einmal für meinen Körper zuträglich, ihn nicht von einem so fürchterlichen Flusse, wie die Themse ist, zu baden. Sie, ehrwürdiger Freund und Vetter, kennen das klare, muntre Gewässer, welches in unsrer Pine zu Hause plätschert, und doch spürt man es gleich, wenn einmal etwas Unreinliches hineingekommen ist. Nun denken Sie sich aber den Unrath von anderthalb Millionen Menschen, den Unrath des Viehs, was in London lebt, die Abgänge der Jndustrie, die vielen Selbstmörder, die sich von den Brücken hinunterstürzen, und Sie werden einen Ekel bekommen, wenn Sie nur einen Blick in diesen schwarzen Sumpf, den man die Themse nennt, hineinwerfen. Von dem Schlamm im Bett des weltberühmten Flusses steigen fortwährend bunte Bläschen auf, die deutlich genug die Fäulniß am Boden des Flusses verrathen, und in diese Lauge wirft sich mein Bruder hinein und wäscht seinen Körper, nicht ohne Gefahr, in eine schwimmende Jnsel von Unrath hineingerissen zu werden. Hier will er die Gesundheit holen, die er in hypochondrischer Verblendung verloren zu haben glaubt und die auch wirklich bei ihm untergraben seyn muß, denn er keuchte entsetzlich, als er die Treppe heraufkam. Mein Erstes war, ihm wegen der Themsebäder Vorwürfe zu machen; allein wie ich das sagte, kratzte er sich hinter den Ohren und sagte: "Schwester, wenn du deßhalb gekommen bist, um deine alten Litaneien fortzusetzen, dann sollst du nur bei Bab bleiben, denn die bedarf mehr Strafpredigten als ich. Jch finde es einmal für meinen Körper zuträglich, ihn nicht von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0477" n="449"/> einem so fürchterlichen Flusse, wie die Themse ist, zu baden. Sie, ehrwürdiger Freund und Vetter, kennen das klare, muntre Gewässer, welches in unsrer Pine zu Hause plätschert, und doch spürt man es gleich, wenn einmal etwas Unreinliches hineingekommen ist. Nun denken Sie sich aber den Unrath von anderthalb Millionen Menschen, den Unrath des Viehs, was in London lebt, die Abgänge der Jndustrie, die vielen Selbstmörder, die sich von den Brücken hinunterstürzen, und Sie werden einen Ekel bekommen, wenn Sie nur einen Blick in diesen schwarzen Sumpf, den man die Themse nennt, hineinwerfen. Von dem Schlamm im Bett des weltberühmten Flusses steigen fortwährend bunte Bläschen auf, die deutlich genug die Fäulniß am Boden des Flusses verrathen, und in diese Lauge wirft sich mein Bruder hinein und wäscht seinen Körper, nicht ohne Gefahr, in eine schwimmende Jnsel von Unrath hineingerissen zu werden. Hier will er die Gesundheit holen, die er in hypochondrischer Verblendung verloren zu haben glaubt und die auch wirklich bei ihm untergraben seyn muß, denn er keuchte entsetzlich, als er die Treppe heraufkam. Mein Erstes war, ihm wegen der Themsebäder Vorwürfe zu machen; allein wie ich das sagte, kratzte er sich hinter den Ohren und sagte: "Schwester, wenn du deßhalb gekommen bist, um deine alten Litaneien fortzusetzen, dann sollst du nur bei Bab bleiben, denn die bedarf mehr Strafpredigten als ich. Jch finde es einmal für meinen Körper zuträglich, ihn nicht von </p> </div> </body> </text> </TEI> [449/0477]
einem so fürchterlichen Flusse, wie die Themse ist, zu baden. Sie, ehrwürdiger Freund und Vetter, kennen das klare, muntre Gewässer, welches in unsrer Pine zu Hause plätschert, und doch spürt man es gleich, wenn einmal etwas Unreinliches hineingekommen ist. Nun denken Sie sich aber den Unrath von anderthalb Millionen Menschen, den Unrath des Viehs, was in London lebt, die Abgänge der Jndustrie, die vielen Selbstmörder, die sich von den Brücken hinunterstürzen, und Sie werden einen Ekel bekommen, wenn Sie nur einen Blick in diesen schwarzen Sumpf, den man die Themse nennt, hineinwerfen. Von dem Schlamm im Bett des weltberühmten Flusses steigen fortwährend bunte Bläschen auf, die deutlich genug die Fäulniß am Boden des Flusses verrathen, und in diese Lauge wirft sich mein Bruder hinein und wäscht seinen Körper, nicht ohne Gefahr, in eine schwimmende Jnsel von Unrath hineingerissen zu werden. Hier will er die Gesundheit holen, die er in hypochondrischer Verblendung verloren zu haben glaubt und die auch wirklich bei ihm untergraben seyn muß, denn er keuchte entsetzlich, als er die Treppe heraufkam. Mein Erstes war, ihm wegen der Themsebäder Vorwürfe zu machen; allein wie ich das sagte, kratzte er sich hinter den Ohren und sagte: "Schwester, wenn du deßhalb gekommen bist, um deine alten Litaneien fortzusetzen, dann sollst du nur bei Bab bleiben, denn die bedarf mehr Strafpredigten als ich. Jch finde es einmal für meinen Körper zuträglich, ihn nicht von
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/477>, abgerufen am 16.02.2025. |