Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.generis neutrius ist, ein Geschlecht haben. Man kann ihnen zeigen und erklären, was man will, man kann ihnen bei Tische die Speisen demonstriren oder bei'm Thee die verschiedenartigen Formen des Backwerks anrühmen, sie werden immer in der Gluth eines fortwährenden Erröthens wogen, weil sie nur gewohnt sind, alle Dinge in männlich und weiblich einzutheilen. Sie fühlen sich fortwährend an ihrer männlichen Bestimmung gekitzelt, sie scheinen ihr Weibliches verbergen zu wollen, allein man ahnt aus ihren unruhigen Augen und immer relativen Aeußerungen, in welcher Gegend ihr Geheimniß verborgen ist; alles, was sie thun und sagen, ist Anerbietung an das männliche Geschlecht. Der Begriff des Allgemein-Menschlichen ist für sie nicht vorhanden, alle ihre Vorstellungen sind auf den Unterschied der Geschlechter begründet. "Man kann sich denken, wie sich die Familie Windmill darnach sehnt, für ihre unruhigen Bewegungen Stoff zum Zermalmen zu bekommen. Wenn sich das unruhige Treiben des Staatslebens in einer Familie wiederholen könnte, so wäre davon hier ein treues Abbild gegeben, Mutter und Töchter sind ewig außer Athem. Bald verarbeiten sie Personen, bald Gerüchte. Sie haben eben so das Transitogeschäft fremder Gerüchte wie eine eigene Leumundsmanufaktur, in welcher sie das Gerücht ausmalen, vervollständigen und nicht selten die Ehre Anderer verkleinern, wie man in den Papiermühlen in Zeit von einigen Stunden Kleider in Papier verwandeln kann, generis neutrius ist, ein Geschlecht haben. Man kann ihnen zeigen und erklären, was man will, man kann ihnen bei Tische die Speisen demonstriren oder bei’m Thee die verschiedenartigen Formen des Backwerks anrühmen, sie werden immer in der Gluth eines fortwährenden Erröthens wogen, weil sie nur gewohnt sind, alle Dinge in männlich und weiblich einzutheilen. Sie fühlen sich fortwährend an ihrer männlichen Bestimmung gekitzelt, sie scheinen ihr Weibliches verbergen zu wollen, allein man ahnt aus ihren unruhigen Augen und immer relativen Aeußerungen, in welcher Gegend ihr Geheimniß verborgen ist; alles, was sie thun und sagen, ist Anerbietung an das männliche Geschlecht. Der Begriff des Allgemein-Menschlichen ist für sie nicht vorhanden, alle ihre Vorstellungen sind auf den Unterschied der Geschlechter begründet. "Man kann sich denken, wie sich die Familie Windmill darnach sehnt, für ihre unruhigen Bewegungen Stoff zum Zermalmen zu bekommen. Wenn sich das unruhige Treiben des Staatslebens in einer Familie wiederholen könnte, so wäre davon hier ein treues Abbild gegeben, Mutter und Töchter sind ewig außer Athem. Bald verarbeiten sie Personen, bald Gerüchte. Sie haben eben so das Transitogeschäft fremder Gerüchte wie eine eigene Leumundsmanufaktur, in welcher sie das Gerücht ausmalen, vervollständigen und nicht selten die Ehre Anderer verkleinern, wie man in den Papiermühlen in Zeit von einigen Stunden Kleider in Papier verwandeln kann, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0472" n="444"/><hi rendition="#aq">generis neutrius</hi> ist, ein Geschlecht haben. Man kann ihnen zeigen und erklären, was man will, man kann ihnen bei Tische die Speisen demonstriren oder bei’m Thee die verschiedenartigen Formen des Backwerks anrühmen, sie werden immer in der Gluth eines fortwährenden Erröthens wogen, weil sie nur gewohnt sind, alle Dinge in männlich und weiblich einzutheilen. Sie fühlen sich fortwährend an ihrer männlichen Bestimmung gekitzelt, sie scheinen ihr Weibliches verbergen zu wollen, allein man ahnt aus ihren unruhigen Augen und immer relativen Aeußerungen, in welcher Gegend ihr Geheimniß verborgen ist; alles, was sie thun und sagen, ist Anerbietung an das männliche Geschlecht. Der Begriff des Allgemein-Menschlichen ist für sie nicht vorhanden, alle ihre Vorstellungen sind auf den Unterschied der Geschlechter begründet.</p> <p>"Man kann sich denken, wie sich die Familie Windmill darnach sehnt, für ihre unruhigen Bewegungen Stoff zum Zermalmen zu bekommen. Wenn sich das unruhige Treiben des Staatslebens in einer Familie wiederholen könnte, so wäre davon hier ein treues Abbild gegeben, Mutter und Töchter sind ewig außer Athem. Bald verarbeiten sie Personen, bald Gerüchte. Sie haben eben so das Transitogeschäft fremder Gerüchte wie eine eigene Leumundsmanufaktur, in welcher sie das Gerücht ausmalen, vervollständigen und nicht selten die Ehre Anderer verkleinern, wie man in den Papiermühlen in Zeit von einigen Stunden Kleider in Papier verwandeln kann, </p> </div> </body> </text> </TEI> [444/0472]
generis neutrius ist, ein Geschlecht haben. Man kann ihnen zeigen und erklären, was man will, man kann ihnen bei Tische die Speisen demonstriren oder bei’m Thee die verschiedenartigen Formen des Backwerks anrühmen, sie werden immer in der Gluth eines fortwährenden Erröthens wogen, weil sie nur gewohnt sind, alle Dinge in männlich und weiblich einzutheilen. Sie fühlen sich fortwährend an ihrer männlichen Bestimmung gekitzelt, sie scheinen ihr Weibliches verbergen zu wollen, allein man ahnt aus ihren unruhigen Augen und immer relativen Aeußerungen, in welcher Gegend ihr Geheimniß verborgen ist; alles, was sie thun und sagen, ist Anerbietung an das männliche Geschlecht. Der Begriff des Allgemein-Menschlichen ist für sie nicht vorhanden, alle ihre Vorstellungen sind auf den Unterschied der Geschlechter begründet.
"Man kann sich denken, wie sich die Familie Windmill darnach sehnt, für ihre unruhigen Bewegungen Stoff zum Zermalmen zu bekommen. Wenn sich das unruhige Treiben des Staatslebens in einer Familie wiederholen könnte, so wäre davon hier ein treues Abbild gegeben, Mutter und Töchter sind ewig außer Athem. Bald verarbeiten sie Personen, bald Gerüchte. Sie haben eben so das Transitogeschäft fremder Gerüchte wie eine eigene Leumundsmanufaktur, in welcher sie das Gerücht ausmalen, vervollständigen und nicht selten die Ehre Anderer verkleinern, wie man in den Papiermühlen in Zeit von einigen Stunden Kleider in Papier verwandeln kann,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/472>, abgerufen am 16.02.2025. |