Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.und dann, wie ich später hörte, auf einen Ball fuhr. Die Vergnügungssucht hatte sich dieser vier Menschen so bemächtigt, daß sie einer Einladung nicht widerstehen konnten, wo sie allgemein der mit Fingern gezeigte Gegenstand der bittersten Sarkasmen waren. Schwester Beck, die alte Tante, kann zu Bette gehen, sie gehn auf den Ball. Gut, dacht' ich, so will ich wenigstens eine Rache nehmen und ergriff, als ich schon im Bette war, die Nummer des Satiristen, die ich mechanisch in das Zimmer mit hinaufgenommen hatte. Vielleicht war es auch nur, um mich allmählig einzuschläfern. Es lautete aber das Pasquill folgendermaßen: "Lady Windmill war vielleicht auch eine Gattin nach dem neuesten Geschmack, allein sie hat sich der Geschichte der fashionablen Welt erst in dem Augenblick eingereihet, als sie Wittwe wurde. Erst mit dem Tode ihres Gatten fing sie mit ihren drei Töchtern an, vom Winde der öffentlichen Meinung gefaßt zu werden. Seither ist sie in voller Bewegung. Diese vier Windmühlflügel verarbeiten mehr guten Ruf in der Woche, als ein ganzer Damenklubb im Westend des Jahres zu Grunde richtet. Wenn es ihnen an fremdem Materiale fehlt, so schütten sie ihre eignen Tugenden und Laster zwischen die Mühlsteine ihrer Verläumdung. Lady Windmill mit ihren Töchtern hat sich in der großen Welt so blos gestellt, daß wenn man sie in der Geschichte der fashionablen Welt unsrer Zeit übergehen wollte, daurch eine empfindliche Lücke in ihr entstehen und dann, wie ich später hörte, auf einen Ball fuhr. Die Vergnügungssucht hatte sich dieser vier Menschen so bemächtigt, daß sie einer Einladung nicht widerstehen konnten, wo sie allgemein der mit Fingern gezeigte Gegenstand der bittersten Sarkasmen waren. Schwester Beck, die alte Tante, kann zu Bette gehen, sie gehn auf den Ball. Gut, dacht’ ich, so will ich wenigstens eine Rache nehmen und ergriff, als ich schon im Bette war, die Nummer des Satiristen, die ich mechanisch in das Zimmer mit hinaufgenommen hatte. Vielleicht war es auch nur, um mich allmählig einzuschläfern. Es lautete aber das Pasquill folgendermaßen: "Lady Windmill war vielleicht auch eine Gattin nach dem neuesten Geschmack, allein sie hat sich der Geschichte der fashionablen Welt erst in dem Augenblick eingereihet, als sie Wittwe wurde. Erst mit dem Tode ihres Gatten fing sie mit ihren drei Töchtern an, vom Winde der öffentlichen Meinung gefaßt zu werden. Seither ist sie in voller Bewegung. Diese vier Windmühlflügel verarbeiten mehr guten Ruf in der Woche, als ein ganzer Damenklubb im Westend des Jahres zu Grunde richtet. Wenn es ihnen an fremdem Materiale fehlt, so schütten sie ihre eignen Tugenden und Laster zwischen die Mühlsteine ihrer Verläumdung. Lady Windmill mit ihren Töchtern hat sich in der großen Welt so blos gestellt, daß wenn man sie in der Geschichte der fashionablen Welt unsrer Zeit übergehen wollte, daurch eine empfindliche Lücke in ihr entstehen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0469" n="441"/> und dann, wie ich später hörte, auf einen Ball fuhr. Die Vergnügungssucht hatte sich dieser vier Menschen so bemächtigt, daß sie einer Einladung nicht widerstehen konnten, wo sie allgemein der mit Fingern gezeigte Gegenstand der bittersten Sarkasmen waren. Schwester Beck, die alte Tante, kann zu Bette gehen, sie gehn auf den Ball. Gut, dacht’ ich, so will ich wenigstens eine Rache nehmen und ergriff, als ich schon im Bette war, die Nummer des Satiristen, die ich mechanisch in das Zimmer mit hinaufgenommen hatte. Vielleicht war es auch nur, um mich allmählig einzuschläfern. Es lautete aber das Pasquill folgendermaßen:</p> <p>"Lady <hi rendition="#g">Windmill</hi> war vielleicht auch eine <hi rendition="#g">Gattin</hi> nach dem neuesten Geschmack, allein sie hat sich der Geschichte der fashionablen Welt erst in dem Augenblick eingereihet, als sie Wittwe wurde. Erst mit dem Tode ihres Gatten fing sie mit ihren drei Töchtern an, vom Winde der öffentlichen Meinung gefaßt zu werden. Seither ist sie in voller Bewegung. Diese vier Windmühlflügel verarbeiten mehr guten Ruf in der Woche, als ein ganzer Damenklubb im Westend des Jahres zu Grunde richtet. Wenn es ihnen an fremdem Materiale fehlt, so schütten sie ihre eignen Tugenden und Laster zwischen die Mühlsteine ihrer Verläumdung. Lady Windmill mit ihren Töchtern hat sich in der großen Welt so blos gestellt, daß wenn man sie in der Geschichte der fashionablen Welt unsrer Zeit übergehen wollte, daurch eine empfindliche Lücke in ihr entstehen </p> </div> </body> </text> </TEI> [441/0469]
und dann, wie ich später hörte, auf einen Ball fuhr. Die Vergnügungssucht hatte sich dieser vier Menschen so bemächtigt, daß sie einer Einladung nicht widerstehen konnten, wo sie allgemein der mit Fingern gezeigte Gegenstand der bittersten Sarkasmen waren. Schwester Beck, die alte Tante, kann zu Bette gehen, sie gehn auf den Ball. Gut, dacht’ ich, so will ich wenigstens eine Rache nehmen und ergriff, als ich schon im Bette war, die Nummer des Satiristen, die ich mechanisch in das Zimmer mit hinaufgenommen hatte. Vielleicht war es auch nur, um mich allmählig einzuschläfern. Es lautete aber das Pasquill folgendermaßen:
"Lady Windmill war vielleicht auch eine Gattin nach dem neuesten Geschmack, allein sie hat sich der Geschichte der fashionablen Welt erst in dem Augenblick eingereihet, als sie Wittwe wurde. Erst mit dem Tode ihres Gatten fing sie mit ihren drei Töchtern an, vom Winde der öffentlichen Meinung gefaßt zu werden. Seither ist sie in voller Bewegung. Diese vier Windmühlflügel verarbeiten mehr guten Ruf in der Woche, als ein ganzer Damenklubb im Westend des Jahres zu Grunde richtet. Wenn es ihnen an fremdem Materiale fehlt, so schütten sie ihre eignen Tugenden und Laster zwischen die Mühlsteine ihrer Verläumdung. Lady Windmill mit ihren Töchtern hat sich in der großen Welt so blos gestellt, daß wenn man sie in der Geschichte der fashionablen Welt unsrer Zeit übergehen wollte, daurch eine empfindliche Lücke in ihr entstehen
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/469>, abgerufen am 06.07.2024. |