Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Fälle vor, daß Menschen, wenn man ihnen mit dem Lichte zu nahe tritt, in der von ihnen ausgedünsteten Alkoholatmosphäre Feuer fangen oder, was noch gräßlicher ist, von innen heraus unter den schrecklichsten Schmerzen allmählig in Asche gelegt werden. Ein solcher schon heiß werdender und in Brand zu gerathen drohender Vulkan war der Markthelfer, der mir seine viehischen Schultern lieh, um meine Sachen mit zu meiner Schwester zu tragen. Nun wußt' ich wieder nicht, wo Warwikstreet lag, welches ihre Adresse war. Wir haben das beide so oft auf die Briefe an sie geschrieben, daß ich in dem Gewühl mich ohne Führer zurecht zu finden glaubte; allein es war gerade, als wäre ich in die Themse gesprungen, so verlor ich bei dem Suchen und der Menschenmasse alle Besinnung und hatte schon meine Noth, daß mir der schlechte Mensch nicht irgend wo mit meinen Koffern auf der Straße liegen blieb. Dieser Landstreicher war am wenigsten geschickt, mir über Warwikstreet Auskunft zu geben. Jch mußte mir noch einen zweiten Taugenichts auf der Straße miethen, der mir als Wegweiser dienen sollte. Jch zweifle nicht, daß mich dieser nach Art gewissenloser Fiaker fortwährend im Kreise herumführte und mich zehnmal vor dem Hause meiner Schwester vorbeiführte, ehe er gesagt hätte, das wäre es. So stellten diese beiden Menschen ein wahres Fuchsprellen mit mir an und erschöpften meine Geduld, daß ich zwischen ihnen beiden, als zwischen zwei Lootsen, wie ein dem Scheitern nahes Fahrzeug schwankte und

Fälle vor, daß Menschen, wenn man ihnen mit dem Lichte zu nahe tritt, in der von ihnen ausgedünsteten Alkoholatmosphäre Feuer fangen oder, was noch gräßlicher ist, von innen heraus unter den schrecklichsten Schmerzen allmählig in Asche gelegt werden. Ein solcher schon heiß werdender und in Brand zu gerathen drohender Vulkan war der Markthelfer, der mir seine viehischen Schultern lieh, um meine Sachen mit zu meiner Schwester zu tragen. Nun wußt’ ich wieder nicht, wo Warwikstreet lag, welches ihre Adresse war. Wir haben das beide so oft auf die Briefe an sie geschrieben, daß ich in dem Gewühl mich ohne Führer zurecht zu finden glaubte; allein es war gerade, als wäre ich in die Themse gesprungen, so verlor ich bei dem Suchen und der Menschenmasse alle Besinnung und hatte schon meine Noth, daß mir der schlechte Mensch nicht irgend wo mit meinen Koffern auf der Straße liegen blieb. Dieser Landstreicher war am wenigsten geschickt, mir über Warwikstreet Auskunft zu geben. Jch mußte mir noch einen zweiten Taugenichts auf der Straße miethen, der mir als Wegweiser dienen sollte. Jch zweifle nicht, daß mich dieser nach Art gewissenloser Fiaker fortwährend im Kreise herumführte und mich zehnmal vor dem Hause meiner Schwester vorbeiführte, ehe er gesagt hätte, das wäre es. So stellten diese beiden Menschen ein wahres Fuchsprellen mit mir an und erschöpften meine Geduld, daß ich zwischen ihnen beiden, als zwischen zwei Lootsen, wie ein dem Scheitern nahes Fahrzeug schwankte und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0459" n="431"/>
Fälle vor, daß Menschen, wenn man ihnen mit dem Lichte zu nahe tritt, in der von ihnen ausgedünsteten Alkoholatmosphäre Feuer fangen oder, was noch gräßlicher ist, von innen heraus unter den schrecklichsten Schmerzen allmählig in Asche gelegt werden. Ein solcher schon heiß werdender und in Brand zu gerathen drohender Vulkan war der Markthelfer, der mir seine viehischen Schultern lieh, um meine Sachen mit zu meiner Schwester zu tragen. Nun wußt&#x2019; ich wieder nicht, wo <hi rendition="#aq">Warwikstreet</hi> lag, welches ihre Adresse war. Wir haben das beide so oft auf die Briefe an sie geschrieben, daß ich in dem Gewühl mich ohne Führer zurecht zu finden glaubte; allein es war gerade, als wäre ich in die Themse gesprungen, so verlor ich bei dem Suchen und der Menschenmasse alle Besinnung und hatte schon meine Noth, daß mir der schlechte Mensch nicht irgend wo mit meinen Koffern auf der Straße liegen blieb. Dieser Landstreicher war am wenigsten geschickt, mir über <hi rendition="#aq">Warwikstreet</hi> Auskunft zu geben. Jch mußte mir noch einen zweiten Taugenichts auf der Straße miethen, der mir als Wegweiser dienen sollte. Jch zweifle nicht, daß mich dieser nach Art gewissenloser Fiaker fortwährend im Kreise herumführte und mich zehnmal vor dem Hause meiner Schwester vorbeiführte, ehe er gesagt hätte, <hi rendition="#g">das wäre es</hi>. So stellten diese beiden Menschen ein wahres Fuchsprellen mit mir an und erschöpften meine Geduld, daß ich zwischen ihnen beiden, als zwischen zwei Lootsen, wie ein dem Scheitern nahes Fahrzeug schwankte und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0459] Fälle vor, daß Menschen, wenn man ihnen mit dem Lichte zu nahe tritt, in der von ihnen ausgedünsteten Alkoholatmosphäre Feuer fangen oder, was noch gräßlicher ist, von innen heraus unter den schrecklichsten Schmerzen allmählig in Asche gelegt werden. Ein solcher schon heiß werdender und in Brand zu gerathen drohender Vulkan war der Markthelfer, der mir seine viehischen Schultern lieh, um meine Sachen mit zu meiner Schwester zu tragen. Nun wußt’ ich wieder nicht, wo Warwikstreet lag, welches ihre Adresse war. Wir haben das beide so oft auf die Briefe an sie geschrieben, daß ich in dem Gewühl mich ohne Führer zurecht zu finden glaubte; allein es war gerade, als wäre ich in die Themse gesprungen, so verlor ich bei dem Suchen und der Menschenmasse alle Besinnung und hatte schon meine Noth, daß mir der schlechte Mensch nicht irgend wo mit meinen Koffern auf der Straße liegen blieb. Dieser Landstreicher war am wenigsten geschickt, mir über Warwikstreet Auskunft zu geben. Jch mußte mir noch einen zweiten Taugenichts auf der Straße miethen, der mir als Wegweiser dienen sollte. Jch zweifle nicht, daß mich dieser nach Art gewissenloser Fiaker fortwährend im Kreise herumführte und mich zehnmal vor dem Hause meiner Schwester vorbeiführte, ehe er gesagt hätte, das wäre es. So stellten diese beiden Menschen ein wahres Fuchsprellen mit mir an und erschöpften meine Geduld, daß ich zwischen ihnen beiden, als zwischen zwei Lootsen, wie ein dem Scheitern nahes Fahrzeug schwankte und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/459
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/459>, abgerufen am 25.11.2024.