Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.meinem Federkissen, so daß ein Hülferuf, den das Wesen jetzt ausstieß, in dem Kissen erstickt wurde. Jch kann Jhnen, ehrwürdiger Freund und Vetter, die Angst nicht ausmalen, welche ich gegenwärtig empfand; ich sah hier offenbar eine ganz unorganische künstliche Zusammensetzung, die das Wesen eines Menschen täuschend nachahmte, und in welcher man die Vernunft doch mit so außerordentlicher Künstlichkeit hatte hervorbringen können, daß sie bei'm Verlust ihres Gleichgewichtes ordentlich um Hülfe und einmal über das andere Henry! Henry! schrie. Wir beiden Frauenspersonen rissen auf jeder Seite den Kutschenschlag auf und wiederholten den Hülferuf der in Unordnung gerath'nen Maschine. Der Wagen hielt still. Henry öffnete den Schlag, stieg ein und richtete mit theilnehmender Miene die umgefall'ne Figur wieder auf; er verfuhr dabei so vorsichtig, als wenn er mit Glas umginge; er legte seinen Herrn oder sein Geschöpf - wie sollten wir sagen? - in die Ecke des Wagens, wobei dieser immer sich gleich und unbeweglich blieb. Als der Wagen wieder fortrollte, konnt' ich vor Furcht kein Wort mehr sprechen, die mechanische Schriftstellerin jedoch sprach jetzt ganz laut über die Geschichte des Automatenwesens und flüsterte mir, da die Figur dazu still schwieg, leise zu: Dieser Mensch ist so künstlich zusammengesetzt, daß er alles begreift, wovon man spricht, nur seinen eignen Zustand nicht. Jndem sie das sagte, war es mir doch, als stieße die Maschine einen tiefen Seufzer aus. meinem Federkissen, so daß ein Hülferuf, den das Wesen jetzt ausstieß, in dem Kissen erstickt wurde. Jch kann Jhnen, ehrwürdiger Freund und Vetter, die Angst nicht ausmalen, welche ich gegenwärtig empfand; ich sah hier offenbar eine ganz unorganische künstliche Zusammensetzung, die das Wesen eines Menschen täuschend nachahmte, und in welcher man die Vernunft doch mit so außerordentlicher Künstlichkeit hatte hervorbringen können, daß sie bei’m Verlust ihres Gleichgewichtes ordentlich um Hülfe und einmal über das andere Henry! Henry! schrie. Wir beiden Frauenspersonen rissen auf jeder Seite den Kutschenschlag auf und wiederholten den Hülferuf der in Unordnung gerath’nen Maschine. Der Wagen hielt still. Henry öffnete den Schlag, stieg ein und richtete mit theilnehmender Miene die umgefall’ne Figur wieder auf; er verfuhr dabei so vorsichtig, als wenn er mit Glas umginge; er legte seinen Herrn oder sein Geschöpf – wie sollten wir sagen? – in die Ecke des Wagens, wobei dieser immer sich gleich und unbeweglich blieb. Als der Wagen wieder fortrollte, konnt’ ich vor Furcht kein Wort mehr sprechen, die mechanische Schriftstellerin jedoch sprach jetzt ganz laut über die Geschichte des Automatenwesens und flüsterte mir, da die Figur dazu still schwieg, leise zu: Dieser Mensch ist so künstlich zusammengesetzt, daß er alles begreift, wovon man spricht, nur seinen eignen Zustand nicht. Jndem sie das sagte, war es mir doch, als stieße die Maschine einen tiefen Seufzer aus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0455" n="427"/> meinem Federkissen, so daß ein Hülferuf, den das Wesen jetzt ausstieß, in dem Kissen erstickt wurde. Jch kann Jhnen, ehrwürdiger Freund und Vetter, die Angst nicht ausmalen, welche ich gegenwärtig empfand; ich sah hier offenbar eine ganz unorganische künstliche Zusammensetzung, die das Wesen eines Menschen täuschend nachahmte, und in welcher man die Vernunft doch mit so außerordentlicher Künstlichkeit hatte hervorbringen können, daß sie bei’m Verlust ihres Gleichgewichtes ordentlich um Hülfe und einmal über das andere Henry! Henry! schrie. Wir beiden Frauenspersonen rissen auf jeder Seite den Kutschenschlag auf und wiederholten den Hülferuf der in Unordnung gerath’nen Maschine. Der Wagen hielt still. Henry öffnete den Schlag, stieg ein und richtete mit theilnehmender Miene die umgefall’ne Figur wieder auf; er verfuhr dabei so vorsichtig, als wenn er mit Glas umginge; er legte seinen Herrn oder sein Geschöpf – wie sollten wir sagen? – in die Ecke des Wagens, wobei dieser immer sich gleich und unbeweglich blieb. Als der Wagen wieder fortrollte, konnt’ ich vor Furcht kein Wort mehr sprechen, die mechanische Schriftstellerin jedoch sprach jetzt ganz laut über die Geschichte des Automatenwesens und flüsterte mir, da die Figur dazu still schwieg, leise zu: Dieser Mensch ist so künstlich zusammengesetzt, daß er alles begreift, wovon man spricht, nur seinen eignen Zustand nicht. Jndem sie das sagte, war es mir doch, als stieße die Maschine einen tiefen Seufzer aus.</p> </div> </body> </text> </TEI> [427/0455]
meinem Federkissen, so daß ein Hülferuf, den das Wesen jetzt ausstieß, in dem Kissen erstickt wurde. Jch kann Jhnen, ehrwürdiger Freund und Vetter, die Angst nicht ausmalen, welche ich gegenwärtig empfand; ich sah hier offenbar eine ganz unorganische künstliche Zusammensetzung, die das Wesen eines Menschen täuschend nachahmte, und in welcher man die Vernunft doch mit so außerordentlicher Künstlichkeit hatte hervorbringen können, daß sie bei’m Verlust ihres Gleichgewichtes ordentlich um Hülfe und einmal über das andere Henry! Henry! schrie. Wir beiden Frauenspersonen rissen auf jeder Seite den Kutschenschlag auf und wiederholten den Hülferuf der in Unordnung gerath’nen Maschine. Der Wagen hielt still. Henry öffnete den Schlag, stieg ein und richtete mit theilnehmender Miene die umgefall’ne Figur wieder auf; er verfuhr dabei so vorsichtig, als wenn er mit Glas umginge; er legte seinen Herrn oder sein Geschöpf – wie sollten wir sagen? – in die Ecke des Wagens, wobei dieser immer sich gleich und unbeweglich blieb. Als der Wagen wieder fortrollte, konnt’ ich vor Furcht kein Wort mehr sprechen, die mechanische Schriftstellerin jedoch sprach jetzt ganz laut über die Geschichte des Automatenwesens und flüsterte mir, da die Figur dazu still schwieg, leise zu: Dieser Mensch ist so künstlich zusammengesetzt, daß er alles begreift, wovon man spricht, nur seinen eignen Zustand nicht. Jndem sie das sagte, war es mir doch, als stieße die Maschine einen tiefen Seufzer aus.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/455>, abgerufen am 16.02.2025. |