Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.assortirtes Lager von Zähnen, theils einzelnen, theils ganzen Gebissen. Jch wußte aber zu gut, daß diese Zähne nicht von Elfenbein sind, sondern den Dieben und Mördern vom Galgen gestohlen werden und innerhalb der ruchlosen Mäuler, die sich damit garniren lassen, in den Verwesungsprozeß übergehen. Jch bat sie um Gottes Willen, mir vom Leibe zu bleiben. Jch kann Jhnen, mein ehrwürdiger Freund und Vetter, kein Bild von dieser Scene entwerfen. Da das Weib nicht hören wollte, sondern unausgesetzt an mir herumtastete und mir ihre elastischen Sündenpolster vorn und hinten anschnallen wollte, so schrie ich zuletzt laut auf und lief zur Thür hinaus, weil ich den Sprung aus dem Fenster nicht wagen wollte. Jndem fällt mir ein, daß ich meinen Koffer nicht verschlossen hatte. Jch will wieder hinein, aber mein Lärmen hat die nächsten Hausbewohner in Bewegung gesetzt. Sie eilen mir zur Hülfe und treten in mein Zimmer, wo die Kupplerin des Satans eben ihre pariser Bescheerungen einpackt. Die Frauen ziehen sich beschämt zurück, und den Männern muß ich über diesen unanständigen Vorgang Rede und Antwort geben. Das Weib geht lachend davon, und die Männer sind roh genug, mit einzustimmen. Jch befand mich, was Moral betrifft, in jeder Beziehung auf der Landstraße. Wahrscheinlich veranstalten die Wirthe selbst dergleichen Belästigungen ihrer Gäste. Das nennt man in jetziger Zeit einen mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Gasthof! Manches in ihren Sünden eitle Weib ist froh, assortirtes Lager von Zähnen, theils einzelnen, theils ganzen Gebissen. Jch wußte aber zu gut, daß diese Zähne nicht von Elfenbein sind, sondern den Dieben und Mördern vom Galgen gestohlen werden und innerhalb der ruchlosen Mäuler, die sich damit garniren lassen, in den Verwesungsprozeß übergehen. Jch bat sie um Gottes Willen, mir vom Leibe zu bleiben. Jch kann Jhnen, mein ehrwürdiger Freund und Vetter, kein Bild von dieser Scene entwerfen. Da das Weib nicht hören wollte, sondern unausgesetzt an mir herumtastete und mir ihre elastischen Sündenpolster vorn und hinten anschnallen wollte, so schrie ich zuletzt laut auf und lief zur Thür hinaus, weil ich den Sprung aus dem Fenster nicht wagen wollte. Jndem fällt mir ein, daß ich meinen Koffer nicht verschlossen hatte. Jch will wieder hinein, aber mein Lärmen hat die nächsten Hausbewohner in Bewegung gesetzt. Sie eilen mir zur Hülfe und treten in mein Zimmer, wo die Kupplerin des Satans eben ihre pariser Bescheerungen einpackt. Die Frauen ziehen sich beschämt zurück, und den Männern muß ich über diesen unanständigen Vorgang Rede und Antwort geben. Das Weib geht lachend davon, und die Männer sind roh genug, mit einzustimmen. Jch befand mich, was Moral betrifft, in jeder Beziehung auf der Landstraße. Wahrscheinlich veranstalten die Wirthe selbst dergleichen Belästigungen ihrer Gäste. Das nennt man in jetziger Zeit einen mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Gasthof! Manches in ihren Sünden eitle Weib ist froh, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0446" n="418"/> assortirtes Lager von Zähnen, theils einzelnen, theils ganzen Gebissen. Jch wußte aber zu gut, daß diese Zähne nicht von Elfenbein sind, sondern den Dieben und Mördern vom Galgen gestohlen werden und innerhalb der ruchlosen Mäuler, die sich damit garniren lassen, in den Verwesungsprozeß übergehen. Jch bat sie um Gottes Willen, mir vom Leibe zu bleiben. Jch kann Jhnen, mein ehrwürdiger Freund und Vetter, kein Bild von dieser Scene entwerfen. Da das Weib nicht hören wollte, sondern unausgesetzt an mir herumtastete und mir ihre elastischen Sündenpolster vorn und hinten anschnallen wollte, so schrie ich zuletzt laut auf und lief zur Thür hinaus, weil ich den Sprung aus dem Fenster nicht wagen wollte. Jndem fällt mir ein, daß ich meinen Koffer nicht verschlossen hatte. Jch will wieder hinein, aber mein Lärmen hat die nächsten Hausbewohner in Bewegung gesetzt. Sie eilen mir zur Hülfe und treten in mein Zimmer, wo die Kupplerin des Satans eben ihre pariser Bescheerungen einpackt. Die Frauen ziehen sich beschämt zurück, und den Männern muß ich über diesen unanständigen Vorgang Rede und Antwort geben. Das Weib geht lachend davon, und die Männer sind roh genug, mit einzustimmen. Jch befand mich, was Moral betrifft, in jeder Beziehung auf der Landstraße.</p> <p>Wahrscheinlich veranstalten die Wirthe selbst dergleichen Belästigungen ihrer Gäste. Das nennt man in jetziger Zeit einen mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Gasthof! Manches in ihren Sünden eitle Weib ist froh, </p> </div> </body> </text> </TEI> [418/0446]
assortirtes Lager von Zähnen, theils einzelnen, theils ganzen Gebissen. Jch wußte aber zu gut, daß diese Zähne nicht von Elfenbein sind, sondern den Dieben und Mördern vom Galgen gestohlen werden und innerhalb der ruchlosen Mäuler, die sich damit garniren lassen, in den Verwesungsprozeß übergehen. Jch bat sie um Gottes Willen, mir vom Leibe zu bleiben. Jch kann Jhnen, mein ehrwürdiger Freund und Vetter, kein Bild von dieser Scene entwerfen. Da das Weib nicht hören wollte, sondern unausgesetzt an mir herumtastete und mir ihre elastischen Sündenpolster vorn und hinten anschnallen wollte, so schrie ich zuletzt laut auf und lief zur Thür hinaus, weil ich den Sprung aus dem Fenster nicht wagen wollte. Jndem fällt mir ein, daß ich meinen Koffer nicht verschlossen hatte. Jch will wieder hinein, aber mein Lärmen hat die nächsten Hausbewohner in Bewegung gesetzt. Sie eilen mir zur Hülfe und treten in mein Zimmer, wo die Kupplerin des Satans eben ihre pariser Bescheerungen einpackt. Die Frauen ziehen sich beschämt zurück, und den Männern muß ich über diesen unanständigen Vorgang Rede und Antwort geben. Das Weib geht lachend davon, und die Männer sind roh genug, mit einzustimmen. Jch befand mich, was Moral betrifft, in jeder Beziehung auf der Landstraße.
Wahrscheinlich veranstalten die Wirthe selbst dergleichen Belästigungen ihrer Gäste. Das nennt man in jetziger Zeit einen mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Gasthof! Manches in ihren Sünden eitle Weib ist froh,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/446>, abgerufen am 16.02.2025. |