Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.sollten, mit der Bestimmung, welcher sie plötzlich durch das Jahrhundert folgen mußten. Sie waren erzogen für das Haus und wurden für die Welt in Anspruch genommen. Sie sollten sich als Menschen fühlen und durften sich plötzlich nur innerhalb der Begriffe des Bürgers bewegen. Das hat ihnen so übeln Humor gemacht. Das bestimmt sie, da sie nie gerecht genug sind, ihre Magensäure nicht auf die Zeit und ihren Weinkeller, den sie unmuthig leeren, sondern auf die Erziehung zu schieben, ihren Kindern grade eine entgegengesetzte Erziehung zu geben, als sie empfangen haben. Wo die Alten streng waren, sind sie nachsichtig. Wo jene lachten, da erzürnen sie sich. Unsre Kinder werden zum Trotz erzogen. Jch behaupte immer, man kann zwar einen sehr guten Gebrauch von seiner Freiheit machen, wenn man nur für sie erzogen ist; allein man kann seine Freiheit nicht so fühlen, wenn man sie nicht vorher hat entbehren müssen. Die Strenggezogenen pflegen, freigelassen, nicht selten zügellos zu werden. Mäßigt sie aber eine edle Bildung, ist sie der Ranzen, der recht schwer ihre Schultern drückt, dann werden sie ihre Schritte schon einhalten und sich Zeit nehmen. Jch finde, daß unsre so frei erzogenen Kinder sehr oberflächlich werden, weil sie die Freiheit mit den Kenntnissen zu gleicher Zeit erhalten, statt daß die Freiheit eintreten sollte, wenn sie sich die Kenntnisse bereits angeeignet haben. Es gibt viele sehr strenge Erziehungen unter uns. Besonders wird viel sollten, mit der Bestimmung, welcher sie plötzlich durch das Jahrhundert folgen mußten. Sie waren erzogen für das Haus und wurden für die Welt in Anspruch genommen. Sie sollten sich als Menschen fühlen und durften sich plötzlich nur innerhalb der Begriffe des Bürgers bewegen. Das hat ihnen so übeln Humor gemacht. Das bestimmt sie, da sie nie gerecht genug sind, ihre Magensäure nicht auf die Zeit und ihren Weinkeller, den sie unmuthig leeren, sondern auf die Erziehung zu schieben, ihren Kindern grade eine entgegengesetzte Erziehung zu geben, als sie empfangen haben. Wo die Alten streng waren, sind sie nachsichtig. Wo jene lachten, da erzürnen sie sich. Unsre Kinder werden zum Trotz erzogen. Jch behaupte immer, man kann zwar einen sehr guten Gebrauch von seiner Freiheit machen, wenn man nur für sie erzogen ist; allein man kann seine Freiheit nicht so fühlen, wenn man sie nicht vorher hat entbehren müssen. Die Strenggezogenen pflegen, freigelassen, nicht selten zügellos zu werden. Mäßigt sie aber eine edle Bildung, ist sie der Ranzen, der recht schwer ihre Schultern drückt, dann werden sie ihre Schritte schon einhalten und sich Zeit nehmen. Jch finde, daß unsre so frei erzogenen Kinder sehr oberflächlich werden, weil sie die Freiheit mit den Kenntnissen zu gleicher Zeit erhalten, statt daß die Freiheit eintreten sollte, wenn sie sich die Kenntnisse bereits angeeignet haben. Es gibt viele sehr strenge Erziehungen unter uns. Besonders wird viel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="16"/> sollten, mit der Bestimmung, welcher sie plötzlich durch das Jahrhundert folgen mußten. Sie waren erzogen für das Haus und wurden für die Welt in Anspruch genommen. Sie sollten sich als Menschen fühlen und durften sich plötzlich nur innerhalb der Begriffe des Bürgers bewegen. Das hat ihnen so übeln Humor gemacht. Das bestimmt sie, da sie nie gerecht genug sind, ihre Magensäure nicht auf die Zeit und ihren Weinkeller, den sie unmuthig leeren, sondern auf die Erziehung zu schieben, ihren Kindern grade eine entgegengesetzte Erziehung zu geben, als sie empfangen haben. Wo die Alten streng waren, sind sie nachsichtig. Wo jene lachten, da erzürnen sie sich. Unsre Kinder werden <hi rendition="#g">zum Trotz</hi> erzogen.</p> <p>Jch behaupte immer, man kann zwar einen sehr guten Gebrauch von seiner Freiheit machen, wenn man nur für sie erzogen ist; allein man kann seine Freiheit nicht so fühlen, wenn man sie nicht vorher hat entbehren müssen. Die Strenggezogenen pflegen, freigelassen, nicht selten zügellos zu werden. Mäßigt sie aber eine edle Bildung, ist sie der Ranzen, der recht schwer ihre Schultern drückt, dann werden sie ihre Schritte schon einhalten und sich Zeit nehmen. Jch finde, daß unsre so frei erzogenen Kinder sehr oberflächlich werden, weil sie die Freiheit mit den Kenntnissen zu gleicher Zeit erhalten, statt daß die Freiheit eintreten sollte, wenn sie sich die Kenntnisse bereits angeeignet haben. Es gibt viele sehr strenge Erziehungen unter uns. Besonders wird viel </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0044]
sollten, mit der Bestimmung, welcher sie plötzlich durch das Jahrhundert folgen mußten. Sie waren erzogen für das Haus und wurden für die Welt in Anspruch genommen. Sie sollten sich als Menschen fühlen und durften sich plötzlich nur innerhalb der Begriffe des Bürgers bewegen. Das hat ihnen so übeln Humor gemacht. Das bestimmt sie, da sie nie gerecht genug sind, ihre Magensäure nicht auf die Zeit und ihren Weinkeller, den sie unmuthig leeren, sondern auf die Erziehung zu schieben, ihren Kindern grade eine entgegengesetzte Erziehung zu geben, als sie empfangen haben. Wo die Alten streng waren, sind sie nachsichtig. Wo jene lachten, da erzürnen sie sich. Unsre Kinder werden zum Trotz erzogen.
Jch behaupte immer, man kann zwar einen sehr guten Gebrauch von seiner Freiheit machen, wenn man nur für sie erzogen ist; allein man kann seine Freiheit nicht so fühlen, wenn man sie nicht vorher hat entbehren müssen. Die Strenggezogenen pflegen, freigelassen, nicht selten zügellos zu werden. Mäßigt sie aber eine edle Bildung, ist sie der Ranzen, der recht schwer ihre Schultern drückt, dann werden sie ihre Schritte schon einhalten und sich Zeit nehmen. Jch finde, daß unsre so frei erzogenen Kinder sehr oberflächlich werden, weil sie die Freiheit mit den Kenntnissen zu gleicher Zeit erhalten, statt daß die Freiheit eintreten sollte, wenn sie sich die Kenntnisse bereits angeeignet haben. Es gibt viele sehr strenge Erziehungen unter uns. Besonders wird viel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |