Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.man endlich in die Welt, so schämt man sich wieder der Schule. Man erwähnt sie nie anders, als um zu jubeln, daß man ein lästiges Joch endlich abschüttelte. Diese Feindschaft der verschiedenen Bildungsstadien unter einander kannten die Alten nicht. Epaminondas rühmte sich noch, alle Tage seines Alters der zu seyn, der er in seiner Jugend war, als er auf den Bänken der Schule saß. Es ist ein außerordentlicher Beweis für die in den Deutschen schlummernden Kräfte, daß sie alle Resultate, welche ihnen die Zeit oder die Wissenschaft darbietet, sogleich für die Erhöhung des Unterrichts- und Erziehungswesens verwenden. Aber selbst für den Fall, daß dieser Umstand die Folge einer mangelnden öffentlichen Freiheit wäre, für den Fall, daß man hier eine Nation hätte, die für ihre geistigen Neuerungen nur in der Jugend den bildsamen Stoff finden dürfte, ist es außerordentlich, wie gerade die deutsche Erziehung alles in sich zu vereinigen scheint, was an die Größe des Alterthums erinnert, und ohne dessen Annahme die neue Zeit nicht groß werden wird. Man findet bei den Deutschen Sinn für öffentliche Leibesübungen, für die Bildung einer gesunden Seele im gesunden Körper; die deutsche Jugend zeigte im Jahre 1813 eine Wunderkraft, die sie nur auf den Schauplätzen ihrer gymnastischen Uebungen gelernt hatte. Dieser Sinn erhielt sich lange, ging auf Universitäten und in die Staatsverhältnisse über, wo sich die physisch-phantastische Ausbildung in doktrinell-moralische verwandelt hatte. An die Stelle der Gymnastik man endlich in die Welt, so schämt man sich wieder der Schule. Man erwähnt sie nie anders, als um zu jubeln, daß man ein lästiges Joch endlich abschüttelte. Diese Feindschaft der verschiedenen Bildungsstadien unter einander kannten die Alten nicht. Epaminondas rühmte sich noch, alle Tage seines Alters der zu seyn, der er in seiner Jugend war, als er auf den Bänken der Schule saß. Es ist ein außerordentlicher Beweis für die in den Deutschen schlummernden Kräfte, daß sie alle Resultate, welche ihnen die Zeit oder die Wissenschaft darbietet, sogleich für die Erhöhung des Unterrichts- und Erziehungswesens verwenden. Aber selbst für den Fall, daß dieser Umstand die Folge einer mangelnden öffentlichen Freiheit wäre, für den Fall, daß man hier eine Nation hätte, die für ihre geistigen Neuerungen nur in der Jugend den bildsamen Stoff finden dürfte, ist es außerordentlich, wie gerade die deutsche Erziehung alles in sich zu vereinigen scheint, was an die Größe des Alterthums erinnert, und ohne dessen Annahme die neue Zeit nicht groß werden wird. Man findet bei den Deutschen Sinn für öffentliche Leibesübungen, für die Bildung einer gesunden Seele im gesunden Körper; die deutsche Jugend zeigte im Jahre 1813 eine Wunderkraft, die sie nur auf den Schauplätzen ihrer gymnastischen Uebungen gelernt hatte. Dieser Sinn erhielt sich lange, ging auf Universitäten und in die Staatsverhältnisse über, wo sich die physisch-phantastische Ausbildung in doktrinell-moralische verwandelt hatte. An die Stelle der Gymnastik <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0439" n="411"/> man endlich in die Welt, so schämt man sich wieder der Schule. Man erwähnt sie nie anders, als um zu jubeln, daß man ein lästiges Joch endlich abschüttelte. Diese Feindschaft der verschiedenen Bildungsstadien unter einander kannten die Alten nicht. Epaminondas rühmte sich noch, alle Tage seines Alters der zu seyn, der er in seiner Jugend war, als er auf den Bänken der Schule saß.</p> <p>Es ist ein außerordentlicher Beweis für die in den Deutschen schlummernden Kräfte, daß sie alle Resultate, welche ihnen die Zeit oder die Wissenschaft darbietet, sogleich für die Erhöhung des Unterrichts- und Erziehungswesens verwenden. Aber selbst für den Fall, daß dieser Umstand die Folge einer mangelnden öffentlichen Freiheit wäre, für den Fall, daß man hier eine Nation hätte, die für ihre geistigen Neuerungen nur in der Jugend den bildsamen Stoff finden dürfte, ist es außerordentlich, wie gerade die deutsche Erziehung alles in sich zu vereinigen scheint, was an die Größe des Alterthums erinnert, und ohne dessen Annahme die neue Zeit nicht groß werden wird. Man findet bei den Deutschen Sinn für öffentliche Leibesübungen, für die Bildung einer gesunden Seele im gesunden Körper; die deutsche Jugend zeigte im Jahre 1813 eine Wunderkraft, die sie nur auf den Schauplätzen ihrer gymnastischen Uebungen gelernt hatte. Dieser Sinn erhielt sich lange, ging auf Universitäten und in die Staatsverhältnisse über, wo sich die physisch-phantastische Ausbildung in doktrinell-moralische verwandelt hatte. An die Stelle der Gymnastik </p> </div> </body> </text> </TEI> [411/0439]
man endlich in die Welt, so schämt man sich wieder der Schule. Man erwähnt sie nie anders, als um zu jubeln, daß man ein lästiges Joch endlich abschüttelte. Diese Feindschaft der verschiedenen Bildungsstadien unter einander kannten die Alten nicht. Epaminondas rühmte sich noch, alle Tage seines Alters der zu seyn, der er in seiner Jugend war, als er auf den Bänken der Schule saß.
Es ist ein außerordentlicher Beweis für die in den Deutschen schlummernden Kräfte, daß sie alle Resultate, welche ihnen die Zeit oder die Wissenschaft darbietet, sogleich für die Erhöhung des Unterrichts- und Erziehungswesens verwenden. Aber selbst für den Fall, daß dieser Umstand die Folge einer mangelnden öffentlichen Freiheit wäre, für den Fall, daß man hier eine Nation hätte, die für ihre geistigen Neuerungen nur in der Jugend den bildsamen Stoff finden dürfte, ist es außerordentlich, wie gerade die deutsche Erziehung alles in sich zu vereinigen scheint, was an die Größe des Alterthums erinnert, und ohne dessen Annahme die neue Zeit nicht groß werden wird. Man findet bei den Deutschen Sinn für öffentliche Leibesübungen, für die Bildung einer gesunden Seele im gesunden Körper; die deutsche Jugend zeigte im Jahre 1813 eine Wunderkraft, die sie nur auf den Schauplätzen ihrer gymnastischen Uebungen gelernt hatte. Dieser Sinn erhielt sich lange, ging auf Universitäten und in die Staatsverhältnisse über, wo sich die physisch-phantastische Ausbildung in doktrinell-moralische verwandelt hatte. An die Stelle der Gymnastik
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/439>, abgerufen am 28.07.2024. |