Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Wie so, Lady? fragt' ich, lächelnd über den herben Ausdruck. Ach, lachen Sie nicht, entgegnete sie; mein einziges Kind ist die Ursache meiner Leiden. Jst es krank? fragt' ich besorgt. O wär' es das Mädchen! antwortete die Mutter, dann würde ich kein so hartes und grausames Wesen in dem Kinde erstarken sehen. Jch war erstaunt, weil das Kind ungemein viel Zutrauliches und Liebliches in seinem Benehmen hatte, ein Kind von kaum vier Jahren. Die Verstellung ist ihr angeboren, klagte die Mutter; der Geist, der in diesem Kinde tobt, erweckt mir für die Zukunft Besorgnisse, die mich mit Schrecken erfüllen. So jung sie ist, so hat sie doch schon einen so durchdachten, kalten Trotz, daß sie mir mit der größten Ruhe sagen kann: Jetzt will ich weinen, weil ich weiß, daß Du dich darüber ärgerst. Dann weint sie laut und schreit, ohne daß ihr eine Thräne im Auge stünde. Sie stampft mit den Füßen auf und weiß sich, noch so jung, schon einer Miene zu bedienen, die ihr, wenn sie älter wird, gräßlich, teuflisch stehen wird. Niemals offenbart sie auch nur die geringste Zärtlichkeit für ihre Umgebungen. Vater und Mutter sind ihr, trotz der liebevollsten und sanftesten Behandlung eine Qual. Fremden Leuten würde sie ohne Weiteres folgen, wenn ich mich, trotz meiner Leiden, entschließen könnte, sie von mir zu geben. Wenn ich recht schreie, sagt sie ganz kaltblütig, so bekomm' ich doch, was ich will. Jch weiß nicht, was ich für ein Unglück neben mir aufwachsen sehe! Jch suchte Wie so, Lady? fragt’ ich, lächelnd über den herben Ausdruck. Ach, lachen Sie nicht, entgegnete sie; mein einziges Kind ist die Ursache meiner Leiden. Jst es krank? fragt’ ich besorgt. O wär’ es das Mädchen! antwortete die Mutter, dann würde ich kein so hartes und grausames Wesen in dem Kinde erstarken sehen. Jch war erstaunt, weil das Kind ungemein viel Zutrauliches und Liebliches in seinem Benehmen hatte, ein Kind von kaum vier Jahren. Die Verstellung ist ihr angeboren, klagte die Mutter; der Geist, der in diesem Kinde tobt, erweckt mir für die Zukunft Besorgnisse, die mich mit Schrecken erfüllen. So jung sie ist, so hat sie doch schon einen so durchdachten, kalten Trotz, daß sie mir mit der größten Ruhe sagen kann: Jetzt will ich weinen, weil ich weiß, daß Du dich darüber ärgerst. Dann weint sie laut und schreit, ohne daß ihr eine Thräne im Auge stünde. Sie stampft mit den Füßen auf und weiß sich, noch so jung, schon einer Miene zu bedienen, die ihr, wenn sie älter wird, gräßlich, teuflisch stehen wird. Niemals offenbart sie auch nur die geringste Zärtlichkeit für ihre Umgebungen. Vater und Mutter sind ihr, trotz der liebevollsten und sanftesten Behandlung eine Qual. Fremden Leuten würde sie ohne Weiteres folgen, wenn ich mich, trotz meiner Leiden, entschließen könnte, sie von mir zu geben. Wenn ich recht schreie, sagt sie ganz kaltblütig, so bekomm’ ich doch, was ich will. Jch weiß nicht, was ich für ein Unglück neben mir aufwachsen sehe! Jch suchte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0431" n="403"/> Wie so, Lady? fragt’ ich, lächelnd über den herben Ausdruck. Ach, lachen Sie nicht, entgegnete sie; mein einziges Kind ist die Ursache meiner Leiden. Jst es krank? fragt’ ich besorgt. O wär’ es das Mädchen! antwortete die Mutter, dann würde ich kein so hartes und grausames Wesen in dem Kinde erstarken sehen. Jch war erstaunt, weil das Kind ungemein viel Zutrauliches und Liebliches in seinem Benehmen hatte, ein Kind von kaum vier Jahren. Die Verstellung ist ihr angeboren, klagte die Mutter; der Geist, der in diesem Kinde tobt, erweckt mir für die Zukunft Besorgnisse, die mich mit Schrecken erfüllen. So jung sie ist, so hat sie doch schon einen so durchdachten, kalten Trotz, daß sie mir mit der größten Ruhe sagen kann: Jetzt will ich weinen, weil ich weiß, daß Du dich darüber ärgerst. Dann weint sie laut und schreit, ohne daß ihr eine Thräne im Auge stünde. Sie stampft mit den Füßen auf und weiß sich, noch so jung, schon einer Miene zu bedienen, die ihr, wenn sie älter wird, gräßlich, teuflisch stehen wird. Niemals offenbart sie auch nur die geringste Zärtlichkeit für ihre Umgebungen. Vater und Mutter sind ihr, trotz der liebevollsten und sanftesten Behandlung eine Qual. Fremden Leuten würde sie ohne Weiteres folgen, wenn ich mich, trotz meiner Leiden, entschließen könnte, sie von mir zu geben. Wenn ich recht schreie, sagt sie ganz kaltblütig, so bekomm’ ich doch, was ich will. Jch weiß nicht, was ich für ein Unglück neben mir aufwachsen sehe! Jch suchte </p> </div> </body> </text> </TEI> [403/0431]
Wie so, Lady? fragt’ ich, lächelnd über den herben Ausdruck. Ach, lachen Sie nicht, entgegnete sie; mein einziges Kind ist die Ursache meiner Leiden. Jst es krank? fragt’ ich besorgt. O wär’ es das Mädchen! antwortete die Mutter, dann würde ich kein so hartes und grausames Wesen in dem Kinde erstarken sehen. Jch war erstaunt, weil das Kind ungemein viel Zutrauliches und Liebliches in seinem Benehmen hatte, ein Kind von kaum vier Jahren. Die Verstellung ist ihr angeboren, klagte die Mutter; der Geist, der in diesem Kinde tobt, erweckt mir für die Zukunft Besorgnisse, die mich mit Schrecken erfüllen. So jung sie ist, so hat sie doch schon einen so durchdachten, kalten Trotz, daß sie mir mit der größten Ruhe sagen kann: Jetzt will ich weinen, weil ich weiß, daß Du dich darüber ärgerst. Dann weint sie laut und schreit, ohne daß ihr eine Thräne im Auge stünde. Sie stampft mit den Füßen auf und weiß sich, noch so jung, schon einer Miene zu bedienen, die ihr, wenn sie älter wird, gräßlich, teuflisch stehen wird. Niemals offenbart sie auch nur die geringste Zärtlichkeit für ihre Umgebungen. Vater und Mutter sind ihr, trotz der liebevollsten und sanftesten Behandlung eine Qual. Fremden Leuten würde sie ohne Weiteres folgen, wenn ich mich, trotz meiner Leiden, entschließen könnte, sie von mir zu geben. Wenn ich recht schreie, sagt sie ganz kaltblütig, so bekomm’ ich doch, was ich will. Jch weiß nicht, was ich für ein Unglück neben mir aufwachsen sehe! Jch suchte
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/431>, abgerufen am 28.07.2024. |